Es sieht nicht gut aus für Ryan Marks: Als der Special Forces-Soldat zur Beerdigung seines Vaters nach Hause zurückkehrt, werden er und seine Familie in die kriminellen Machenschaften des Londoner Untergrunds verwickelt. Ein zwielichtiger Geschäftsmann will das Familienunternehmen des Marks-Clans mit Gewalt an sich reißen. Das lässt sich Ryans Mischpoke natürlich nicht gefallen und setzt zum Gegenschlag an.
Der darauffolgende Rachefeldzug ist ein PSVR-exklusiver Action-Blockbuster zum Selberspielen. Blood & Truth ist dabei spürbar von der Hollywood-Ästhetik der Bond-Filme und modernen Agenten-Thrillern wie "Die Bourne Identität" inspiriert. Die rund fünf- bis sechsstündige Kampagne bietet alles, was wir aus diesem Filmgenre lieben und erwarten: spektakuläre Explosionen, wilde Verfolgungsjagden, waghalsige Sprünge aus einstürzenden Neubauten und kreativ inszenierte Schusswechsel vor Traumkulissen.
Dank PlayStation VR stockt uns beim Sprung durch ein Fenster aus dem fünften Stock auf die gegenüberliegende Feuertreppe der Atem. Und wir fühlen uns wie Bruce Willis in "Stirb Langsam", wenn wir durch Lüftungsschächte robbend in ein Kasino einbrechen. Und Nichts ist cooler, als mit zwei Waffen im Anschlag in Zeitlupe durch einen Hotelflur zu rennen und links und rechts Gegner hops zu nehmen, während uns die Kugeln um die Ohren fliegen.
Wie auf Schienen
Dass sich das alles so gut anfühlt, liegt vor allem an der intuitiven Steuerung mit den zwei PlayStation-Move-Controllern. Mit ihnen bewegen wir unabhängig voneinander Ryans linke und rechte Hand und interagieren per Gesten mit Türklinken, holen unsere Waffen aus dem Holster oder laden Munitionsclips nach.
Ohne darüber nachzudenken zielen wir über Kimme und Korn und kneifen reflexartig ein Auge zu, wenn wir durch das Visier eines Scharfschützengewehrs blicken. Spätestens, als wir das erste Mal zur Pumpgun greifen und mit der zweiten Hand den Schlitten zum Nachladen zurückziehen, sind wir der Terminator höchstpersönlich.
Die zugegeben etwas in die Jahre gekommene Railshooter-Mechanik besticht dafür durch ihre Zugänglichkeit und ist hier besonders dynamisch umgesetzt. Dem Genre entsprechend laufen wir wie auf Schienen und können nur auf festdefinierten Bahnen voranschreiten. Schauen wir uns aus einer Deckung heraus um, sehen wir einen Pfeil, der neue mögliche neue Deckungen anzeigt. Ein Knopfdruck genügt, und unsere Figur setzt sich in Bewegung.
In hektischen Feuergefechten können wir zusätzlich mit den Buttons am Move-Controller Seitwärts-Bewegungen (Strafing) ausführen, um Schüssen auszuweichen oder eine bessere Schussposition zu erhalten.
Die eingeschränkte Bewegungsfreiheit fällt im Eifer des Gefechts kaum auf und wird durch die damit errungene Zielgenauigkeit gut aufgewogen. Für Menschen mit empfindlichem Magen lassen sich zusätzliche Blenden aktivieren, die den Sichtradius bei Bewegung einschränken und dadurch einer möglichen Motion Sickness vorgreifen.
Wer keine Move-Controller besitzt, kann alternativ mit dem PS4-Dualshock spielen - allerdings steuert dieser beide Hände parallel als Einheit und hinterlässt den Eindruck, als wäre Ryan in Handschellen gelegt. Funktioniert, aber nimmt der Action einen großen Teil des Reizes.
