Frische Monsterhorden
Doch zurück zum vermeintlich fehlenden Blut. Dieses Problem löst sich mit dem plötzlichen Auftauchen des »Schwarms«, ekligen Monstern, die entfernt an die besiegten Locust erinnern (irgendwie muss die USK-Freigabe ab 18 Jahren ja schließlich gerechtfertigt sein, Robotergegner genügen da nicht).
Was hat es mit diesen neuen Gegnern auf sich? Warum entführen sie Menschen? Uns soll das zunächst egal sein, denn die Schwarmmonster machen vor allem zwei Dinge richtig: Sie bluten und lassen sich per Lancer in zwei Teile sägen. Hurra! Nun fühlen wir uns wieder richtig heimisch. Der Schwarm unterteilt sich in mehrere Erscheinungsformen.
Da sind zunächst die »Juvies«, die aus fleischigen Kokons schlüpfen - manchmal sogar, wenn wir eines der Gebilde als Deckung benutzen. Sie stürmen kreischend auf uns zu und wirken zunächst gefährlich, sind aber perfektes Kettensägenfutter und kaum eine Bedrohung.
Anders sieht es mit den Drohnen aus. Sie erinnern an Locust-Fußtruppen und sind bewaffnet: Drohnen können mit Hammerburst, Lancer, Longshot oder Torque Bow bewaffnet auftreten und variieren dadurch in ihrer Funktion vom Fußsoldaten bis zum Scharfschützen.
Scions sind wiederum riesenhafte Muskelberge, die bevorzugt mit schweren Waffen auftreten, unsere Kugeln wie ein nimmersatter Schwamm aufnehmen und zu allem Überfluss die Moral und damit die Kampfkraft umstehender Drohnen erhöhen.
Außerdem gibt es noch äußerst widerliche Abarten, die entweder darauf aus sind, uns einzuschlürfen und zu entführen (Game Over!) oder auf uns drauf zu springen, um uns mit unzähligen Tentakeln den Kopf abzureißen (Game Over!). Gears of War 4 besitzt dank der neuen Roboter und Schwarmmonster deutlich mehr Gegnervarianz als die Vorgänger, was die Deckungsgefechte entsprechend abwechslungsreicher und dynamischer gestaltet, zumal ein Großteil der Deckungsmöglichkeiten zerstörbar ist.
Praktischerweise haben die Biester ähnlich der Lambent in Gears of War 3 hell leuchtende Schwachpunkte am Körper, auf die wir das Feuer konzentrieren sollten, um möglichst großen Schaden anzurichten. Jedes Monster erfordert dabei eine spezielle Taktik, stumpfes Draufhalten bringt nichts.
Gelegentlich leisten auch die neuen Waffen wie Buzzkill (verschießt Sägeblätter) und Dropshot (fernsteuerbare Sprengladung) gute Dienste bei Heavies und anstürmenden Juvie-Massen. Je weiter wir im Spiel kommen und je mehr Begegnungen wir mit den Biestern haben, umso leichter fallen uns die Kämpfe. Diese Lernkurve lässt uns im späteren Spielverlauf einige Male triumphierend innehalten und darüber nachdenken, zu was für einem verwegenen Kerlchen wir uns doch gemausert haben, da diese zuerst unüberwindlich scheinenden Monster inzwischen nur noch Pipifax sind.
Der perfekte Sturm
Etwas, das sich Gears of War 4 ebenfalls zu Teilen von Uncharted abgeguckt hat, sind besonders aufwendige Action-Set-Pieces, die nachdrücklich in Erinnerung bleiben. Als Beispiel sei hier lediglich die Motorradfahrt genannt, während der wir im Affenzahn durch Waldstücke und über bröckelige Felsen brettern. Als sei das nicht genug, will uns auch noch ein … ach, das solltet ihr schon selbst erleben.
Diese Szenen sind gelungene und willkommene Abwechslungen von den mitunter serientypisch etwas überhandnehmenden Deckungs-Schusswechseln. Immer wenn wir uns denken »Puh, jetzt wird's aber langsam etwas eintönig«, kommt das Spiel mit einer coolen Zwischensequenz, einem irre komischen Wortgefecht (etwa der Streit zwischen Marcus und Del, ob es Unglück bringt, vorschnell »Alles frei!« zu sagen) oder eben einer groß angelegten Actionsequenz daher.
Sehr erfrischend und fantastisch inszeniert sind auch die Abschnitte, in denen wir gegen Seras Monsterstürme ankämpfen. Grafische Effekte wie dunkle Wolken und einschlagende Blitze, herumwehende Objekte und druckvoller Surround-Sound machen die Kämpfe im Wind zu einem tollen Erlebnis. Je nach Stärke des Sturms verzieht es uns dabei schon mal die abgefeuerten Kugeln oder die Handgranaten.
Auch Bewegungen werden mit zunehmender Sturmgeschwindigkeit schwieriger. Doch das Problem betrifft natürlich nicht nur uns, sondern auch unsere Widersacher. Und die Stürme bringen nicht nur Probleme mit sich, sondern auch witzige Wege der kreativen Gegnerbeseitigung. Wer nämlich die Augen offen hält, entdeckt zum Beispiel Holzbretter, die schweren Metallschrott oder Autowracks zurückhalten - jedenfalls bis wir darauf schießen!
Eh sie sich's versehen, werden Schwarmgegner, die sich in ihrer Deckung in Sicherheit wähnen, hinterrücks von entfesselten Objekten zermatscht, die unaufhaltsam einmal quer über den Bildschirm poltern. Die Schießereien bei Windstärke 20 machen extrem Spaß und werden zum Glück nicht totgeritten, sondern wohldosiert eingesetzt. Auch wenn wir die ein oder andere zusätzliche Sturmböe gerne mitgenommen hätten.
Eine andere Art der Abwechslung bietet die Integration des Horde-Modus in die Solo-Kampagne: In einer Minivariante des beliebten Koop-Multiplayermodus müssen wir unsere Stellung mit Zäunen und Kanonen befestigen, um sie drei Runden lang gegen anstürmende, immer stärker werdende Gegnerhorden zu verteidigen.
Hier kommt der Fabrikator vom Anfang zurück ins Spiel: Pro Runde haben wir ein Energiepunkte-Budget, das wir in Verteidigungsanlagen investieren, die wir anschließend ganz nach Belieben im Terrain verteilen. So können wir etwa Treppen am unteren Ende mit Barrikaden absperren, an denen die Feinde nicht ohne weiteres vorbeikommen, während sie vom oberen Ende aus von einer Selbstschussanlage mit heißen Bleibohnen eingedeckt werden.
Ein ähnliches Konzept der Integration von Multiplayer-Mechaniken in den Single Player verfolgte Epic Games bereits mit dem direkten Vorläufer Gears of War: Judgment, doch was damals leicht in die Hose ging, funktioniert bei Gears 4 prächtig. Vor allem, weil es in der Kampagne nur wenige, aber dafür im Story-Kontext passende Stellen gibt, an denen wir uns auf diese Weise verteidigen müssen.
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