Vor wenigen Tagen erschien mit “The Last Chapter” das letzte Content-Update für Assassin’s Creed Valhalla. Nach den drei kostenpflichtigen DLCs Zorn der Druiden, Die Belagerung von Paris und Die Zeichen Ragnaröks bedeutet das gleichzeitig den wohlverdienten Ruhestand für das Spiel.
Aus diesem Grund, und weil bereits im Trailer von “neuen Ufern” die Rede ist, hatte ich klare Vorstellungen davon, was mich zum Ende wohl noch einmal erwarten wird: Eine Questreihe, die uns in ein anderes Gebiet schickt und Eivors Tod erklärt. Aber statt des erhofften, wehmütigen Abschieds, kehre ich Valhalla den Rücken, wie ich es damals begonnen habe: mit einer Enttäuschung.
Spoilerwarnung: Um über das Ende von Valhalla sprechen zu können, kommen wir um Spoiler zu The Last Chapter und dem Hauptspiel logischerweise nicht herum.
Eivor ließ mich durchhalten
Der Trailer zu The Last Chapter schaffte etwas, was ich kaum für möglich hielt: Er machte mich tatsächlich wehmütig, ja sogar etwas traurig, dass ich nun von Eivor Abschied nehmen muss. Denn auch wenn Valhalla mit seiner Wikinger-Thematik weniger meinen Geschmack traf und die vielen Probleme bei der Technik und dem Spieldesign (mehr dazu im Test) mich immer wieder nervten, habe ich meinen männlichen Eivor lieb gewonnen.
Die hübsche Open World ist natürlich auch ein Argument für das Spiel, kommt für mich aber nicht an das sonnig warme Griechenland aus AC Odyssey heran. Dass ich Valhalla nicht aufgegeben habe, verdanke ich daher in erster Linie Eivor mit seiner harten Schale, hinter der doch ein weicher Kern steckt. Denn auch wenn er Schlachten schlägt und Brandschatzt, tut er das zum Wohl seiner Liebsten.
Hier der besagte Trailer:
Deshalb wünschte ich mir für meinen rauen Wikinger ein letztes kämpferisches Spektakel mit vielen Emotionen, vergleichbar mit dem traurigen Abschied von seiner Geliebten Randvi. Als Schauplatz kam für mich hier nur Vinland (die heutige USA) in Frage, um endlich die Geschichte hinter Eivors Tod zu erfahren, der dort viele Jahre später begraben liegt.
Umso mehr ärgere ich mich, dass er in der letzten Quest nun doch nicht das würdige Ende erhält, das ihm meiner Meinung nach zusteht. Natürlich spielt auch meine Erwartungshaltung eine Rolle, aber es gibt genug Faktoren, die auch abseits davon das letzte Kapitel zu einem lieblosen Abgang machen.
Sexismus-Probleme bei Ubisoft: Dem französischen Entwickler und Publisher wird seit Juli 2020 eine toxische Unternehmenskultur vorgeworfen. Darunter weitreichende Sexismus-Probleme, Frauenfeindlichkeit und Diskrimierung, die tief in der Firma verankert sein sollen. Zwar wurden seitens Ubisoft bereits Konsequenzen gezogen, bspw. Mitarbeiter der Führungsebene ausgetauscht und zu den Vorwürfen offen Stellung genommen, firmenintern werden diese Maßnahmen von vielen Mitarbeiter*innen jedoch als nicht ausreichend empfunden.
Altbekanntes statt neue Ufer
Nach dem Hauptspiel und all den DLCs, in denen Eivor immer eine Schlacht für seinen Clan zu schlagen hatte, steckt er in The Last Chapter in einer Identitätskrise. Nach einigen vergangenen Ingame-Jahren fühlt er sich lustlos und lässt sein altes Leben hinter sich.
Als jemand, der immer ein festes Ziel vor Augen hatte, ergibt diese Suche nach etwas Neuem für Eivor durchaus Sinn. Allerdings werden wir mit diesen Gefühlen nur direkt zu Beginn der Quest konfrontiert, während die nachfolgende Spielstunde sich nur mit der ersten Konsequenz, also seinem Abschied befasst. Um dieses Handeln besser nachvollziehen zu können, brauche ich mehr Kontext und Zeit.
