Mit Dead Space legen EA und die Motive Studios nicht irgendein Horrorspiel neu auf. Sondern einen modernen Klassiker, der auf Genre-Toplisten regelmäßig ganz weit oben auftaucht – zum Beispiel auch auf unserer. Anderthalb Jahrzehnte hat das Original mittlerweile auf dem Buckel und das komplett neu entwickelte Remake muss jetzt den nicht ganz simplen Spagat schaffen, vermeintlich altbekanntes sowohl Neulingen als auch Kenner*innen schmackhaft zu machen.
Dass sich Horrorklassiker mit durchdachten Anpassungen angemessen in die Neuzeit portieren lassen, haben vor ein paar Jahren bereits die Remakes von Resident Evil 2 und 3 bravourös bewiesen. Und das Dead Space Remake für PS5 und Xbox Series X/S zeigt in unserem Test, dass es sich vor diesen Paradebeispielen nicht zu verstecken braucht. Sondern zukünftig vermutlich sogar in einem Atemzug mit ihnen genannt werden wird.
Testversionen und technischer Eindruck
Für unseren Test spielten wir hauptsächlich auf der Xbox Series X/S, konnten allerdings auch einen ausführlichen Blick in die PS5-Version von Dead Space werfen. Die beiden Grafikmodi liefen dabei meistens sehr sauber, lediglich in den späteren Kapiteln kam es bei größerem Gegneraufkommen verinzelt zu sehr kurzen Performance-Einbrüchen.
Hier könnt ihr euch den Test auch in Videoform ansehen:
Solide Horror-Story mit mehr Hintergründen und alten Schwächen
Zur Klarstellung: Dead Space ist ein Remake und kein Reboot, hält sich also recht streng an die Vorgaben des knapp 15 Jahre alten Originals. Wir schlüpfen dementsprechend auch hier in den Raumanzug des Technikers Isaac Clarke, der als Teil eines kleinen Erkundungstrupps eigentlich nur nachsehen will, warum die Kommunikation zu dem riesigen Bergbauraumschiff USG Ishimura abgerissen ist.
Und wie sich schnell herausstellt, hat dort nicht etwa eine vorwitzige Maus in ein Kabel gebissen, sondern vielmehr eine mysteriöse Infektion in die Hirne und Körper der Besatzung und diese kurzerhand in blutrünstige Nekromorphen verwandelt. Kurz nach der Ankunft ist der Trupp bereits dezimiert und von der Außenwelt abgeschnitten, die Ziele für Isaac sind also entsprechend schnell klar. Am Leben bleiben, von dem Stahlkoloss fliehen und nach seiner Freundin Nicole sehen, die als Ärztin auf der Ishimura arbeitet.
Ohne zu viel verraten zu wollen, entspinnt sich aus dieser spannenden Prämisse eine solide Geschichte mit einigen interessanten Charakteren und ebenso klischeehaften wie reizvollen Themen, darunter religiöser Fanatismus und biologische Experimente. Das sorgt dann auch im Remake für einige denkwürdige Szenen, wie etwa die Begegnung mit dem Arzt Challus Mercer oder das befriedigende Finale, auf das die Geschichte nach etwa zwei Dritteln der insgesamt zwölf Kapitel hinsteuert.
Sobald allerdings klar ist, was es mit dem Ursprung der Nekromorph-Plage auf sich hat, verliert die Story ihre anfängliche Sogwirkung und plätschert gegen Ende eher aus, das war auch schon im Original so. Im Remake bemüht sich Entwickler Motive eher um Anreicherungen dieser Geschichte, baut Nebenstränge wie die Beziehung von Isaac und Nicole aus und schafft durch zahlreiche neue und überall auf dem Schiff verteilte Text- und Audiologs sowie Hologramm-Aufzeichnungen mehr Hintergründe und Tiefe.
Ein stummer Held wird gesprächig
Dass aber gerade Isaac im wahrsten Sinne des Wortes mehr Charakter bekommt, liegt vor allem daran, dass er im Gegensatz zum Original nicht nur häufiger seinen Helm abnimmt, sondern auch spricht und somit nicht nur ein stummer Befehlsempfänger für die anderen Charaktere ist. Das macht die gesamte Präsentation stimmiger und glaubwürdiger, seine deutsche Stimme lässt den Techniker allerdings hier und da etwas fehl am Platze wirken. Denn Isaac spricht oft derart melodramatisch und gekünstelt, dass er aus dem Rest der deutschen Synchronisation unangenehm heraussticht, die insgesamt ziemlich gut gelungen ist.
