Als ich über den Xbox Game Pass das erste Mal von As Dusk Falls Wind bekam, wirkte es auf mich erstmal nur wie irgendein weiteres storygetriebenes Spiel mit Entscheidungen, das mich aber durchaus gut unterhalten könnte. Als dann aber nach gut sechs Spielstunden die Credits über meinen Bildschirm liefen, war ich einfach nur noch baff. Selten hat mich ein Adventure wie dieses durchgängig so gepackt, dass es mir selbst noch Tage später nicht aus dem Kopf geht. Ich würde die Erinnerungen daran sogar am liebsten löschen, um es noch einmal völlig neu erleben zu können.
Contentwarnung: Dieser Artikel befasst sich mit verschiedenen Aspekten mentaler Gesundheit, Suizid und beinhaltet mitunter auch Beispiele negativer Emotionen, die bei manchen Menschen negative Reaktionen auslösen können. Bitte seid vorsichtig bei Texten, die potenziell triggernde Themen für euch enthalten.
Schwere Kost, aber gut verpackt
Worum geht’s in As Dusk Falls? Die Geschichte von As Dusk Falls erstreckt sich über sechs Kapitel, in denen wir die schwerwiegenden Schicksale der Familien Holt und Walker miterleben, die nach einem missglückten Raubüberfall 1998 in Arizona untrennbar miteinander verbunden sind.
As Dusk Falls zerreißt mich innerlich
Das Entwicklerteam von INTERIOR/NIGHT bezeichnet As Dusk Falls nicht umsonst als interaktives Drama. Es geht, auch von unseren Entscheidungen abhängig, nicht nur sehr emotional, sondern auch häufig dramatisch zu. Und ich spreche hier nicht nur von Gewalt, Sucht und Verrat, sondern auch von Suizid und psychischen Problemen.
Das Spiel hat es mir mit all dem wirklich nicht leicht gemacht. Denn es gibt hier keine falschen und richtigen Entscheidungen, kein einfaches Gut und Böse. Vielmehr werden die Themen so natürlich umgesetzt, dass ich immer wieder mal einen Kloß im Hals hatte, weil ich nicht wusste, was ich tun soll.
Ohne groß zu spoilern: Ich musste als Jay Holt beispielsweise in einer brenzlichen Situation eine Entscheidung treffen, bei der ich im echten Leben sowas von überfordert gewesen wäre. Soll ich wirklich eingreifen oder nicht? Eine moralische Zwickmühle, mit der ich zwar nur spielerisch konfrontiert wurde, die aber auch im echten Leben etwas über mich aussagt. As Dusk Falls hält mir also durchaus auch den Spiegel vor, was auch sehr spannend ist.
Euch interessieren Spoiler nicht und ihr wollt es genauer wissen? Dann lest die Erklärung in der folgenden Spoilerbox:
Warnung: der folgende Absatz enthält Spoiler
In der Beispielszene läuft Jay zur Scheune, um seinen Vater davor abzuhalten, sich umzubringen. Dieser leidet unter hohen Spielschulden und hat deshalb nicht nur mit seiner Familie zu kämpfen, sondern auch mit Schuldeneintreibern. Sich in der Scheune selbst zu erhängen, sieht er daher als einzige Lösung.
Als Jay müssen wir schließlich entscheiden, ob wir den vor unseren Augen sterbenden Vater retten, indem wir das Seil lösen, oder ob wir ihn sterben lassen. Das ist zum einen der Wunsch des Vaters, zum anderen hat er die Familie so schlecht behandelt, dass es als Akt der Rache genutzt werden kann.
Den Vater zu retten bedeutet allerdings nicht automatisch, dass dadurch alles besser wird. Eher im Gegenteil: Immer wieder erleiden Menschen, die sich das Leben nehmen wollen, bleibende Schäden bei dem Versuch des Suizids.
Weniger ist mehr
Es mag etwas paradox klingen, aber durch den künstlerischen Look und das reduzierte Gameplay fühlt sich As Dusk Falls für mich echter an, als es so manch anderes Spiel mit “realistischer” Grafik tut.
Einigen von euch dürften die Quick-Time-Events (QTEs) und Entscheidungen spielerisch vielleicht zu wenig sein, für mich fühlt sich das aber genau richtig an, um Teil der Geschichte zu sein, ohne mich dabei wie eine passive Zuschauerin zu fühlen. Dadurch ist es immer noch meine Geschichte, es sind meine Fehler, die mir so viel mehr an die Nieren gehen, als es ein Film je könnte. Und genau das macht es so spannend.
Der eigenwillige Grafikstil ist da schon eine andere Sache, letztendlich aber eine große Stärke des Spiels. Die erste Stunde lang hatte ich durchaus meine Probleme damit, dass As Dusk Fall wie einen grob bewegter Comic aussieht. Es hat sich einfach ungewohnt und damit falsch angefühlt.
Wie der Grafikstil in Aktion aussieht, zeigt der Trailer:
Mit der Zeit gewöhnte ich mich aber daran, wodurch der Vorteil des Stils voll zum tragen kommt: Denn durch die reduzierten Bewegungen wird meine Aufmerksamkeit nicht nur mehr auf die gut vertonten Gespräche gelenkt, sondern lassen mich auch Emotionen viel besser wahrnehmen. Ohne aufwendige Animationen der Gesichter können die Gefühle deutlicher und länger dargestellt werden und so auf uns wirken.
Es gibt zwar auch Spiele wie The Last of Us Part 2, die mit Echtzeit-Animationen die Gefühlslage gut rüberbringen, im Fall von As Dusk Falls ist diese Umsetzung aufgrund eines kleineren Budgets aber eine wirklich gelungene Alternative. Hätten die Entwickler*innen hier auf durchgehende Gesichtsanimationen gesetzt, hätten wir vermutlich mit “Gesichtsentgleisung” wie bei Until Dawn rechnen müssen.
Solltet ihr also nur im Ansatz an guten und emotionalen Geschichten interessiert sein, die nicht auf Schwarz-Weiß-Denken setzen, dann schaut euch As Dusk Falls unbedingt an! Selbst wenn ihr den Grafikstil nicht mögen solltet, gebt dem Spiel die Chance, euch mit seiner Story (und dem wirklich tollen Soundtrack) genauso zu packen wie mich. Vor allem im Xbox Game Pass ist es ein Leichtes, es auszuprobieren.
Habt ihr As Dusk Falls vielleicht schon gespielt, oder wollt es nun spielen?
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