Das Rollenspiel Elex 2 wirkt sofort vertraut. Sehr vertraut sogar. Würde man uns einen Screenshot aus dem fünf Jahre alten Elex 1 als Bild aus dem zweiten Teil verkaufen wollen, würden wir es wohl erst auf den zweiten Blick merken. Nach über 50 Stunden mit Elex 2 halten wir fest: Das Open-World-RPG erinnert nicht nur frappierend an seinen direkten Vorgänger, vielmehr greift Entwickler Piranha Bytes so beherzt zu den Versatzstücken seiner früheren Spiele, dass wir unweigerlich an die Komödie "Und täglich grüßt das Murmeltier" denken müssen.
Im Filmklassiker durchlebt Wetteransager Phil Connors wieder und wieder den gleichen Tag. Ähnlich verhält es sich mit Piranha Bytes-Produktionen. Überspitzt gesagt: Elex 2 ist Elex ist Risen ist Gothic. Grundsätzlich geht diese Gleichung immer noch auf. Die Mechaniken rund ums Erkunden und Erschließen der Spielwelt funktionieren. Allerdings rattern, dröhnen und holpern sie bei jeder Wiederholung einen Ticken lauter. Und auch abseits der Kernkompetenz arbeitet die Zeit gegen das Essener Studio.
Die Story? Eine eindeutige Sache
Erzählerisch richtet sich Elex 2 an Fans des ersten Teils, knüpft an dessen Ende an. Handlungsort ist erneut die postapokalyptische Science-Fantasy-Welt Magalan, Hauptfigur Jax und viele weitere Figuren kehren in prominenten Rollen zurück.
Zwar erwecken ein Prolog zur Lore, einige in den Spielverlauf eingestreute Rückblenden und diverse (optionale) Dialoge den Eindruck, als wolle man auch Neueinsteiger abholen, doch diese Versuche schlagen fehl. Wer bei Begriffen wie „der Hybrid“, „Bestie von Xacor“ oder „die Wissenden“ sein Gedächtnis zurechtrücken muss, bleibt von Anfang an auf der Strecke.
Die Rückblenden zeigen zwar Vergangenes, ordnen es aber – wenn überhaupt – unzureichend ein. Und die Dialoge, nun ja, allgemein spricht Elex 2 eine Menge hochtrabende Begriffe und überkonstruierte Sätze aus, um im Kern simple Sachverhalte zu erzählen.
Strukturell weicht die Handlung nur wenige Millimeter von der klassischen Piranha Bytes-Erzählschablone ab. Wieder einmal bekämpfen sich die verschiedenen Fraktionen der Menschen, während die eigentliche, fremdartige Bedrohung im Hintergrund lauert. Die Warnungen des einsamen Helden verhallen. Zusammen mit einem zwielichtigen Mentor gelingt es aber schließlich, Allianzen für einen drohenden Krieg zu schmieden. So weit, so Gothic.
Wie sein Vorgänger gibt sich Elex 2 dafür erzählerisch ambitionierter. So strickt es zum Beispiel persönliche Verflechtungen der Hauptfigur in die Geschichte ein oder präsentiert gängige Science-Fiction- und Postapokalyse-Motive. Da steht die Frage nach dem Wesen des Menschseins im Raum, Mysterien der vorangegangenen Zivilisation.
Letztlich täuscht Elex 2 seine Ambitionen jedoch nur an. Anders als Genrevertreter wie die Mass-Effect-, die Fallout-Reihe oder Horizon: Zero Dawn gewinnt es seinen Themen keine interessante Facette ab. Die Figurenzeichnung schwankt zwischen Skizze und Abziehbild, die Inszenierung zwischen bieder und unfreiwillig komisch. Piranha Bytes waren nie große Geschichtenerzähler und sind es heute immer noch nicht.
Das Gameplay? Ein zweischneidiges Schwert
Spielerisch dagegen ist Elex 2 zumindest eine zwiespältige Erfahrung – und das im wahrsten Sinne. Es besteht aus zwei Hälften, die jeweils andere Schwerpunkte beim Gameplay setzen.
In der ersten Hälfte dominiert das Erkunden. Wir erforschen die Welt. Wir sammeln Tränke, Waffen, Crafting-Gegenstände. Wir lassen kein Relikt der alten Zivilisation auf dem anderen. Wir reisen von Fraktion zu Fraktion. Wir stöbern umher, schauen Figuren bei ihrem Alltag zu und schnappen währenddessen ab und an eine Quest auf, die wir sonst vielleicht verpasst hätten.
Elex 2 belohnt Spieler*innen, die mit offenen Augen durch Magalan gehen, die testen, wo die Grenzen liegen. „Irgendwie muss ich diesen Gegner doch bezwingen, irgendwie diese Ruine erklimmen können? Und irgendwie lässt sich diese Quest wohl auch anders lösen?“.
