Strömender Regen ergießt sich über eine Szenerie, die, wäre ihr eine Stimme gegeben, über die Tristesse des Moments klagen würde. Der graue, rissige Bodenbelag grenzt an eine matte, nicht minder graue Mauer, auf der farbenschwache Graffitis den Kampf gegen die unkolorierte Umgebung schon längst aufgegeben haben. Neonlicht - künstlich und blau-weiß - wird von einer einsamen Laterne und den im Hintergrund einschüchternd und düster emporragenden Gebäuden auf jenes Straßenstück geworfen, das ein Mann in tristem, farblosen Anzug und Dreitagebart betritt.
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Warten auf Matthius
Wer vermutet, dass wir in jener verregneten, mondfahlen Nacht in eine Detektivgeschichte des frühen zwanzigsten Jahrhunderts stolpern, irrt - zum Teil. Verdacht hätte schöpfen können, wer den (bewusst verschwiegenen) Himmel betrachtet hätte: In bedrohlichen, dunklen Purpurtönen warnt der Himmel über dem Planeten Barracus unerhört vor der drohenden Gefahr, in die sich der Ermittler mit dem mächtig anmutenden Namen Azrael Odin im Laufe von Gemini Rue auf der Suche nach seinem Bruder begeben wird.
Zunächst aber widerfährt Azriel nur eines: Er wird im Regen stehen gelassen, von seinem Kontaktmann Matthius fehlt jede Spur - ein schlechtes Zeichen auf einem Planeten, der ganz in den Klauen des kriminellen Syndikats namens Boryokudan gefangen ist. Während wir einerseits in die Rolle Azriels schlüpfen und im Schutze der Nacht nach dem Verbleib von Matthius forschen, blendet Gemini Rue andererseits immer wieder an einen anderen, nicht minder finsteren Ort irgendwo in der Galaxis über: Der Hochsicherheitstrakt einer Raumstation, steril und unmenschlich, fast einem Gefängnis gleich, in dem Menschen ihrer Erinnerungen beraubt werden, um für einen unbekannten Zweck trainiert zu werden. Gemini Rue überlässt uns die Kontrolle über Probanden Delta-Six, der nach missglücktem Fluchtversuch einer erneuten Gehirnwäsche unterzogen wird - und im Folgenden so ratlos ist wie wir, als wir unter den vormals bekannten Gesichtern der Mitgefangenen jene suchen, denen wir vertrauen können.
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Über die Tödlichkeit von Projektilwaffen
In den Abschnitten, in denen wir in der Haut von Delta-Six schlüpfen, wird recht schnell ersichtlich, für welche Aufgaben er trainiert werden soll. Gut für uns: Der Gebrauch von Schusswaffen ist in einem Universum, in dem Hoffnung oder Gerechtigkeit weit entfernt erscheinen, unumgänglich. So absolvieren wir in einer Art getarntem Tutorial Schießübungen, die mit Deckungs- oder rudimentären Zielsystem für ein Point'n'Click-Adventure recht komplex ausfallen. Worauf uns Gemini Rue hingegen nicht vorbereitet, ist die raue Wirklichkeit: Während in den Übungen ein Laserpointer Treffer signalisiert, bemerken wir in der Rolle Azriels das vorschnelle Verlassen der Deckung, wenn sein Körper tödlich getroffen leblos zu Boden fällt - und das bereits nach dem ersten Treffer.
Gemini Rue bricht damit mit einer von Lucas Arts aufgestellten Adventure-Regel, die wir tief in der Mottenkiste wähnten: Nicht nur in Kämpfen ist das vorzeitige Ableben des Protagonisten ein (vorhersehbares) Unglück, auch einige Rätsel wollen unter Zeitdruck gelöst werden; wer seinen Denkapparat nicht rechtzeitig in Schwung bringt, findet sich wenige Sekunden später an einem fair gesetzten Rücksetzpunkt wieder - oder lädt wahlweise einen der frei speicherbaren Spielstände. Trotz der eher umständlichen Kampfsteuerung und der daraus resultierenden Nebentätigkeit als Kugelfang tragen die Kämpfe zur düsteren Atmosphäre Gemini Rues bei - wer sich dennoch daran die Zähne ausbeißt, kann den Schwierigkeitsgrad nachträglich reduzieren.
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