Portugal! Niederlande! Dänemark! Die Auslosung der deutschen Vorrundengruppe zur Fußball-Europameisterschaft 2013 traf die einheimischen Fans wie ein Hammerschlag. Doch der Schock hielt nur kurz, wich Vorfreude und Zweckoptimismus. Denn wer den Titel holen will, der muss jeden Gegner schlagen. Das war 2013 und wir voller Vorfreude auf die EM 2013. Damals haben wir die deutschen Gegner vor dem Turnier auf der Konsole herausgefordert. Allerdings nicht mit dem damals aktuellen FIFA 12, schließlich lest ihr gerade die Retro-Doppelseite.
Wir haben uns erinnert, welches FIFA-Spiel wir als erstes ins Herz geschlossen haben. Die Antwort führte uns ins Jahr 1995: Publisher Electronic Arts veröffentlicht damals mit FIFA 96 sein erstes PlayStation- und Saturn-Fußballspiel in 3D - einen Meilenstein, auch wenn die Spieler selbst noch als animierte 2D-Sprites gezeigt werden. Und ganz nebenbei laufen in FIFA 96 auch viele Nationalspieler auf, die ein Jahr später mit dem EM-Titel 1996 den letzten großen Erfolg für Deutschland herausspielen werden. Viele gute Gründe also, das virtuelle Fußballfest in die Retro Hall of Fame aufzunehmen.
Libero macht Zocker froh
Obwohl das Spiel 1995 erscheint, gibt das Intro bereits einen Vorgeschmack auf das EM-Finale '96: Die Kamera schwebt auf einen Nachbau des Wembley-Stadions zu, durch eine Pforte und auf den Platz. Der Sport-Tempel ist ausverkauft, die Menge tobt. So muss die große Fußballwelt aussehen, die wir seinerzeit als Besucher des 1. FC Köln im alten Müngersdorfer Stadion nur vom Hörensagen kennen.
Die Menüs sind da schon schlichter - und bieten vor allem Optionen aus grauer Fußball-Vorzeit. Klar, eine Aufstellung mit Libero kann man auch bei FIFA 12 konfigurieren. In den Neunzigern hat man das aber auch tatsächlich gespielt. Mit unserer antiken Taktik stürzen wir uns in das Duell mit Portugal. Andreas Köpke zwischen den Pfosten, Matthias Sammer das Herz der Defensive, »Icke« Häßler und Andy Möller als Kreativspieler, im Sturm Jürgen Klinsmann. Unsere Helden. Auf der Gegenseite Luis Figo und Rui Costa. Fußballkünstler ohne die zweifelhaften Allüren eines Cristiano Ronaldo.
Klinsmann taucht ab
Mit Kurzpässen arbeiten wir uns gegen Portugal in den Strafraum vor, bei Dribblings ploppen unsere Kicker schon mal durch einen Gegenspieler. Eine Kollisionsabfrage ist kaum vorhanden, zumal die Spieler, im Gegensatz zum Stadion, nur als flache Sprites dargestellt werden. Dafür klatscht der Ball nach einem Häßler-Schuss herzhaft an den Pfosten, die Ballphysik ist 1995 auf dem Weg zum Realismus. Klinsmann versenkt die Pixel-Pille schließlich im Nachsetzen. Die Kamera schwenkt auf den Torschützen, der springt nach vorne und landet auf dem Bauch. Dieser »Diver« ist bekanntlich Klinsmanns Markenzeichen, dass gerade er im Spiel auf diese Art jubelt, ist jedoch Zufall: Nach jedem Treffer feiern die Mannschaften mit zufällig ausgewählten Animationen.
Ob passend oder nicht: Die FIFA-Reihe zeigt, dass sie einst Marktführer in Sachen Inszenierung werden wird. Bis zum Abpfiff schenken wir den Portugiesen vier weitere Treffer ein - denn die Abwehrreihen der Iberer sind ungefähr so dicht gestaffelt wie die einer Thekentruppe. Auch die Niederländer und Dänen kassieren von uns jede Menge Tore. Fußballspiele sind damals gegen den Computer einfach ein gutes Stück leichter als heute. Ohne Duelle mit Kumpels hätten wir FIFA 96 deshalb kaum lieben gelernt. Die Emotionen kochen dabei regelmäßig hoch und kosten einen Saturn-Controller nach kräftigem Wurf sogar eine Schultertaste. Typische Kicker-Kollateralschäden.
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