Der Begriff des Director's Cuts beschreibt im Filmbereich eine Schnittversion eines Films, bei der der Regisseur oder die Regisseurin das letzte Wort hat - und meist geht es dabei um das Hinzufügen von Szenen, die die Essenz des Films bereichern. Im Falle von Death Stranding: Director's Cut könnte der Name daher unpassender kaum sein. Denn das, was die neue Edition mitbringt, geht an den Dingen vorbei, die Death Stranding so außergewöhnlich gemacht haben.
Mehr Death Stranding für Leute, die Death Stranding langweilig finden
Anders als bei Ghost of Tsushima gibt es für Death Stranding keine klassische Erweiterung, die eine neue Location oder einen neuen Storybogen bringt. Stattdessen sind die Neuerungen des Director's Cuts in den Spielverlauf des Originals verwoben. Neben einem Schießstand, einem Racing-Minispiel und Übungsmissionen (dazu später mehr), fügt Death Stranding Director's Cut auch neue Gadgets frei, die wir einsetzen können, um uns das Überbringen lebenswichtiger Pakete in einer lebensfeindlichen Umgebung einfacher zu machen.
Wer einen Überblick über die neuen Inhalte bekommen möchte, kann sich den Trailer zum Director's Cut anschauen:
Das Problem ist nur: Die Kernerfahrung von Death Stranding, also das Spielgefühl, das sich duch 80 Prozent der Kampagne zieht, ist die Mühsal und die Beschwerlichkeit von Sam "Bridges" Porter. Das Stolpern über spitze Steine, die blutigen Füße nach kilometerlangen Märschen - all das unter dem Druck, 40 Kilo schwere Pakete über Bergkämme zu schleppen. Ob es nun Spaß macht oder nicht, das ist Death Stranding. Im Director's Cut können wir jetzt Pakete mit Katapulten durch die Gegend ballern, um sie nicht tragen zu müssen.
Hannes Rossow
@Treibhausaffekt
Hannes hat damals den GamePro-Test zu Death Stranding verfasst und hatte jede Menge Spaß mit dem beschwerlichen Gameplay. Deswegen findet er es auch so schade, dass sich der Director's Cut mit Nebensächlichkeiten aufhält und keine neue Liefer-Herausforderungen bereithält.
Und klar, das ist irgendwie witzig. Das ist diese Schrägheit, die Death Stranding ebenfalls auszeichnet. Aber hier geht es schlicht darum, das Kerngameplay des Spiels abzukürzen. Kein Grübeln über optimale Pfade, kein Routenmanagement, einfach nur Katapult-Action. Und dieses Katapult steht für mich stellvertretend für die anderen Neuerungen, die ebenfalls fernab davon sind, wie Death Stranding sich nun einmal spielt.
Autorennen und Ballern statt Liefertransport
In der Nähe der Zeitregenfarm können wir beispielsweise Ressourcen investieren, um eine Rennstrecke zu errichten und dann gegen die Zeit um die Wette zu fahren. Wer die Fahrphysik von Death Stranding kennt, weiß, dass der Geschwindigkeitsrausch nicht gerade zu den Stärken des Spiels gehört. In den neuen Übungsmissionen können wir hingegen Stealth-Attacken gegen MULEs trainieren (hilfreich) und GD-Quallen unter Zeitdruck mit dem vierläufigen Raketenwerfer kaputt schießen (???).
Die Neuerungen von Death Stranding Director's Cut sind eher Gimmicks. Nette Spielereien, die kurzzeitig unterhaltsam sein können, einfach weil sie frisch und etwas seltsam sind. Statt aber neue Ansätze für den Transport zu bieten, liegt der Fokus allerdings auf den Nebensächlichkeiten. Denn ein Third Person-Shooter ist Death Stranding für mich auf keinen Fall - trotz Waffenarsenal.
Eine Story-Mission für Minimalisten
Immerhin, es gibt auch eine neue Storymission: Von Die-Hardman bekommen wir den Auftrag in eine nahe gelegene Ruine vorzudringen und Daten zu sichern. Vor Ort erfahren wir dann etwas mehr über die Vergangenheit von Fragile, gespielt von Léa Seydoux. Das ist einerseits spannend und gewohnt stimmungsvoll inszeniert - ja, es wird auch wieder wuchtige, vom starken Soundtrack getragene Momente geben. Andererseits ist das Missionsdesign kaum der Rede wert.
Diese Ruine ist nämlich nicht in einer entlegenen Region, die uns vor neue Herausforderungen stellt - vielleicht sogar Schwierigkeiten, bei denen nur ein Katapult helfen kann. Tatsächlich ist die Ruine quasi um die Ecke, der Weg dorthin ist ein Klacks. Zum Glück, denn wir müssen diesen Weg insgesamt sechs Mal gehen. Anstatt gleich zum Innersten vorzudringen, müssen wir vor jeder verschlossenen Tür halt machen, zurück zum Lieferterminal und wieder zurück in die Ruine. Volle drei Mal.
Da der Weg mühelos zu erledigen ist, bieten die vor Ort lauernden MULEs die einzige Herausforderung. Also geht's auch hier um's Ballern und Stealth-Takedowns - die Dinge, die wir in Death Stranding eigentlich am seltensten machen.
Eine Gelegenheit für Neueinsteiger, eine verpasste Chance für Fans
Wer Death Stranding noch nicht gespielt hat und die Director's Cut-Version zum Anlass nehmen möchte, das zu ändern, wird mit der neuen Version trotzdem glücklich werden. Die technischen Verbesserungen der PS5 bringen je nach gewähltem Grafik-Modus entweder flüssige 60 fps oder natives 4K. Wer möchte kann sich auch den neuen Ultra-Wide- und HDR-Support für entsprechende Bildschirme zunutze machen. Auch die DualSense-Funktionen kommen hier gut zum Einsatz und es ruckelt schön, wenn die Fracht auf Sams Rücken ins Ungleichgewicht kommt.
Aber als Fan des Originals stecken hier dann doch zu wenige Ideen drin, die die Spielerfahrung für mich noch einmal bereichern könnten. Irgendwann möchte ich mich gern noch einmal ganz von vorn auf den Weg machen, die USA wieder zu vereinen, aber die nötige Motivation dafür finde ich im Director's Cut leider nicht. Eine neue Region wäre schön gewesen, neue Mühsal. Aber naja, vielleicht finde ich das ja in einem Death Stranding 2 - die Hoffnung stirbt zuletzt.
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