Das gilt im Übrigen auch für die gesamte optische Aufmachung des Titels, denn auch wenn schon das Original kein hässliches Spiel war, setzt das Remake in nahezu jeglicher Hinsicht einen drauf. Seien es nun die enorm detaillierten Räume der Ishimura, das Gegnerdesign, die atmosphärischen Licht- und Schatteneffekte oder die allgemeine Texturqualität: die Grafik des Spiels macht in fast allen Bereichen eine Top-Figur. Lediglich die menschlichen Charaktermodelle fallen mit ihrer Detailarmut etwas ab, aber auch mit denen katapultiert sich Dead Space dank des deutlichen Grafik-Boosts direkt in die technische Spitzenklasse seines Genres, in einer anderen Kategorie baut es dagegen seinen Vorsprung sogar noch aus.
Die beste Atmosphäre der Welt
Herzrasen, schweißnasse Hände, Beklemmungen. Was sich liest wie die handfeste Symptomliste eines Notaufnahmepatienten ist das, was Dead Space bei unserem Test regelmäßig ausgelöst hat. Was dieses Spiel in Sachen Atmosphäre auffährt, ist ohne Übertreibung der absolute Wahnsinn und zählt zum besten, was sich in Videospielen erleben lässt.
Das liegt einerseits an der konstanten Bedrohung durch die Nekromorph. Die blutrünstigen und grässlich entstellten Wesen kennen kein Erbarmen, brechen immer wieder unvermittelt vor oder hinter uns aus Lüftungsschächten und stürzen sich dann brüllend auf uns. Da das wirklich jederzeit passieren kann – also auch in vermeintlich sicheren Räumen – haben wir in Dead Space ein permanentes Gefühl der Unsicherheit, das durch die schon auf dem normalen Schwierigkeitsgrad spürbare Ressourcenknappheit und den damit verbundenen Survival-Aspekt noch einmal verstärkt wird.
Und andererseits lebt Dead Space auch von seiner phänomenalen Soundkulisse, die im Remake dank besserer Direktionalität sogar die Vorlage übertrumpfen kann. Regelmäßig reicht etwa ein Knarzen oder ein Huschen in den Gängen der Ishimura, um uns zusammenzucken zu lassen, dann wieder donnern laute Maschinen ohrenbetäubend und übertönen mögliches Gegnergegeifer oder unheilvolle Stimmen wispern in der Luft. All das untermalt ein passender und spannungstreibender Musikeinsatz, der oft ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass brutales Unheil naht.
Und das übrigens in Form von zahlreichen unterschiedlichen Gegnertypen wie mutierten Tentakelbabies oder langbeinigen Krabbelviechern, die uns am liebsten den Kopf abreißen wollen. Schon beim Original haben uns manche davon bis in unsere Träume verfolgt und auch jetzt läuft uns beim Gedanken an manche Monster ein Schauer über den Rücken. Übrigens: Dead Space wirkt am besten nachts mit Kopfhörern, probiert das unbedingt mal aus!
Hier gibt es ein paar der Gegnertypen aus Dead Space zum Durchklicken:
Ein Hoch auf die taktische Zerstückelung!
Aber so viel Panik uns das Spiel vor dem Auftauchen neuer Monster haben lässt, so befriedigend ist es gleichermaßen, den Biestern dann bei der direkten Konfrontation gewaltsam ihre Gliedmaßen zu amputieren. Dead Space macht die "taktische Zerstückelung" zu einer ebenso unkonventionellen wie spaßigen Kernmechanik. Denn die Nekromorphen erledigen wir nicht etwa wie in vielen anderen Spielen durch gezielte Kopf- oder Körpertreffer, sondern indem wir ihnen Arme, Beine oder andere Auswüchse entfernen.
