Am 30. Januar haben nach knapp 20 Jahren die letzten GameStop-Filialen in Deutschland ihre Glastüren geschlossen und ich möchte auf diesem Weg noch einmal ganz persönlich Goodbye und vor allem Danke sagen.
GameStop wird mir nämlich nicht nur aufgrund so manch Gebrauchtspielperle in wohliger Erinnerung bleiben. Nicht nur, weil ich dort meine PS4 Pro zum absoluten Schnäppchenpreis bekommen konnte oder dank der 9,99er-Aktion, die mir trotz Ebbe im Geldbeutel doch noch in letzter Sekunde den heiß ersehnten Blockbuster zum Release beschert hat. GameStop wird mir vor allem wegen meiner zweieinhalb Jahre als studentische Aushilfe im Store in Siegen in Erinnerung bleiben, die ich mit fantastischen Menschen und unzähligen Nerdtalks verbracht habe.
Ein erster Blick ins Gaming-Wunderland
Im Studium ging’s mir trotz Unterstützung meiner Familie nach Einführung der Studiengebühren finanziell nicht gerade rosig. Geld musste her und was wäre für einen leidenschaftlichen Gamer ein coolerer Nebenjob, als bei GameStop zu arbeiten?
Den Mut zusammengenommen ging’s direkt mit bereits geschriebener Bewerbung in die Filiale und siehe da, es wurde tatsächlich eine studentische Aushilfe gesucht. Eine Woche und ein super nettes Telefonat später gab es am ersten Probetag dann beim Blick ins recht kleine, aber bis in den letzten Winkel mit Spielen vollgestopfte Warenlager den ersten magischen Moment: Hunderte DS-Spiele, meterhohe Türme von gebrauchten FIFAs – kein Spiel wurde häufiger eingetauscht –, wieder in Schuss gebrachte PS3- und Xbox 360-Konsolen und zwischendrin coole Pappaufsteller vom Master Chief und Lara Croft. Gamer-Herz, was willst du mehr?
“Könnt ihr die Spiele eigentlich alle mitnehmen und zocken?”
… war natürlich die Frage aller Frage – die ich mich am Probetag allerdings noch nicht getraut habe zu stellen. Den guten Eindruck wahren, wer weiß was die künftigen Kollegen sonst denken. Es könnte ja so wirken, als ob ich nur hier bin, um zu zocken.
Eine im Nachhinein vollkommen unbegründete Sorge, denn bereits nach den ersten lockeren Gesprächen war klar, dass alle das gleiche Hobby leidenschaftlich teilten und Bock hatten, die Spiele zu zocken. Spiele konnten wir bei uns im Store übrigens immer ausleihen. Wichtig war nur, dass sie bereits gebraucht waren, zudem mussten wir in eine Liste eintragen, wer sich welches Spiel mitgenommen hatte.
Um mal aus dem Nähkästchen zu plaudern: Wer besonders heiß auf ein neues Spiel war, hat sich auch neue Spiele ausgeliehen. Bei im Laden ausgestellten Spielen mussten zum Schutz vor Diebstahl die Disks und Module natürlich entfernt und fein säuberlich in einen Ordner abgeheftet werden. Waren genug Kopien des neuen Blockbusters da, wurde die brandneue Ware natürlich auch zu Hause gezockt. Im Sinne der Weiterbildung, versteht sich!
Diebstahl im GameStop war tatsächlich kein kleines Thema und regelmäßig kam es vor, dass nahe an der Eingangstür zum Laden positionierte Ware verschwand. Meist hielt sich der Schaden aber in Grenzen und es wurden lediglich leere Hüllen geklaut. Hinter vermeintlich besonders cleveren Jugendlichen her zu sprinten oder Gespräche mit dem Kaufhausdetektiv – der Store befand sich in einem Einkaufszentrum – gehörten jedoch dazu.
Weg mit der Krawatte, her mit der Basecap
Bevor es für mich zum Studium nach Siegen ging, bin ich ganze drei Jahre lang ganz geschniegelt mit Anzug und Krawatte durch sämtliche Abteilungen der Sparkasse getingelt – vom Schalter bis zur Vermögensberatung. Wenngleich ich während meiner Ausbildung auch sehr coolen Leuten begegnet bin, war der Grundton gegenüber den Kolleg*innen meist ein recht unterkühlter und teils auch rauer. Oder sagen wir es so: Es hatte Gründe, warum ich heute beruflich das komplette Gegenteil mache und nie wieder in einer Bank arbeiten würde.
Mit Vans, Basecap und kurzer Hose hinterm GameStop-Schalter zu stehen und über dieses knallharte neue Actionspiel aus Japan zu quatschen oder mit dem Stammkunden auszudiskutieren, welcher Stürmer unbedingt ins FIFA Ultimate Team muss, war dann ein ganz wunderbarer Kontrast zu Gesprächen über den jüngsten Kursverlust der Siemens-Aktie. Im Nebenjob über sein liebstes Hobby abzunerden und Leuten sämtlicher Altersklassen coole Spiele zu empfehlen, ich hab’s einfach geliebt.
