Ein neuer Insider-Bericht zu Cyberpunk 2077 lässt einige Mitglieder des Entwicklungsteams zu Wort kommen. Deren Aussagen zeichnen ein ziemlich chaotisches Bild der internen Vorgänge, die offenbar zu dem desaströsen Launch des Open World-RPGs geführt haben. Demnach wurde die eigentliche Entwicklung wohl erst 2016 gestartet, die E3-Demo soll fast komplett "fake" gewesen sein und die Bugs waren bekannt beziehungsweise wussten offenbar alle, in was für einem problematischen Zustand das Spiel war.
Jason Schreier lässt Cyberpunk 2077-Insider zu Wort kommen
Darum geht's: Cyberpunk 2077 wurde erst mehrmals verschoben und ist dann trotzdem noch in einem so schlechten Zustand erschienen, dass Sony den Titel aus dem PlayStation Store geworfen hat und massenhaft Fans Rückerstattungen einfordern. Seitdem arbeitet CD Projekt RED an Bugfixes, um das RPG auf PS4 und Xbox One überhaupt einigermaßen spielbar zu machen und entschuldigt sich. Zum Beispiel mit diesem Video:
Neuer Insider-Bericht: Jetzt hat der renommierte Journalist und Buch-Autor Jason Schreier (der für seine guten Verbindungen innerhalb der Games-Branche bekannt ist) einen seiner berühmt-berüchtigten Insider-Berichte bei Bloomberg veröffentlicht. Darin sprechen über 20 Entwickler*innen anonym über die Arbeit an Cyberpunk 2077 und was dabei alles schief gelaufen sein soll.
Das sind die wichtigsten Punkte:
Die Hauptprobleme bei der Entwicklung von Cyberpunk 2077 scheinen durch schlechte Planung entstanden zu sein. Das soll zum Beispiel unrealistische Deadlines und die daraus resultierende Crunch-Kultur umfassen. Dass das Grafik-Grundgerüst parallel zum Spiel entwickelt wurde und Cyberpunk 2077 nicht nur auf ein neues Setting, sondern auch auf eine neue Perspektive setzt, hat offenbar ebenfalls seinen Teil zur Problematik beigetragen.
Die Probleme, Bugs und technischen Schwierigkeiten seien hingegen allgemein bekannt gewesen. Die Entwickler*innen hätten einfach nur keine Zeit gehabt, sie zu beheben. Dazu kommt, dass viele der Befragten, die in dem Schreier-Bericht zu Wort kommen, erklären, dass der Fokus der CDPR-Führungsebene viel mehr auf dem Marketing als auf der Entwicklung selbst gelegen habe.
- Entwicklungsstart erst 2016? Offenbar wurde 2016 nochmal einiges umgeworfen und "der Reset-Knopf gedrückt", was zu internen Konflikten sowie dem Weggang hochrangiger Entwickler*innen geführt haben soll. Was deutlich macht, dass die eigentliche Entwicklung noch weniger Zeit hatte, obwohl das RPG schon 2012 angekündigt wurde.
- E3-Demo 2018 angeblich fake: Die auf der E3 2018 gezeigte Cyberpunk 2077-Demo soll fast komplett gekünstelt gewesen sein. Die zugrundeliegenden Systeme waren so wohl noch gar nicht im Spiel und die Arbeit an der Demo soll Zeit und Ressourcen verschlungen haben, die anderswo bitter nötig gewesen wären. Dass große E3-Demos mehr versprechen als das Spiel am Ende halten kann, ist jedoch nicht nur ein Problem von Cyberpunk 2077 und ist in der Industrie weit verbreitet.
- Crunch-Kultur: Über 12 Entwickler*innen geben gegenüber Jason Schreier an, sich unter Druck gesetzt gefühlt zu haben, Überstunden zu machen. Teilweise seien 13-Stunden-Arbeitstage die Regel gewesen, einige Mitarbeiter*innen hätten deswegen ihre "Familien verloren" und die Entwicklung sei dadurch trotzdem nicht beschleunigt worden.