Dazu stehen insgesamt sieben als Bergbauwerkzeuge getarnte und ziemlich abwechslungsreiche Waffen bereit, die Isaac jetzt nach und nach im Laufe des Spiels finden kann und nicht mehr in Shops kaufen muss. Der berühmt-berüchtigte Plasma-Cutter ist beispielsweise ein ebenso verlässliches wie präzises Allzweck-Utensil, das Impulsgewehr ist die Maschinengewehr-Entsprechung von Dead Space, außerdem gibt es einen Flammenwerfer und diverse andere Geräte, um auch größere Gegnergruppen in Schach zu halten.
Zusammen mit den jeweiligen Sekundärfeuermodi, sowie dem Stase- und dem Kinesemodul von Isaacs Anzug ergibt sich fast so etwas wie eine Mini-Sandbox, die genug Raum zum Experimentieren lässt. So ist es etwa möglich, Gegnern erst einen Arm abzuschießen, sie dann mit Stase zu verlangsamen und anschließend mit eben diesem per Kinese geschleuderten Arm aufzuspießen.
Kurzum: Die Kämpfe sind neben der Atmosphäre das absolute Highlight von Dead Space, teilweise haben wir sie in den düsteren Gängen sogar herbeigesehnt, weil sich in ihnen die ganze Anspannung vorheriger Abschnitte entladen kann. Nur gegen Ende wird es dann etwas zu actionlastig, Gegnerwellen häufen sich, die Balance aus ruhigen Passagen und Action passt nicht mehr so gut wie in den Anfangskapiteln. Nahezu perfekt spielbar bleibt das Ganze aber jederzeit, auch dank zahlreicher Steuerungseinstellungen in den Optionen.
Angenehm feinjustiert für mehr Komfort
Die Waffen und auch Isaacs Anzug lassen sich an Werkbänken mit überall auf der Ishimura verteilten und teils versteckten Energieknoten aufrüsten. Das ist wie schon im Original sehr motivierend, weil sich einzelne Verbesserungen wie größere Magazine oder erhöhter Schaden tatsächlich merkbar auswirken,
Entwickler Motive bringt im Remake zudem einen neuen Kniff ins Spiel. Denn für alle Waffen lassen sich besondere Upgrade-Knoten finden, die bei Freischaltung dann besondere Effekte haben, etwa zusätzlicher Feuerschaden beim Plasma Cutter. Dieses Element unterstreicht die Besonderheiten der Waffen zusätzlich und hat zumindest uns dazu verleitet, jede Knarre tatsächlich auch regelmäßiger zu nutzen, zumal das komplette Waffen-Meta für das Original auch noch einmal neu gebalanced wurde.
Und auch beim Komfort hat Motive an einigen Stellen angenehm nachjustiert. Die Karte ist jetzt im Vergleich zum Original beispielsweise nutzbar, ohne dass sich der Sehnerv verknotet, und auch die Upgrades lassen sich jederzeit neu platzieren, das ging in der Vorlage erst zu einem späteren Zeitpunkt gegen eine Ingame-Bezahlung. Für Unverständnis hat bei uns dagegen die Entscheidung gesorgt, Standard-Ressourcen wie Medi- oder Stasepacks erst nach Finden eines entsprechenden Schemas in den Shops verfügbar zu machen.
Begeistert sind wir unverändert von der Eleganz der Anzeigen in Dead Space. Denn auch das Remake verzichtet auf sämtliche HUD-Elemente, Statuswerte wie Isaacs übriger Stasevorrat oder Lebensenergie sind an seinem Anzug ablesbar, Informationen wie das Inventar oder gefundene Log-Informationen werden als Hologramme dargestellt.
Umräumarbeiten auf der Ishimura
Motive hat im Remake aber nicht nur Kleinigkeiten und die Optik angepasst, sondern teilweise auch tiefgreifende Veränderungen im Vergleich zur Vorlage vorgenommen. Das fängt in manchen Kapiteln beispielsweise bei den Layouts der Ishimura an, die stellenweise großflächig umgebaut oder erweitert wurden. Allerdings nicht mit der Brechstange oder ohne Wiedererkennungswert – auch für Kenner*innen der Vorlage gibt es mehr als genug neue, überraschende Schockmomente – sondern stets mit Bedacht und Verstand.
