Sind Hakenkreuze grundsätzlich verboten?
BPjM und USK folgen der Rechtsauffassung, dass das Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole in Videospielen grundsätzlich strafbar sei (Aussage 2014 der OLJB). Die USK verweigert Spielen mit entsprechender Symbolik daher pauschal eine Auszeichnung. Worauf beruht diese Auffassung und warum fallen Videospiele als Kunst- und Kulturwerke nicht unter die sogenannte Sozialadäquanzklausel von § 86a?
Hintergrund des auch in Jugendschutzkreisen weit verbreiteten Irrglaubens, dass Hakenkreuze in Spielen grundsätzlich strafbar seien, ist ein Urteil aus dem Jahr 1998 (!) zu Wolfenstein 3D. Damals wurden Betreiber des rechtsradikalen Mailboxnetzes "Thulenetz" wegen der Verbreitung von Wolfenstein 3D (einschließlich der enthaltenen Hakenkreuze) verurteilt. In dem Spiel wimmelte es nur so von Hakenkreuzen und da man damals Computerspiele als Medium weder kannte noch billigte und zum anderen wegen des Hintergrunds der Angeklagten wurde das Thema Kunst und Sozialadäquanz (rechtsfehlerhaft!) im Urteil nicht einmal thematisiert.
Vor allem wurde gerade nicht festgehalten, dass Hakenkreuze in Spielen allgemein verboten wären, das Gericht hat sich schlicht nicht mit der Frage der Kunstfreiheit befasst. In der Medizin würde man das als Kunstfehler bezeichnen. Dennoch hat sich in den Köpfen vieler aufgrund des Urteils ein angebliches Hakenkreuzverbot für Spiele festgesetzt. Bei einer gründlichen juristischen Betrachtung muss sich aber jedem erschließen, dass eine derart pauschale Einschränkung der Kunstfreiheit verfassungswidrig sein müsste.
Wie kommt es eigentlich allgemein, dass Videospiele anders behandelt werden als Filme? Warum darf Inglourious Basterds (mit 6,8 Millionen Euro aus staatlicher, deutscher Filmförderung bedacht) Nazis zum Thema machen, ein ebenso surreales, satirisches Wolfenstein aber nicht?
Der Film hat viele Jahre gebraucht, um gesellschaftlich nicht nur als primitive Zerstreuung, sondern als wichtiges Kulturgut wahrgenommen zu werden. Niemand wird heute daran zweifeln, dass der Film mit Mitteln wie Ironie, Satire, Empathie oder auch Schock und Bestürzung in der Lage ist, politische Themen in einer angemessenen Form zu behandeln, selbst wenn Hauptaugenmerk die Unterhaltung ist.
Computerspiele sind erst im Jahr 2007 vom Kulturrat als Kulturgut anerkannt worden. Seitdem sprechen wir immer wieder davon, wann Computerspiele "in der Mitte der Gesellschaft" ankommen werden. Es wird sicherlich auch noch dauern, bis es für jeden offensichtlich ist, dass Computerspiele genauso wie Filme wichtige Bestandteile der kulturellen Auseinandersetzung mit politischen Themen sein können. Rechtlich gibt es also keinen Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Spielen und Filmen. Bei beiden sollte es auf den konkreten, individuellen Inhalt ankommen.
Würde das Verbot verfassungsfeindlicher Symbole auch greifen, wenn ein Entwickler Software zum Zwecke der staatsbürgerlichen Aufklärung entwickelt? Sprich: Ist das gesamte Medium Videospiel betroffen oder nur das "Entertainment"-Spiel?
Es ist noch nicht einmal der Entertainment-Teil des Mediums betroffen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat bereits klargestellt, dass nur weil ein Kunstwerk hauptsächlich der Unterhaltung dient, die Verwendung von Hakenkreuzen deshalb nicht pauschal verboten ist (Entscheidung zu den sogenannten "Hitler Satiren").
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Auch wenn ein Kunstwerk nur unterhalten will, wird es dennoch von der Kunstfreiheit geschützt. Es käme dann auf den konkreten Inhalt an und dessen Beziehung zum Nationalsozialismus. Insofern kann man sagen, dass ein Spiel, das staatsbürgerliche Aufklärung zum Ziel hat, erst recht von der Kunstfreiheit geschützt ist und wohl das klassische Beispiel für die Tatbestandskorrektur nach § 86 III StGB wäre.
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