Dragon Age: The Veilguard ist ein Vorreiter in Sachen Repräsentation, aber wichtige Erklärungen fehlen uns

Dragon Age: The Veilguard ist noch diverser als die Vorgängerspiele, stößt dabei aber im Deutschen auf sprachliche Herausforderungen. Obwohl der gewählte Ansatz gut ist, sind wir noch über einige Probleme gestolpert.

In The Veilguard treffen wir diverse Charaktere. In The Veilguard treffen wir diverse Charaktere.

Dragon Age ist schon seit dem ersten Ableger Origins aus dem Jahr 2009 eine inklusive RPG-Reihe, die beispielsweise gleichgeschlechtliche Beziehungen beinhaltet. In Inquisition aus dem Jahr 2014 trafen wir außerdem unter anderem auf einen trans Charakter. Der neueste Ableger The Veilguard geht aber beim Thema Inklusion noch einen Schritt weiter. 

Neben der Entscheidung, uns ausschließlich pansexuelle Companions (für die das Geschlecht bei der Sexualität keine Rolle spielt) an die Seite zu geben und dem Fakt, dass mit Neve auch eine Figur mit körperlicher Behinderung zum Heldenteam gehört, können wir Hauptfigur Rook entweder männlich, weiblich oder non-binär machen und außerdem wahlweise als trans etablieren.

Zudem treffen wir in der Spielwelt auf weitere Personen, die sich als non-binär, sprich: nicht oder nicht ausschließlich männlich oder weiblich, identifizieren und die ganz selbstverständlich in Dialogen und Texten entsprechend gegendert werden. Das wird im Laufe der Story sogar als Teil des Worldbuildings etabliert - ein Schritt in Richtung Selbstverständnis, über den wir uns bei GamePro freuen. 

Allerdings gibt es bei der Umsetzung in der deutschen Synchronisierung, beziehungsweise deutschen Texten, durchaus Raum für Verbesserungen. Neben einigen kleinen Unstimmigkeiten ist das Hauptproblem, dass Spieler*innen ziemlich unvorbereitet über bisher wenig verbreitete Neopronomen oder Anpassungen von Titeln wie “Behütere” (genderneutral für Behüter/Behüterin) stolpern. 

Das dürfte bei vielen Spielenden besonders anfänglich zu Verständnisproblemen führen und ist schade, weil Veilguard uns mit einfachen Mitteln viel besser hätte abholen können. 

So wird in Dragon Age: The Veilguard gegendert

In Dragon Age: The Veilguard werden für non-binäre Charaktere die Neopronomen “hen/hem” genutzt. Das funktioniert in der Praxis dann beispielsweise folgendermaßen:

  • “hen” anstelle von “sie/er”. Beispiel: Hen ist mir begegnet. 
  • “hem” anstelle von “ihr/ihm”. Beispiel: Ich bin hem begegnet.
  • “hens” anstelle von “sein(e)/ihr(e)”. Beispiel: Das ist hens Tasche.

Was sind Neopronomen?

Neopronomen sind neue Pronomen, die von der LGBTQIA+-Community genutzt werden, um Personen zu repräsentieren, die sich nicht mit den Pronomen “sie/ihr” oder “er/ihm” identifizieren. 

Die Schwierigkeit dabei ist allerdings, dass es keine allgemeingültige Regelung gibt und unterschiedliche Pronomen-Varianten nebeneinander bestehen. Vergleichsweise häufig genutzte neuere Pronomen sind beispielsweise dey/dem, dej/denen oder xier/xiem.

Dragon Age: The Veilguard zeigt sich im Launch-Trailer von seiner düsteren Seite Video starten 2:03 Dragon Age: The Veilguard zeigt sich im Launch-Trailer von seiner düsteren Seite

Zusätzlich werden in The Veilguard Berufsbezeichnungen und Titel angepasst, indem ein “e” an die männliche Form angehängt wird. Anstelle von “des” oder “der” wird zudem “ders” verwendet. Beispiele aus dem Spiel sind:

  • Statthaltere Ivenci
  • Werkstatt ders Behütere

Hier seht ihr die Werkstatt und ders Behütere im Hub-Areal. Hier seht ihr die Werkstatt und ders Behütere im Hub-Areal.

Non-binäre und geschlechtslose Figuren und solche, die ihre Identität noch suchen, begegnen uns immer wieder im Spiel. Statthaltere Ivenci ist beispielsweise ein Charakter, der eine wichtige Rolle in Fraktionsmissionen der Krähen von Antiva einnimmt.  

Gendergerechte Sprache ist im Deutschen eine Herausforderung

Die Herausforderungen, die beim Gendern in der deutschen Sprache entstehen, gibt es so im Englischen nicht. Der Vorteil ist hier nämlich, dass mit “they/them” klare und bereits etablierte Pronomen vorhanden sind. 

Diese sind besonders praktisch, weil sie nicht nur für non-binäre Personen, sondern auch für Personen unbekannten Geschlechts benutzt werden und daher in allen Arten von Alltagstexten und Literatur rege Anwendung finden. 

Zwar existieren daneben auch im Englischen Neopronomen, die auch dort weniger geläufig sind, diese kommen jedoch in Veilguard nicht zum Einsatz. 

Eine einheitliche Übersetzungsvariante für das in Veilguard genutzte “they/them” existiert also im Deutschen schlicht nicht. Folglich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die erste ist, Satzstrukturen zu verändern und/oder Personen ausschließlich beim Namen zu nennen und Pronomen komplett zu vermeiden, was aber zu umständlichen oder ungenauen Formulierungen führen kann. 