Dieses „Irgendwie“ auszuloten, das ist der Reiz von Elex 2. Wie schon im ersten Teil kommt dem Jetpack hierbei die zentrale Rolle zu. Piranha Bytes denkt das Fortbewegungsmittel nicht nur bei der Vertikalität der Spielwelt mit, sondern verankert es im grundlegenden Spiel- und Questdesign. Eine Banditengruppe, die wir alleine nicht erledigen können, manövrieren wir eben in ein Monsterrudel und fliegen flink in Sicherheit. Immer noch ein Spaß, nur der Funke Originalität fehlt.
Altbekannt und altbewährt ist ebenfalls das Progressionssystem. Mit jedem Level gewinnen wir Attributs- und Fähigkeitspunkte. Über Attributspunkte steigern wir Charakterwerte wie Stärke, Geschicklichkeit oder Intelligenz. Dadurch schalten wir Boni auf beispielsweise unsere Lebensenergie und zusätzliche Dialogoptionen frei.
Vor allem schaffen wir damit jedoch die Voraussetzungen, bessere Waffen auszurüsten und Fähigkeitspunkte in neue Skills zu investieren. Und zusätzliche Fähigkeiten erweitern vielfach unser Repertoire an spielerischen Möglichkeiten. Über die neuen Jetpack-Upgrades können wir wie Iron Man umherfliegen oder in der Luft kämpfen. Levelaufstiege bringen uns spürbar voran. Das sorgt für Motivationsschübe.
Gewohnte technische und spielerische Schwächen
In der zweiten Hälfte spitzt Elex 2 die Handlung schubweise zu. Immer wieder entladen sich Konflikte in ausladenden Missionen der Marke „Besiege X Gegner“. Einerseits büßt es hierbei am spielerischen Variantenreichtum der ersten Hälfte ein, andererseits entblößt es geradezu seine Macken bei Kampfmechanik und Feindverhalten.
Wir fokussieren einzelne Gegner, wählen zwischen Nah- und Fernkampf. Wir sollen Angriffsmuster lesen, ausweichen, blocken und dann schnelle oder schwere Treffer landen. Das klingt nach Dark Souls, reicht allerdings in keinem Moment an die From-Software-Titel heran. Elex 2 krankt an unpräzisen Hitboxen, einem teils widerspenstigen Lock-On-System, an schwer abzuschätzenden Animations-Timings und einem laschen Trefferfeedback.
Die Gegner verhaken sich in Steinen, im Geäst, rennen meterweit mit gezücktem Schwert auf uns zu, anstatt zum Bogen zu greifen, während wir sie aus der Ferne beschießen – oder erleiden einen Komplettaussetzer. Dann kauert ein Widersacher beispielsweise mal regungslos hinter einer Mauer.
Kampfsystem und KI zählen seit jeher nicht zu den Stärken der Piranha Bytes-Spiele. Doch nie zuvor erwiesen sie sich so auffällig als Schwächen wie in Elex 2. Inzwischen sind wir einfach Besseres gewohnt.
Das Gleiche gilt für Bedienung und Technik. In beiden Bereichen hinkt Piranha Bytes dem aktuellen Stand der Dinge seit Jahren hinterher. Bei der Bedienung ist das allenfalls nervig, bei der Technik hingegen ein handfestes Ärgernis. Selbst die PlayStation 5-Version von Elex 2 ist durchzogen von mindestens leichten bis stellenweise schweren Rucklern und fast durchgängigem Tearing. Hinzu kamen während unseres Tests zwei Speicherfehler, die einen automatischen und einen manuellen Spielstand zerstörten. Solche Bugs dürfen schlicht nicht auftreten. „Das war schon immer so“, hin oder her.
Fazit: Piranha Bytes' Stillstand ist ein Rückschritt
Um den Bogen zurück zum genannten Film zu schlagen: Ob nun Sachbeschädigung, Diebstahl oder eine Verfolgungsjagd mit der Polizei – Phil Connors missbraucht die Zeitschleife in "Und täglich grüßt das Murmeltier" für allerlei Exzesse. Doch irgendwann verschwimmen die Hochs zu Monotonie. Was bleibt, ist Leere.
Mit diesem Gefühl lässt uns Elex 2 zurück. Keine Frage, immer noch ein gutes Spiel. Aber wie lange noch? Denn auch wenn Elex 2 den Eindruck erweckt, die Zeit bleibt nicht stehen. Spiele entwickeln sich weiter und Standards steigen. In diesem Umstand bedeutet Stillstand eben Rückschritt. Jedes Mal ein bisschen mehr.
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