So wurden auch einige unausgegorene Passagen des Originals komplett überarbeitet, darunter etwa die “Kanonensequenz” am Ende von Kapitel 4, deren Trial&Error-Charakter damals für einige an Wände gepfefferte Controller und viel Kritik gesorgt hat. Diese steuert sich im Remake dank eines neuen Kniffs jetzt wesentlich angenehmer und komfortabler.
Apropos: Auch die Abschnitte in der Schwerelosigkeit sind dank der Steuerung im freien Raum im Vergleich zu den behäbigen und teilweise recht unbeholfen wirkenden Gegenstücken der Vorlage ein echter Genuss, auch wenn hier und da die Orientierung etwas schwer fällt. Und auch die angepassten Minirätsel und zusätzlich eingefügten Schalteraufgaben sorgen regelmäßig wieder für angenehme Abwechslung und kleinere Verschnaufpausen.
Dass die USG Ishimura jetzt anders als im Original ein ziemlich frei begehbares Schiff und kein linearer Schlauch mehr ist, bei dem wir ausschließlich auf die Monorail des Schiffs angewiesen sind, spielt dagegen eine deutlich kleinere Rolle als ursprünglich angenommen. Zwar gibt es dadurch ein paar "Aha-Momente" für Kenner*innen – "Ach, HIER kommt man jetzt also raus?" – abseits von ein paar zusätzlichen Türen, die sich erst später mit einer höheren Sicherheitsfreigabe öffnen lassen, lässt sich auf der Ishimura aber vergleichsweise wenig entdecken, auch die eingestreuten drei, komplett optionalen Nebenmissionen dienen mehr der Story als dem Gameplay. Dead Space bleibt also auch im Remake ein ziemlich lineares Spiel.
Hier könnt ihr euch den Launch-Trailer zum Spiel anschauen:
Ein Hauch Altbackenes
Die Motive Studios haben also viel getan, um Dead Space nicht nur optisch, sondern auch spielerisch einen modernen Anstrich zu verpassen, in allen Punkten gelingt das allerdings nicht. Da Gameplay und Spielfluss lediglich feingeschliffen und nicht entkernt wurden, sind auch ein paar angefaulte Kerne zurückgeblieben, die sich mit den Umbauten nicht wirklich kaschieren lassen. Damit sind vor allem die repetitiven Aufgaben gemeint, die Isaac immer wieder erledigen muss.
Ja, es gibt Ausnahmen, aber eben auch immer wieder Missionen à la "Erledige x Nekromorph-Keucher" oder "Schieße y Schleimtentakel kaputt", die einige Abschnitte des Spiels unnötig in die Länge ziehen und heutzutage ziemlich altbacken wirken. Hier wird dann auch mehr als deutlich, dass bei Dead Space eher der Weg das Ziel ist, denn beim "Minute-to-Minute-Gameplay", also wenn wir gegen die Nekromorph kämpfen und davor, dabei oder danach regelmäßig einen Herzkasper bekommen, spielen die Schwächen des Spiels keine wirkliche Rolle mehr.
Spielzeit und Wiederspielreiz
Circa 12 Stunden dauert es, bis der Abspann über den Bildschirm läuft und auch danach gibt es mit dem New Game Plus-Modus einen motivierenden Anreiz, sich erneut auf die Ishimura zu begeben. Hier behält Isaac sein vorhandenes Equipment, es gibt eine neue alternative Endsequenz und zudem die Aussicht, alle Waffen-Upgrades zu finden und sämtliche Werkzeuge auf die Maximum-Stufe aufzuleveln, was in einem Durchgang unmöglich klappen kann. Für Langzeitmotivation ist also gesorgt.
Für wen ist das "neue" Dead Space also etwas? Auf jeden Fall für alle, die immer schon mal wissen wollten, was hinter diesem klangvollen Namen steckt und das Original noch nie gespielt haben. Die bekommen mit dem Remake nicht nur eine deutlich hübschere, sondern auch spielerisch sinnvoll angepasste Version des Horror-Spektakels, dessen Atmosphäre man einfach mal erlebt haben sollte.
Wer Dead Space hingegen schon kennt, sollte genau abwägen, ob die Neuerungen und Anpassungen ausreichen, um sich noch einmal in die düsteren Gänge der Ishimura zu wagen. Denn trotz der schickeren Verpackung und einigen Änderungen steckt hier natürlich Dead Space drin – mit allen Stärken, aber auch einigen Schwächen.
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