Nur stumpfes Abarbeiten: Vielmehr stört es mich aber, dass wir in Sachen Gameplay nichts von den “neuen Ufern” zu sehen bekommen. Statt den für Eivor so wichtigen Weg zumindest in einer spielerischen Kurzversion mitzuerleben, spielt sich The Last Chapter nur an altbekannten Orten ab. Dabei hüpfen wir ohne beschwerlichen Weg einfach per Schnellreise von A nach B, aktivieren ein Erinnerungsfragment und verabschieden uns so in kleinen Zwischensequenzen von altbekannten Charakteren wie König Harald.
Theoretisch ist der Story-Fokus auf das Wiedersehen alter Gefährten ein toller Ansatz, der uns so ein wenig ihre und auch unsere Entwicklung aufzeigt. Allerdings verpufft dieser Effekt, da mir abgesehen von König Alfred keiner der flachen Charaktere richtig in Erinnerung geblieben ist. Hier hätte ich stattdessen lieber den emotionalen Abschied von noch wichtigeren Personen wie Randvi und Sigurd, Eivors Bruder im Geiste, miterlebt.
Außerdem frage ich mich, warum Eivor auf alles so schulterzuckend reagiert. Er könnte zum Beispiel auf König Haralds Wunsch hin mit nach Island reisen, um zusammen einer befreundeten Siedlung zu helfen, die in Gefahr ist. Das wäre der perfekte Schritt Richtung “neuer Ufer”, nach denen sich Eivor sehnt. Jedoch lehnt er diese Chance ab, weil er “keine ausgetretenen Wege beschreiten will”. Dabei sagt sogar Sigurd, der ihn in dieser Sequenz begleitet, dass dieses Angebot Schicksal sei.
Dem letzten Kapitel hätte es gut getan, wenn wir mit Eivor immerhin ein kleines neues Gebiet erkunden dürften, um wirklich das Gefühl eines Aufbruchs zu spüren. Wir bekommen jedoch nur zu sehen, wie Eivor sich zusammen mit Odin auf einem Bötchen still und leise davon macht, ohne zu wissen, was überhaupt sein Ziel ist. Im Anschluss bekommen wir die zwei zwar noch einmal bei der Hütte aus dem Gegenwarts-Abschnitt zu sehen, was aber dazwischen alles passiert, bleibt unklar.
Mehr Fragen als Antworten
So viel verschenktes Potenzial und Unklarheit verderben mir den Spaß an diesem Abschied, der AC Valhalla-typisch noch durch Bugs noch weiter geschmälert wurde. Bestes Beispiel ist der Umhang, den Eivor in den Zwischensequenzen trägt. Diesen habe ich ihm nicht angelegt. Mal ganz zu schweigen davon, dass seine Federpracht nicht rabenschwarz, sondern kunterbunt ist, was mich Eivor in seiner Situation nicht ernst nehmen ließ:
Statt eines würdigen Abschieds, der am Ende immerhin noch ein paar Wogen zum allgemein enttäuschenden Valhalla glättet, hat Ubisoft das Spiel so in meinen Augen einfach unliebsam zu Grabe getragen. Das “Verabschiede dich, um zu fernen Ufern aufzubrechen, zu neuen Abenteuern.” gilt demnach nicht Eivor, sondern uns, mit Blick auf Assassin’s Creed Mirage. Kein Wunder also, dass ich noch nie so erleichtert war, ein Assassin’s Creed-Spiel von der Konsole zu kicken.
Meine letzte Hoffnung bleibt, dass Eivors Geschichte irgendwann in der übergreifenden AC-Handlung noch einmal am Rande aufgegriffen wird. Vielleicht beschert uns ja Mirage, in dem Basim aus Valhalla die Hauptrolle spielt, ein paar Hintergrundinformationen, die meinen Blick auf The Last Chapter etwas versöhnlicher werden lassen. Meinem durch Valhalla gebrochenem Fan-Herz für Eivor würde es gut tun.
Aber wie seht ihr das? Habt ihr auch mehr von The Last Chapter erwartet?
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