Schrecklich schöne Stadt
Zwar buhlen überall diverse Rampen und Kisten um unsere Aufmerksamkeit, wir können aber stets eine individuelle Route wählen - unsere Bewegungsfreiheit ist nur selten eingeschränkt. Haben wir es mit dem Erklimmen einer erhöhten Position besonders eilig, dürfen wir in regelmäßigen Abständen sogar einen praktischen Greifhaken aktivieren, der uns zügig zum anvisierten Punkt bringt. Das flotte Erkunden ist auch deshalb so unterhaltsam, weil Harran wie eine glaubwürdige Stadt wirkt, und nicht wie ein vorgefertigter Hindernisparcours. Hier präsentiert auch die Chrome Engine 6 ihre Vorzüge, allen voran die Beleuchtung.
Sowohl die düsteren Gänge unseres Verstecks als auch die lichtdurchfluteten Straßenzüge sehen plastisch und authentisch aus. Harran wirkt verdreckt, verbraucht, und trotz beziehungsweise gerade wegen der Untoten lebendig - der rustikale Schmutzfilter über dem Bild tut sein Übriges. So offenbart die Stadt ein frisches, surreales Endzeitszenario mit Palmen abseits der bekannten Sowjet-Regionen und US-Gebiete. Die vereinzelt wiederkehrenden Gebäudebausteine stören uns beim Anspielen kaum, denn generisch wirkt Harran nie.
Während wir auf unseren Erkundungstouren alle Vorräte einsacken, die nicht niet- und nagelfest sind, stöhnen um uns herum die Infizierten - das ist meist ziemlich nervenaufreibend, sorgt aber auch für diebische Freude. Wer immer sich an erfolgreiche Versteckspiele aus der Kindheit erinnern kann, versteht auch unsere Glücksgefühle in Harran. Dieser Nervenkitzel steigert sich sogar noch, wenn wir zu ausgesucht unpassenden Momenten doch entdeckt werden. Dann müssen wir je nach Gegneraufkommen zwischen Flucht oder Kampf wählen.
Kompromisslose Gewalt
Entscheiden wir uns für die direkte Konfrontation, schlägt Dying Light nach der leichtfüßigen und spannenden Kletterei ganz andere Töne an. Mit überall in der Welt verstreuten Stahlrohren oder Schraubenschlüsseln halten wir uns die Untoten vom Leib. Die Gewaltdarstellung macht hierbei keine Gefangenen: Bei einem Treffer verlieren die Infizierten nicht nur großzügig an Restblut, sondern büßen auch Körperteile ein.
Während man Stück für Stück entfernte Zombieschädel noch unter »realistisch« verbuchen kann, wirkt die eingeblendete Röntgensicht reichlich überzeichnet. Hier werden innere Knochenbrüche für den Verursacher gut sichtbar dargestellt. Spielerisch hat das keinerlei Auswirkungen, es bedient nur den Voyeur in uns. Nun ja, wer's mag.
Nächtlicher Horror
Zwar finden wir im Laufe des Spiels auch einige Schusswaffen, aufgrund der Munitionsknappheit begegnen wir unseren Feinden aber meist im Nahkampf. Dafür lassen sich eingesammelte Äxte und Knüppel mit zusätzlichen Ressourcen zu noch effektiveren Waffen samt Stromschlagverstärkung aufwerten, bei regem Gebrauch nutzen sie sich jedoch ab. Da die benötigten Reparaturmaterialien fast ebenso selten sind wie Munition, sollten wir unsere Angriffe wohlüberlegt planen und nicht alle naselang durch die Infizierten mähen.
Haben wir die dafür nötigen Zutaten beisammen, dürfen wir auch allerlei kreative Fallen aufstellen, die Untote bei Berührung zu Konfetti verarbeiten. Wegen solch blutiger Szenen mag mancher Spieler schnell den Eindruck der Überlegenheit gewinnen, zumal sich Zombies auch durch einfache Tritte leicht aus der Balance bringen lassen.
Doch sobald das Tageslicht schwindet, verwandeln sich die Infizierten in schnellere und gefährlichere Mutanten. Kann man die Mittagszeit noch zu ausgedehnten Raubzügen durch Harran nutzen, so ist die nächtliche Erkundung wesentlich riskanter, denn bei der direkten Konfrontation ziehen wir nun oft den Kürzeren. Dieses wechselnde Kräfteverhältnis gestaltet den Konflikt mit den Untoten interessanter und abwechslungsreicher.
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