Mit Gravity Rush brachte das Team von SCE Japan Studio im Jahr 2012 ein einzigartiges (damals noch) PS Vita-exklusives Action-Adventure auf den Markt. Das schwungvolle Abenteuer der Gravity Queen Kat begeisterte mich zwar mit der Möglichkeit, mittels Schwerkraft-Manipulation durch die französisch angehauchte Stadt Hekseville zu sausen und wie ein Staubsauger Edelsteine von Dächern und Häuserböden aufzusammeln, langweilte mich hier und da aber mit einem einfallslosen Missionsdesign.
Entsprechend groß waren meine Erwartungen an einen Nachfolger des ungeschliffenen Action-Adventure-Diamanten. Missionen, die über simple Eskortaufträge oder Stealth-Sequenzen hinausgehen und stattdessen einen kreativen Umgang mit der Gravitations-Manipulation erfordern, standen damals ganz oben auf meiner Wunschliste von Gravity Rush 2. Doch so wuchtig wie Kat in einer von vielen Schleichmissionen des Sequels Munitionsvorräte über die Mauern einer Militärbasis schleudert, musste ich auch meine Hoffnung über Bord werfen, dass es aus den Fehlern seines Vorgängers gelernt hat.
Ich will shiften, nicht schleichen
Haupt- und Nebenquests sind zwar nun deutlich abwechslungsreicher als in Teil eins, sie sind dadurch aber nicht besser. Das alte Problem des Vorgängers bleibt schließlich im Nachfolger bestehen: Gravity Rush 2 verfügt mit dem Gravitations-Shifting ein einzigartiges, Adrenalin-befeuerndes Feature, das ich in den vielen Schleich-, Such- und Eskort-Missionen aber weder hinreichend anwenden noch ausreizen darf.
Es gibt sie durchaus, die Missionen in denen meine besondere Fähigkeit als Gravity Queen gefragt ist, einfallsreich sind aber nur die wenigsten. Vergnügte ich mich im späteren Spielverlauf noch mit einer Mission, in der ich Raketen in der Luft blitzschnell mittels Stasis-Feld auffangen und auf andere schleudern musste, blies ein nachfolgender Eskort-Auftrag jeglichen Spaß wieder hinfort. Regelmäßig muss ich mich durch Aufträge zwingen, in denen ich mal einen NPC ungesehen zum Versteck seiner Gang verfolgen oder mich mit einer gesuchten Person im Schlepptau zu Fuß durch Gassen schlängeln muss, um von wachsamen Luft-Patrouillen nicht erwischt zu werden. Ich muss laufen, abwarten, suchen, mich verstecken. Dabei will ich doch nur shiften.
In Momenten, in denen ich Herrin der Schwerkraft sein sollte, legt mir das Spiel Steine in den Weg. Derlei Missionen frustrieren, eben weil sie es mir verwehren, auf meine Gravitationsfähigkeit zurückzugreifen. Dabei ist das halsbrecherische Shiften durch die Himmel der Stadt Jirga Para Lhao doch genau das, was mein Herz höher schlagen lässt und das Spiel eigentlich so besonders macht
Die Anziehungskraft des Gravity Shiftings
Wenn ich mit Kat auf dem Dach eines schwebenden Wolkenkratzers stehe und auf die unzähligen fliegenden Inseln Jirga Para Lhaos blicke, die sich wie die Planeten eines zusammengestauchten Sonnensystems vor mir, über mir und unter mir ausbreiten, dann beschleicht mich ein Gefühl schier grenzenloser Freiheit. Wohnhäuser, Brücken, Stützpfeiler, Luftschiffe - kein Punkt im Stadtbild ist bloße Fassade. Alles ist erreichbar, jeder Stein ein Landeplatz.
Linda Sprenger (@lindalomaniac):
Neben Persona 4 Golden gehört Gravity Rush zu Lindas Lieblingsspielen auf der PS Vita, mit denen sie sich 2012 stundenlang in den Sessel kuschelte. Das Action-Adventure, das im Februar des vergangenen Jahres in einer Remastered-Version für die PS4 neu aufgelegt wurde, sorgte bei ihr zwar zuerst für Magenverstimmung, schwang aber dann ganz schnell in Begeisterung um: Die zentrale Spielmechanik ist frisch, das Missionsdesign ausbaufähig. Gravity Rush ist ein Rohdiamant, dessen größte Probleme im Sequel aber leider nicht ausgemerzt werden, findet sie.
Wie im Vorgänger finde ich überall in der Stadt Diamanten, die ich einsammeln kann. Mal kopfüber, mal seitwärts und mal so, wie es sich die Natur für Menschen ausgedacht hat. Ob ich nun mittels Gravity-Slide einen Schornstein hinaufbrause und dabei eine Reihe Edelsteine aufklaube oder die Unterseite einer Wohnhausinsel mit gekonnten Luftmanövern umkreise und um ein paar dicke Diamantenbrocken erleichtere.
Gravity Rush 2 bereitet mir die größte Freude, wenn es mich nicht in das spielerische Korsett seiner Hauptmissionen zwängt. Und das ist schade. Denn der Spielspaß muss sich doch nicht alleine nur auf das freie Umherfliegen durch die Spielwelt und das ekstatische Sammeln von Edelsteinen beschränken.
Verpasste Chance
Die zentrale Spielmechanik des Gravity Shiftings verfügt über jede Menge Potenzial, das in vielen Haupt- und Nebenaufträgen aber maßlos verschwendet wird. Wenn es mir Gravity Rush 2 doch erlaubt, die Grenzen der Physik zu sprengen, dann möchte ich das nicht nur im freien Spiel sondern in erster Linie auch in den einzelnen Missionen tun.
Ich will mich auch in der Hauptgeschichte durch Häuserschluchten zwirbeln, Kunststückchen verrichten, die Spielwelt auf den Kopf stellen. Ich wünsche mir mehr waghalsige Aktionen in der Schwerelosigkeit, bei denen ich Luftschiffe oder einen gigantischen Bossgegner nach dem anderen vom Himmel Jirga Para Lhaos regnen lasse. Ich will mit knackigen Gravitationsrätseln gefordert werden, in denen ich beispielsweise die zwei neuen Gravitations-Formen der Heldin, den Lunar- und den Jupiter-Stil, clever kombinieren oder mir die spezifische Architektur der Spielwelt zu Nutze machen muss.
Doch anstatt mich mit der besonderen Fähigkeit meiner Heldin kontinuierlich auf die Probe zu stellen, unterforderte mich das Spiel allzu häufig mit seinen einfallslosen Ideen. Manche Aufträge haben vielversprechende Ansätze, jedoch ließ ich mich immer wieder dazu hinreißen, die Hauptgeschichte links liegen zu lassen und stattdessen frei durch die Spielwelt zu schlenkern.
Mehr: Gravity Rush 2 im Test - Gefangen in der Schwerelosigkeit
Am Ende stand ich in Gravity Rush 2 also genau da, wo ich auch mit Teil eins abschloss: Mit beiden Beiden an den Stützpfeilern einer schwebenden Insel, die ich gerade wie ein Staubsauger um zwei Hände voll Diamanten erleichtert habe. Und so sehr ich mich an jedem eingesammelten Edelstein und an jeder abgegrasten Ecke der Stadt erfreue, so sehr quält mich der Gedanke, dass ich mit meiner einzigartigen Shifter-Fähigkeit hier noch so viel mehr hätte anstellen können.
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