So sehr geliebt, dass es mich wenige Jahre später in die GamePro-Redaktion verschlagen hat. Zwar ist das eine andere Geschichte, allerdings wurde mir während meiner Zeit bei GameStop zum ersten Mal klar, dass ich alles daran setzen würde, um nach meinem Studium in der Gaming-Branche zu arbeiten.
Von Ekelkonsolen und miesen Ankaufpreisen
Allerdings brachte die Arbeit bei GameStop wie in jedem Job natürlich nicht nur schöne Seiten mit sich.
Ein besonderes “Highlight” war die Annahme und Reinigung von gebrauchter Hardware. Viele von euch können sich sicher nicht vorstellen, mit was man die Lüfter und Zwischenräume von Konsolen und Controllern alles füllen kann. Schichten von Staub und Gras – nicht das von der Wiese – gehörten hier noch zum eher harmlosen Dreck, der sich immerhin recht leicht entfernen ließ. Beim angetrockneten Salsa-Dip zwischen den Trigger-Tasten und dem Ohrenschmalz der letzten drei Jahre an den Analog-Sticks wurde es dann aber schon kniffliger.
Wer sich im Fach der Ekelkonsolen weiterbilden möchte, wir haben hier ein paar besonders hilfreiche Artikel für euch:
Doch während ich mit Tech-Kollege und Hobbyschrauber Chris, der ebenfalls eine GameStop-Vergangenheit hat, über verdreckte Konsolen heutzutage schmunzeln kann , sieht das bei der Preispolitik von GameStop ganz anders aus – und hier geht’s mir gar nicht um die recht happigen GameStop-Preise neuer Spiele.
Was sich während meiner Arbeit mit Abstand am unangenehmsten anfühlte, waren die teils absurd niedrigen Ankaufpreise, die Kund*innen für ihre gebrauchten Konsolen und vor allem Spiele bekamen. Und hier reden wir nicht von ollen Kamellen, die für Centbeträge über die Ladentheke gingen. Wir reden von Menschen, die beispielsweise ihre ganze PS2-Sammlung verkaufen mussten, um möglichst schnell an Geld zu gelangen, dafür aber nicht einmal 100 Euro bekamen. Wir reden von Menschen, die sich eine Konsole bei Media Markt finanziert und dann direkt im GameStop nebenan in Bares umgewandelt haben.
Dann zu sehen, wie die gebrauchten Spiele nur kurze Zeit später für ein Vielfaches wieder verkauft wurden, fühlte sich nicht richtig an. Dass GameStop den Großteil seines Gewinns aus dem Handel von gebrauchter Ware bezog, war die eine Sache. Die Unverhältnismäßigkeit eine andere.
Mehr Geld musste her, komme was wolle
Zwar hab ich als studentische Aushilfe keinen Einblick in alle wirtschaftlichen Daten und Zahlen bekommen. Jedoch sehr wohl in die unzufriedene Grundstimmung, die bei GameStop und meinen Kolleg*innen bereits vor rund fünfzehn Jahren herrschte.
Der Ton aus der Führungsetage war rau und neue Wege, um mehr Gewinn zu machen, mussten immer möglichst schnell her. Erst recht im Zuge des stetig wachsenden Online-Handels von Gebrauchtspielen, wie beispielsweise auf Ebay.
Da spielte es auch keine Rolle, ob eine Versicherung für einen Käufer großartig Sinn ergab – wurde ein Spiel beispielsweise durch Kratzer unspielbar, gab’s ein neues Exemplar. Die Service-Leistung musste möglichst oft verkauft werden. In Anspruch genommen wurde die Versicherung bei mir zumindest so gut wie nie. Wann kommt es schon einmal vor, dass ein Spiel derart verkratzt ist, dass es nicht mehr läuft?
Ein Ende, das sich abgezeichnet hatte - und ein großes Dankeschön!
Nach meiner Zeit bei GameStop habe ich nur noch am Rande mitbekommen, wie Stores immer mehr auf den Verkauf von Gaming-Merchandise und weniger auf die Spiele selbst gesetzt haben. Kein Wunder, der Absatz physischer Spiele nimmt im Vergleich zu digitalen Verkäufen bereits seit Jahren stark ab.
Das Aus von GameStop in Deutschland , kam für mich und auch sicher für viele von euch wenig überraschend. GameStop stand für den stationären Handel und Verkauf von gebrauchten Spielen und ist dadurch gewissermaßen ein überholtes Relikt seiner Zeit.
Eines, mit dem ich trotz aller Querelen viele schöne Erinnerungen verbinde und das zur deutschen Gaming-Kultur der 2000er gehörte wie die Anspielstationen im Elektronikmarkt um die Ecke.
Abschließend noch ein großes Dankeschön an meine ehemaligen Kolleg*innen Dominik, Daniel, Saskia und Stefan. Das war eine fantastische Zeit mit euch, die ich nie vergessen werde. Fühlt euch gedrückt und von Herzen alls Gute für die Zukunft.
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