Der Zauber von Grand Theft Auto lag schon immer in der vor Persönlichkeit strotzenden Spielwelt mit ihren absurden und doch liebenswerten Charakteren - und die besten Charaktere waren immer die Städte selbst. Dieser Zauber begann mit GTA III, GTA Vice City und GTA San Andreas und soll jetzt in aufpolierter Version die Herzen neuer und alter GTA-Fans erobern. So richtig gelingen will das allerdings nicht, denn trotz einiger willkommener Updates ist die GTA Trilogy - Definitive Edition ein uninspiriertes Remaster, das die Originale ohne Herz und Leidenschaft zurückbringt - und dabei sogar einige neue Macken einbaut.
Bevor wir uns die guten und schlechten Seiten der Definitive Edition anschauen, sei gesagt, dass wir hier in erster Linie nicht die Spiele bewerten (denn alle drei Titel sind Meilensteine), sondern wie dieses Remaster die Klassiker aufbereitet.
GTA Trilogy - The Definitive Edition: Was ist das eigentlich?
Das Story-Konzept von GTA ist immer gleich: Ihr lernt einen Protagonisten in einer misslichen Lage kennen, erledigt Auftragsjobs für verschiedene Gangster und werdet nach und nach selbst zum Kingpin. GTA III, das erste 3D-Spiel der Grand Theft Auto-Reihe, versetzt euch ins düster-regnerische Liberty City, Rockstars Version von New York. In Vice City steuert ihr den Hawaii-Hemden tragenden Tommy Vercetti durch eine neongrelle Parodie auf Miami. San Andreas führt euch an die Westküste und entwirft mit CJ den vielleicht besten Hauptcharakter der Reihe.
Alle drei Spiele wurden “Remastered”. Die Definitive Edition enthält keine von Grund auf neu entwickelten Spiele, sondern nur eine Aufhübschung der Originale. Die blockhafte Grafik der PS2 bleibt also im Remaster, aber die Spiele erscheinen nun in HD und mit vielen neuen Texturen und Figurenmodellen. Die Definitive Edition liefert neben diesen kosmetischen Eingriffen auch einige Gameplay-Neuerungen wie eine vereinfachte Waffenauswahl und bessere Fahrmechanik.
Ihr könnt die Spiele zudem nicht einzeln kaufen, sondern nur alle drei als Gesamtpaket. Gesprochen wird noch immer auf Englisch, aber Untertitel und Menüs gibt es auch auf Deutsch.
Was macht GTA Trilogy - Definitive Edition richtig?
Das Auffälligste ist sicher die überarbeitete Grafik. Auch wenn nicht alle neuen Designentscheidungen aufgehen (dazu später mehr) hat die Grafik der Definitive Edition einiges zu bieten: Die gelungenen neuen Lichteffekte geben den Spielen deutlich mehr Tiefe. Die Neonlichter strahlen hell in Vice City, das Abendlicht fällt rot über San Andreas. Vor allem die Autos sind viel detaillierter als früher und die zusätzlichen Texturen an Häuserwänden machen die Welt spürbar rauer und physischer.
Neue Spieler*innen wird die Grafik nicht vom Hocker reißen, denn die Remaster sehen keinesfalls wie moderne Spiele aus, sondern eben wie überarbeitete PS2-Spiele. Aber Fans der Originale dürften ihren Spaß daran haben, vertraute Orte wie die Grove Street, den Hauptschauplatz aus San Andreas, endlich auch in HD zu sehen.
Besonders die erweiterte Draw Distance, also der Radius der geladenen Objekte, ist eine willkommene Neuerung. Vielleicht erinnern sich manche an das Vinewood-Schild aus San Andreas, das aus der Ferne betrachtet verschwommen aussah. In der Definitive Edition ist nun auch von Weitem alles scharf, und wenn abends die Lichter in der Skyline von Los Santos angehen, dann wirkt die Welt gleich viel lebendiger.
Und wie sieht’s beim Gameplay aus?
Die Steuerung wurde modernisiert und funktioniert nun ähnlich wie in GTA V. So müsst ihr euch zum Beispiel nicht mühselig durch eure Waffen klicken (wie im Original), sondern habt ein Waffenrad zur schnellen Auswahl. Auch Fahren geht besser dank Gas- und Bremssteuerung über die Schulterknöpfe. Die Checkpunkte wurden großzügiger verteilt; ein Glück, denn die Originale sind berüchtigt für unfaire Checkpunkte, die euch oft ganze Missionen wiederholen ließen.
Auch beim Schießen gibt es mehr Freiheiten. Ihr visiert Gegner automatisch an und könnt danach frei zielen. Das fühlt sich zwar nicht ganz so intuitiv an wie bei GTA V, bietet aber mehr Präzision als die Originale, in denen ihr eher willkürlich durch die Gegend ballern musstet.
Dem Remaster fehlt das Gespür für das, was GTA ausmacht
Trotz dieser grundsätzlich guten Neuerungen ist die Definitive Edition aber ein enttäuschendes Remaster. Das liegt vor allem an der Oberflächlichkeit der grafischen Updates: Die Definitive Edition hübscht manches auf, lässt vieles aber auch unberührt, was besser hätte angepasst werden sollen. So wirkt die Grafik unfertig und nie wie aus einem Guss.