Die andere Möglichkeit ist, direkter zu übersetzen und dabei Neopronomen zu nutzen. Publisher EA hat uns zur Übersetzung in Dragon Age: The Veilguard folgendes Statement zukommen lassen:

Da die nicht-binäre Sprache weder universell etabliert und einheitlich ist, noch offiziell in der Grammatik und Wörterbüchern anerkannt ist, haben wir mit Linguistiker:innen zusammengearbeitet, um grammatikalische Elemente und Aussprachen zu integrieren, die eine respektvolle Darstellung der nicht-binären Charaktere in unserem Spiel zum Ziel haben.

The Veilguard hätte seine Spieler*innen besser abholen müssen

Das für die Übersetzung verantwortliche Team stand also vor der Herausforderung, dass es im Deutschen nicht die eine “richtige” Lösung gibt und musste entsprechend schwierige Entscheidungen treffen. 

Dabei ist die Wahl auf die oben genannte gendergerechte Sprache gefallen, die der respektvollen Repräsentation dient, aber für viele Menschen noch sehr ungewohnt ist. Da das Spiel diese besonders außerhalb der LGBTQIA+-Community wenig geläufigen Wörter nicht ausreichend oder zu spät erklärt, führt der ansonsten lobenswerte Ansatz besonders in den ersten Spielstunden zu Verwirrung und Verständnisproblemen. 

Ivenci ist eine wichtige und mächtige Figur in Treviso. Ivenci ist eine wichtige und mächtige Figur in Treviso.

Selbst wir sind über Bezeichnungen wie “ders Behütere” erst mal gestolpert und hielten sie für Schreibfehler, obwohl wir uns sowohl beruflich als auch privat mit Sprache im Allgemeinen, aber auch gendergerechten Lösungen befassen. 

Ein Missverständnis kam zudem auf, weil einer unserer Autoren im ersten Moment dachte, “hen” (am Satzanfang großgeschrieben) wäre ein Name.

Darunter kann das Spielerlebnis durchaus stellenweise leiden und für Personen mit generellen Textverständnis-Schwierigkeiten etwa bedingt durch Legasthenie (Lese-Rechtschreibstörung), die sich mit neuen Wörtern noch schwerer tun, ein echtes Hindernis entstehen. Das Spiel hätte uns hier gleich am Anfang besser abholen müssen.

Im Handlungsverlauf werden die Pronomen sogar erklärt und deutlich gemacht, dass sie in der Welt von Thedas etabliert sind. Hierzu verrät uns ein Charakter, dass in Minrathous “hen/hem” für Personen genutzt wird, die sich nicht mit “er/sie” identifizieren. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt aber bereits um die 30 Stunden Spielzeit auf der Uhr.

Die Erklärung kommt also viel zu spät, um anfängliche Stolpersteine aus dem Weg zu räumen - was sicherlich auch daran liegt, dass die Originalsprache des Spiels Englisch ist und “they/them”-Pronomen einfach nicht mehr so viel Erklärung bedürfen wie “hen/hem”.

Hier hätte es eine einfache Lösung für die deutsche Ausgabe gegeben: Schon simple Textboxen, ähnlich Tutorials, hätten gereicht, um Spieler*innen gleich von Anfang an mitzunehmen. 

Kleine Ungereimtheiten

Dazu kommt, dass sich manchmal kleine Fehler oder Uneinheitlichkeiten eingeschlichen haben. So haben wir es beispielsweise als störend empfunden, dass unsere weiblichen Inquisitorinnen stets als “der Inquisitor” bezeichnet werden und auch Briefe so unterschreiben.

Dass unsere Inquisitorinnen mit der Inquisitor unterzeichnen, hat uns irritiert. Dass unsere Inquisitorinnen mit 'der Inquisitor' unterzeichnen, hat uns irritiert.

Im zehn Jahre alten Dragon Age: Inquisition wird bei dem Titel das generische Maskulinum verwendet, da aber Veilguard nun eben an allen anderen Stellen gendert, fühlt sich das – beispielsweise neben Worten wie Statthaltere – seltsam fehl am Platz an. 

Zudem gibt es vereinzelte Momente, in denen die Pronomen in der Synchronisation von den Untertiteln abweichen oder bei denen sogar ein falsches Pronomen genutzt wird. Das sind aber wirklich nur ganz vereinzelte Stellen und es dürfte für BioWare recht einfach sein, hier nachzubessern, um für mehr Einheitlichkeit und ein stimmigeres Gesamtbild zu sorgen.

Aller Anfang ist schwer

Gerade da BioWare hier weiter geht als andere Entwicklerteams, ist es durchaus verständlich, dass das Übersetzungsteam erst mal experimentieren und seinen Weg finden muss. BioWare hat schon immer eine Vorreiterrolle in Sachen Inklusion eingenommen und musste dafür über die Jahre viel einstecken und kämpfen. 

Auch die Mass Effect-Reihe trug ihren Teil zu mehr Diversität bei, wurde aber auch hart abgestraft. Auch die Mass Effect-Reihe trug ihren Teil zu mehr Diversität bei, wurde aber auch hart abgestraft.

Das Entwicklerteam hat unter anderem einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass gleichgeschlechtliche Romanzen-Optionen in Rollenspielen inzwischen selbstverständlich sind. The Veilguard verfolgt also nur den bereits mit Mass Effect (1) und Dragon Age: Origins eingeschlagenen Weg weiter und wird noch diverser.

Dabei zeigt uns das Spiel deutlich, wo Chancen stecken - aber auch, welche Herausforderungen es noch zu meistern gilt. Wenn BioWare und andere Studios in Zukunft auf diesen Erfahrungen aufbauen und lernen, wiegt das viel mehr als die kleinen Versäumnisse oder Ungereimtheiten, die bei The Veilguard noch bestehen.