Seit der Ankündigung des Final Fantasy 7-Remakes war ich hin- und hergerissen zwischen der Freude über die Neuauflage und der Sorge um die Umsetzung. Vor allem der Fokus auf das düstere, graue Midgar als einziges Setting hat mich stutzig werden lassen. Damals im PS1-Original war ich schließlich froh, als ich aus dem grauen Einerlei endlich rauskam.
Ich mich gefragt, wie abwechslungsreich der erste Teil des Kultspiels überhaupt sein kann, wenn ich nie die Stadtmauern verlasse? Nach meinen Erlebnissen im Remake muss ich aber zugeben, dass ich zu vorschnell geurteilt habe: Midgar ist bunter als gedacht.
Grau ist das neue Bunt
Mal vorneweg: Die Stadt Midgar würde wahrscheinlich niemals eine Bundesgartenschau abhalten können. Dafür ragen die riesigen Mako-Reaktoren des Shinra-Konzers viel zu sehr in die Landschaft. Hier geht Nutzen eindeutig vor Schönheit. Schon in den ersten Trailern zum Remake gab es vor allem Stahlwände, düstere Gänge oder enge Gassen zu sehen – auf Dauer nicht gerade spannend.
Und hier sollte ich nun die komplette Spieldauer von Final Fantasy 7 verbringen, dem Remake eines Spiels, das vor allem für grafisch beeindruckende Kulissen bekannt ist? Sonnenuntergänge, die sich in kristallenen Seen spiegeln, riesige, majestätisch dahintrottende Giganten, tropische Strände oder Kristallhöhlen sucht man hier vergebens.
Wer ein klassisch "schönes" Spiel erwartet, könnte von Midgar enttäuscht sein. Denn obwohl die industriellen Teile der Stadt allein schon aufgrund ihrer Größe beeindruckend sind, bleiben ja gerade die Reaktoren eine Ansammlung aus Leitern, Schrauben, und sehr viel Metall.
Keine große Überraschung: Aber so sehen Reaktoren nun einmal aus. Ein Kernkraftwerk ist keine Strandbar und eine Kanalisation kein Märchenwald.
Die grauen Reaktoren sind allerdings gar nicht so eintönig, wie sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Die verwinkelten Gänge und Plateaus stecken voller Feinde, die, anders als ihre Umgebung, oft sehr farbenfroh sind und die leeren Gänge sehr viel belebter erscheinen lassen. Zudem bleibt ein riesiger Reaktor auch in Grautönen definitiv beeindruckend.
In Verbindung mit dem knalligen Kampfsystem, in denen es nur so vor Lichteffekten sprudelt, fallen die düstergrauen Abschnitte von Midgar außerdem gar nicht so sehr auf. Vor allem dann, wenn ich einen langen, grauen Tunnel nicht ablaufen muss, sondern mit einem Motorrad entlangbrausen kann.
Aus dem Gulli gekrochen
Ein echtes Bild von Midgar konnte ich mir aber erst machen, als ich nach den ersten Spielstunden wortwörtlich aus der Kanalisation gekrochen komme und den Rest der Stadt bewundern konnte. Denn das Midgar außerhalb der Reaktoren gibt sich sehr vielseitig:
Da wären beispielsweise die Slums, ein Sammelsurium aus Hütten, Lädchen und Menschen, die durch die engen Gassen wuseln. Oder der Wallmarkt, den ich zum ersten Mal zwar in stockdunkler Nacht sehe, der aber mit Neonreklamen, Nachtklubs und Werbetafeln in allen Regenbogenfarben aufleuchtet.
Oder die Arbeiterviertel auf der Platte, die mit ihren ruhigen Straßen und gut in Schuss gehaltenen Vorgärten so idyllisch aussehen, dass ich mich nicht wundern würde, wenn im nächsten Moment Mary Poppins mit ihrem Regenschirm die Straße entlanggesegelt kommt.
Orte wie das Zuhause von Aerith oder die Kirche, in der ihre Blumen in sattem Gelb erblühen, schaffen zusätzliche, friedliche Akzente, die im starken Kontrast zu den industriellen Reaktoren stehen. In Midgar findet sich von von allem ein bisschen.
Viel mehr als nur Dystopie: Ich habe weitaus nicht so viel Zeit in Reaktoren und Fabrikruinen verbracht, wie ich anfangs dachte. Stattdessen war ich einen großen Teil des Spiels in den sonnigen Slums oder dem bunten Wallmarkt unterwegs, durchstreifte die schrottgesäumten Pfade zwischen den Slums oder lungerte in Tifas einladender Bar herum.
Vergleiche ich das mit den ersten, sehr viel düstereren Marketing-Bildern, wird deutlich, dass die Entwickler bis zum Release eindeutig mit Midgars optischen Reizen hinter dem Berg gehalten haben. So sehr, dass ich mich vor dem Spielen gefragt habe ob das Remake vielleicht gar keine erkundenswerte Welt zu bieten hat. Zu Unrecht, wie sich herausstellt.
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