Klar, schickere Autos mit mehr Details sind nett, wirken auf den noch immer texturlosen Straßen aber beinahe surreal. Die hölzernen Sprünge und völlig übertriebenen Fall-Animationen sind in HD sogar noch alberner. Ein präziseres Zielsystem ist gut und schön, aber die Faustkämpfe sind so ungenau und chaotisch wie damals. Statt einzelner kosmetischer Eingriffe hätte es hier eine ganz grundsätzliche Vision für die Neuerungen dieser Remaster gebraucht.
Die Figuren erscheinen in der Definitive Edition in einem überarbeiteten Cartoon-Stil (der an die Coverbilder der GTA-Reihe erinnert). Das ist in Liberty City und Vice City nicht weiter schlimm; der Cartoon-Look passt gut in diese ohnehin sehr schrillen und überzeichneten Welten.
Im storylastigen San Andreas stören diese maskenhaften Gesichter aber gewaltig. So wird CJ zu Beginn von San Andreas beispielsweise von seinen Freunden abgeholt, diese wirken im Remaster aber allesamt leblos und in einigen Fällen (Ryder fällt besonders negativ auf) auch seltsam unförmig. Im Vergleich zum stummen Protagonisten aus GTA III sind CJ und seine Freunde aber durchaus komplexe Figuren, die einen weniger überzeichneten Look gebraucht hätten. Eben dieses Gespür für die unterschiedlichen Qualitäten der Spiele fehlt der Definitive Edition aber völlig.
Die erweiterte Draw Distance ist im Kern wie gesagt eine gute Neuerung, denn sie macht, wie oben beschrieben, die Welt an vielen Stellen lebendiger. Sie hat aber auch ihre Nachteile und im schlimmsten Fall zerstört sie sogar die Atmosphäre: Der charakteristische Nebel, der damals die Limits der PS2 überspielt, aber auch für eine mysteriöse, fast traumartige Stimmung gesorgt hat, ist nun verschwunden.
Dadurch wirkt die Welt oft flach und künstlich, besonders, wenn ihr sie von oben betrachtet. Auf einer Brücke oder einem Berg schaut ihr auf eine scheibenartige Erde hinab. Das zeigt, dass die Definitive Edition keine Sensibilität für die atmosphärischen Details der Originale besitzt. Der Regen in Liberty City fällt beispielsweise so stark, dass die Spielfigur vollständig verschwindet – das ist keine coole Film Noir-Stimmung mehr, sondern nervt einfach. Hier hätte sich das Remaster mehr Gedanken über die Vor- und Nachteile der Neuerungen machen und diese genauer abwägen müssen.
Technisch alles andere als 'Definitive'
Zwar laufen die Spiele meistens flüssig, aber auch die wenigen Einbrüche sind zu viel, wenn wir bedenken, dass es sich hier um PS2-Titel handelt. Texturen erscheinen oft erst nach wenigen Sekunden. Zudem sind uns mehrere Bugs aufgefallen, die zwar allesamt nicht dramatisch waren, in den Originalen aber nicht vorkamen. So lauft ihr in GTA III beispielsweise öfter gegen unsichtbare Wände und in San Andreas gibt es einige Straßen, durch die ihr einfach hindurchfallt.
In welcher Katastrophe die Remaster hingegen auf der Switch mutieren, das erfahrt ihr im ausführlichen Tech-Test von Kollege Chris, die zugleich als Kaufwarnung dient:
Wo sind Michael und Co.? Die Soundtracks von GTA sind legendär. Daher müssen wir natürlich auch erwähnen, dass in diesen Remaster einige Songs fehlen - zum Beispiel alle Tracks von Michael Jackson aus Vice City. Ob es sich dabei um Lizenzprobleme handelte, ist nicht gewiss, aber eines ist sicher: In einem Remaster, das sich “Definitive Edition” nennt, ist das enttäuschend.
Lohnt sich das Remaster im Jahr 2021?
Die Antwort auf die Frage, ob sich dieses Remaster lohnt, ist ein klares Nein - zumindest nicht für Neueinsteiger*innen. Viele Elemente wie zum Beispiel die ungenauen Faustkämpfe oder die schwache KI der Gegner werden neuen Spieler*innen altbacken und auf Dauer lästig vorkommen. Das Remaster tut nicht genug, um diese Klassiker für ein modernes Publikum, das mehr Feinschliff gewohnt ist, aufzubereiten.
Aber bei Fans der Klassiker dürfte es immerhin für einen kurzen Nostalgie-Trip reichen. Die Magie der Originale ist auch im Remaster vorhanden. Es fühlt sich wunderbar an, wieder in diese Welten einzutauchen und einfach ein bisschen in nostalgisch verklärten Erinnerungen zu schwelgen.
Durch die Straßen von Liberty City protzen und sich wie ein Gangster fühlen, am Strand von Vice City im Cabriolet cruisen - das alles ist so fantastisch wie immer. Allerdings liegt das an der Qualität der Originale, dem die Remaster kaum etwas hinzufügen - im Gegenteil, an einigen Stellen zerstören die Neuerungen sogar die Atmosphäre der Originale, weshalb Hardcore-Fans vielleicht besser bedient sind, wenn sie tatsächlich zu den besagten Originalen greifen.
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