Seite 2: Crysis - Special - Deutschlands Spiel für die Welt

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Crysis ist in seiner Ausgestaltung ziemlich konsequent auf den kleinsten gemeinsamen Nenner getrimmt, auf Hollywood-Action mit kantigen Soldaten im Kampf gegen fiese Außerirdische und böse Ausländer. Das geht immer. Der neutrale Schauplatz (Tropeninsel), die temporeiche Inszenierung und der grafische Bombast lösen rund um die Welt die gleiche Neugierde aus, störende kulturelle Kanten hat Crytek sorgsam abgefeilt. Es ist in diesem Zusammenhang ein Kompliment, zu sagen: Das könnte auch aus den USA stammen.

Dabei war Crytek clever genug, Crysis nicht zu einem Me-too-Shooter zu machen, sondern ihm Alleinstellungsmerkmale zu lassen. Das ist, in der Tradition von Far Cry, vor allen Dingen die aus GTA entlehnte Idee der offenen Spielwelt. Crysis setzt im Gegensatz zum Genre-König Call of Duty nicht auf eine geführte Spielerfahrung, sondern auf die Freiheit der Weite. Und weil ein herumstromernder Spieler bedeutet, dass man feindliche Zusammentreffen weit weniger gut planen kann, müssen die Computergegner schlau genug sein, auf unterschiedlichste Situationen zu reagieren. Das sind sie in Crysis. Beides zusammen verleiht dem Spiel eine Faszinationskraft, die über die reine Inszenierung hinausgeht. Es gibt ihm spielerische Tiefe.

So ist Crytek ein Hattrick aus technologischer Exzellenz, inhaltlicher Eigenständigkeit und stilistischem Mainstream gelungen. Das ist für Deutschland eine ziemlich einmalige Kombination; manche Spiele schaffen zwei der drei Dinge, aber praktisch keines alle drei. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass deutschen Studios meist die Mittel fehlen, finanziell wie personell, um mit dem internationalen Standard mithalten zu können. Crysis wird von einem international besetzten Team entwickelt, die Firmensprache ist Englisch. Das hat bei deutschen Spieleherstellern immer noch Seltenheitswert. Die Zahl der hiesigen Big-Budget-Produktionen lässt sich an einer Hand abzählen. Crysis ist darunter die führende. Womöglich kann der Shooter Spec Ops, das seit vier Jahren beim Berliner Studio Yager entwickelt wird, in diese Liga aufschließen. Aber dann wird die Luft schon dünn.

Cryteks Probleme

Bei allen internationalen Lorbeeren kämpft Crytek dennoch mit Problemen. Denn in Crysisland ist längst noch nicht alles rosig. Der wichtigste Hemmschuh für den 2007 erschienenen Shooter, das war schon damals klar, war seine Plattform: Das Spiel erschien nur auf dem PC. Damit ist großen Spielenationen wie den USA und England, in denen Konsolen den Markt dominieren, nicht viel Staat zu machen. Crysis hat sich respektabel verkauft, aber auf Xbox 360 und Playstation 3 wäre noch viel mehr drin gewesen, so die Rechnung von Crytek und seinem Publisher Electronic Arts. Deshalb erscheint der Nachfolger Crysis 2 nun auf allen Plattformen, auch wenn das bedeutet, dass der einstige technologische Vorsprung der Serie gegen Null zusammenschnurrt.

Bis heute ist es Crytek zudem nicht gelungen, Crysis als Multiplayer-Spiel zu etablieren. An Bemühungen hat es nicht gemangelt: Der ausgefeilte »Power Struggle«-Modus von Crysis wurde im Vorfeld mit viel Tamtam beworben, mit dem Mini-Nachfolger Crysis Warhead 2008 bekam der ausgekoppelte Mehrspieler-Modus sogar einen eigenen Namen, Crysis Wars. Geholfen hat es wenig. Nach wie vor gelten Call of Duty oder Battlefield als Multiplayer-Hits, Crysis aber vor allem als Solo-Erfahrung. Auch das soll Crysis 2 ändern, das Werkzeug heißt diesmal Vereinfachung: Statt komplexer Multiplayer-Modi gibt’s Genre-Standards samt Rangsystem. Mainstream, here we come.

Die bange Frage für Crytek und Electronic Arts lautet nun, ob sich Crysis 2 auch auf den Konsolen als Erfolg erweist. Auf Xbox 360 und Playstation 3, das darf man nicht vergessen, ist es eine unbekannte Marke, ein Erstlingswerk. EA hat großen Aufwand ins Marketing gesteckt, um der Welt einzubläuen: Guckt euch diesen Ego-Shooter an! Das ist der beste Ego-Shooter der Welt!

Dass er aus Deutschland kommt, spielt dabei keine Rolle. Uns darf es trotzdem eine stille Genugtuung sein.

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