- Unrealistische Deadlines & Planung: Intern hätten das Release-Datum von Cyberpunk 2077 viele Entwickler*innen zunächst für einen Witz gehalten. Es seien sogar Wetten auf Verschiebungen abgeschlossen worden und 2022 galt als realistisches Launch-Datum.
- Angeblich wussten alle Bescheid: Mehreren Aussagen zufolge sei zum Launch-Datum sämtlichen Studio-Mitgliedern klar gewesen, dass Cyberpunk 2077 in keinem guten Zustand war und eigentlich noch mehr Zeit gebraucht hätte. Einige Features funktionierten nicht, Dialog-Teile fehlten und es wurden immer noch schwerwiegende Fehler entdeckt.
So reagiert der Cyberpunk 2077-Director auf den Insider-Bericht
Der Cyberpunk 2077-Game Director und CD Projekt RED-Studiochef Adam Badowski hat zwar wohl nicht auf Jason Schreiers Interview-Anfragen geantwortet, meldet sich jetzt aber via Twitter mit einer öffentlichen Stellungnahme zu den Insider-Berichten. Darin versucht er sich an einigen Erklärungen, lässt aber immer noch viele Fragen offen.
- E3 2018-Demo: Laut Adam Badowski war die Demo nicht fake. Es sei "work in progress" gewesen und das finale Spiel spiele sich nicht nur besser, sondern sehe auch besser aus. Dabei scheint er sich allerdings ausschließlich auf die PC-Version zu beziehen, die PS4- und Xbox One-Versionen seien "ein anderer Fall". Er schreibt, er würde "das alles nicht als desaströs bezeichnen".
- Fehlende Features: Dass Teile eines Spiels im Verlauf der Entwicklung weggestrichen oder entfernt werden, sei Teil des kreativen Prozesses. Die Auto-Überfälle würden aber fast genau so, wie sie in der Demo zu sehen waren, auch im fertigen Spiel existieren. Außerdem verweist Adam Badowski auf die hohen Wertungen, die (die PC-Version von) Cyberpunk 2077 erhalten habe.
- Die meisten Leute? Adam Bowski schreibt, Jason Schreier habe nur mit 20 Menschen gesprochen, von denen ein einziger nicht anonym geblieben sei und bei einigen handele es sich um ehemalige Mitarbeiter*innen. Das sei nicht die Mehrheit der über 500 Leute, die bei CDPR arbeiten. Was natürlich nicht bedeuten muss, dass die nicht trotzdem alle wussten, in welchem Zustand Cyberpunk war und auch nicht, dass die über 20 Menschen gelogen haben.
Link zum Twitter-Inhalt
Zu Crunch-Vorwürfen & mangelhafter Planung sagt er nichts
Besonders bemerkenswert wirkt an den Aussagen des Cyberpunk-Directors, dass er zwei der wichtigsten und schwerwiegendsten Punkte in seiner Reaktion völlig außer Acht lässt: Crunch und die offenbar unrealistische Planung beziehungsweise die Probleme bei der Organisation.
Adam Bowski versucht nicht einmal, die Vorwürfe zu entkräften, dass viele Mitarbeiter*innen unter der Crunch-Kultur bei CD Projekt RED gelitten haben. Er verliert kein Wort zu den obligatorischen Überstunden und dem Druck, der von der Führungsebene und unter Entwickler*innen ausgeübt wurde sowie dem gebrochenen Versprechen, dass das nicht passieren würde.
Auch zu den Vorwürfen, dass die meisten Probleme durch unrealistische Deadlines, zu kurzfristig gesetzte Termine und mangelhafte Planung entstanden sein sollen, sagt der Studio-Chef und Game Director gar nichts. Das wirkt angesichts der Schwere der Vorwürfe natürlich besonders befremdlich.
Wie findet ihr den Insider-Bericht und vor allem: Was haltet ihr von der Reaktion des CDPR-Studiochefs darauf?
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