Geschüttelt, nicht gerührt
Als Auflockerung und zur Senkung des Adrenalinpegels bremsen uns öfter verschlossene Türen. Diese lassen sich mit etwas Feingefühl und dem guten alten Dietrich knacken. An anderer Stelle müssen wir Drähte an Schließanlagen kappen und dabei kleine Rätsel lösen oder einen Sprengsatz mit Zündern bestücken.
Die Story-Kampagne ist in insgesamt 19 Kapitel unterteilt und bietet zwei Schwierigkeitsgrade. Der leichtere von beiden stattet die Spielfigur mit mehr Lebensenergie aus und spendiert den Waffen direkt ein Laserpointer-Upgrade, was das Zielen enorm vereinfacht. Im normalen Schwierigkeitsgrad lassen sich diese und weitere Waffenmodifikationen über Sternebewertungen in den Missionen und das Finden von Sammelobjekten freischalten.
Die Feuergefechte sind fordernd und setzen eine geschickte Nutzung der Deckung und der passenden Waffen voraus. Sollten uns die Gegner dennoch übermannen, entsteht dennoch nie Frust. Die Checkpoints sind fair verteilt und das Experimentieren mit den sehr unterschiedlichen Waffengattungen vom Colt bis zum Granatwerfer motiviert, die Abschnitte mehrmals zu spielen.
Zusätzlich sorgen alternative Routen, versteckte Sammelobjekte und Eastereggs in den Levels für einen hohen Wiederspielwert.
Enge Familienbande
Blood & Truth überzeugt aber nicht nur in den Bombast-Momenten, sondern auch bei der Geschichte. Gerade in den ruhigeren Phasen zwischen den Einsätzen zeigen die London Studios, wo die immersive Kraft von VR liegt. In den Zwischensequenzen planen wir mit unserer Familie die nächsten Schritte und sind beeindruckt von der Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit der Figuren. In dieser überzeugenden Qualität haben wir das in VR noch nirgends besser erlebt!
Besonders gefallen haben uns die Szenen, in denen wir mit unserem narzisstischen Bruder unterwegs sind und nachts in ein Museum einbrechen, um den nächsten Angriff auf den Gangsterboss vorzubereiten.
Solche Momente sind witzig geschrieben, voller Liebe zum Detail und geben den Charakteren Raum, sich zu entfalten. Sie festigen die Beziehungen der Figuren untereinander, was der Dramatik abseits der reinen Action hilft.
Dazu kommt die erfrischende Erzählform, die an Guy-Ritchie-Verfilmungen wie "Snatch" erinnert: Das Spiel beginnt mit einer Verhörsituation und während unserer Charakter dem Cop die geschönten Geschehnisse des Vorabends berichtet, spielen wir parallel dazu die Szene nach und sehen, was in Wirklichkeit passiert ist. Großartig!
Britischer Humor und London-Flair
Die professionellen Schauspieler und Sprecher fangen in der Original-Tonspur den typischen britischen Humor perfekt ein und tragen einen großen Anteil am beeindruckenden Gesamterlebnis. Alternativ lässt sich das Spiel komplett in Deutsch vertont erleben, auch wenn dies der Inszenierung und dem toll eingefangenen London-Flair einiges an Atmosphäre nimmt.
Die Entwicklung von Blood & Truth wurde nach Aussagen der Entwickler durch die überwiegend positive Resonanz auf das "London Heist"-Segment aus der Spielesammlung VR Worlds befeuert.
Zugegeben: Gerade im VR-Bereich gibt es deutlich ungewöhnlichere und experimentellere Erlebnisse. Blood & Truth ist nicht sonderlich innovativ und nutzt die einzigartigen Möglichkeiten der Virtual Reality nicht wirklich aus. Aber das, was die London Studios erreichen wollten, setzen sie nahezu perfekt um. Besser kann man einen cineastischen Railshooter und eine interaktive Hommage an das Actionkino kaum umsetzen. Dieser Titel ist das bislang beste Spiel für Sonys Brille. Punkt.
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