Mai 2013: Microsoft enthüllt die Xbox One und bekommt von den Gamern für die Always-On-Philosophie einen ordentlichen Scheitel gezogen. Mit dem Vorschlaghammer. Microsoft rudert daraufhin schnell wieder zurück.
März 2019: Google stellt den Videospiel-Streaming-Dienst Stadia vor. Es gibt zwar Gegenwind von den Gamern, doch fällt der Protest deutlich leiser aus als noch sechs Jahre zuvor. Teils wird die Streaming-Lösung nun sogar als zukunftsweisend gefeiert.
Digital ist suboptimal
Ich finde den Gedanken erschreckend. Es mag daran liegen, dass ich seit dem Atari VCS spiele, entsprechend zur älteren Gamer-Generation gehöre, und daher physische Spielemedien als die Normalität betrachte. Ich mag diese altmodischen Plastikkästen namens Konsole unterm Fernseher. Ich mag es, meine Spiele im Regal aufzureihen. Ich mag es, mir die Verpackungen anzusehen und durch die Anleitungen zu blättern. Oder Spiele möglicherweise auch wieder auf dem Gebrauchtmarkt zu verkaufen.
All das kann ich mit digitalen Spielen nicht tun. Deshalb halte ich mich soweit möglich generell von den Online-Stores für PS4, Xbox One oder Switch fern. Digital erworbene Spiele sind nichts weiter als die Lizenz, einen Inhalt zu nutzen, solange er auf den Servern verfügbar ist. Ich möchte aber gerne Spiele haben, die mich nicht auf Gedeih und Verderb von den Online-Services der Publisher abhängig machen.
Ich möchte ein Modul oder eine Disc einlegen und loszocken können. Okay, die Zeiten sind dank Day-One-Patches eigentlich schon lange vorbei … aber es geht mir ums Prinzip. Darum, nicht von irgendwelchen Servern abhängig zu sein, die nicht ausfallen oder abgeschaltet werden dürfen, und selbst Jahrzehnte später noch ein Spiel in ein längst fallen gelassenes System eben einlegen und loszocken zu können.
Das Ende der Spielekultur
Klar, Stadia lebt im Grunde diesen "einfach loslegen"-Gedanken. Doch wenn Spiele komplett in die Cloud ausgelagert werden (Microsoft und Sony stellen ja ebenfalls entsprechende Überlegungen an), gibt es ab diesem Zeitpunkt keine Retro-Szene mehr, die sich Jahre später wohlig an die Zeiten mit einer bestimmten Konsole erinnern könnte. Das ist ein Stück Spielekultur, das dann langsam verloren gehen würde.
Das positivste Szenario, das ich mir im Zusammenhang mit Stadia vorstellen kann (eine starke Internetverbindung mal außen vor gelassen), ist das eines kostenlosen Grund-Services: Google verlangt keine Gebühren für den Streaming-Service selbst, für Spiele wird aber normal zur Kasse gebeten. Die Spiele kann man dann nutzen, solange die Server laufen, aber nicht weiterverkaufen, wenn man sie zu Tode gezockt hat.
Warum ist das das positivste Szenario? Wenn ich für etwas viel Geld bezahle, wertschätze ich es ganz anders, als wenn ich es für eine niedrige monatliche Gebühr (und meine persönlichen Daten, wir reden hier schließlich von Datenkrake Google) nach Lust und Laune "durchzappen" kann. Und damit wären wir beim Netflix-Modell, das auf Stadia angewendet Videospiele zu einer Art Wegwerf-Unterhaltung machen würde.
Ich bemerke es ja an mir selbst: Wenn ich im Rahmen meines Jobs kostenlosen Zugriff auf alle möglichen Spiele habe, empfinde ich für diese Spiele nicht das Gleiche wie für solche, die ich teuer im Laden gekauft habe. Übersättigung setzt ein. Und dann sind da noch die Publisher und deren gewinnorientierte Geschäftsmodelle. Wie kann man die Kosten für ein AAA-Spiel wieder reinholen, wenn es im Rahmen einer Flatrate verramscht wird? Nein, das wird nicht funktionieren.
Überall spielen? Wozu?
Ich möchte meine Spiele auch nicht überall griffbereit haben. Der Gedanke, auf dem Handy (Mobilnetzgeschwindigkeit mal außer Acht gelassen) beispielsweise Red Dead Redemption zu "zocken", ist mir genauso zuwider wie der Gedanke, auf dem Handy einen Kinofilm anzuschauen. Das gehört zu den Dingen, die man einfach nicht tun sollte. Videospiele sollten genau wie Filme Erlebnisse bleiben, für die man sich Zeit nimmt, und die man in bestmöglicher Form genießt.
Wenn die Hersteller also durch einen eventuellen Erfolg Googles bedingt immer mehr in Richtung Cloud und Streaming gehen, und neue Konsolentechnik an Bedeutung verliert, ist das für etliche, insbesondere nostalgische Spielefans, die ihr Hobby nicht als beiläufige Berieselung enden sehen wollen, sicher alles andere als erfreulich. Ich kann an dieser Stelle natürlich nur für mich selbst sprechen, aber sollte die Spieleindustrie irgendwann in naher Zukunft komplett auf Streaming und Downloads umschwenken, bin ich (zumindest privat) definitiv raus. Deshalb werde ich Google Stadia meiden wie der Teufel das Weihwasser.
Google Stadia
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