Update vom 20.03.2020: Mit dem Release ist das Day One-Patch erschienen, weswegen wir unseren Artikel geupdatet haben. Unter anderem können wir nun mehr über das Zwischenziel des Spiels verraten und euch erklären, was es mit dem Terraforming auf sich hat.
Animal Crossing ist wie Koriander: Manche lieben es, manche meiden es, und wer es noch nicht probiert hat, kann sich nichts darunter vorstellen. Mit Animal Crossing: New Horizons erscheint jetzt der erste Ableger für die Switch und erreicht damit viele, die vorher noch nie mit der Aufbausimulation in Berührung kamen. Gleichzeitig ist da aber auch noch eine riesige Fanbase, die seit Jahren auf einen neuen Konsolenableger der zum Handheld-Dauerbrenner mutierten Reihe wartet. Kann New Horizons beide Fraktionen genauso an den Bildschirm fesseln wie frühere Teile?
Für alle, die so gar nicht wissen, was Animal Crossing ist: Die Lebenssimulation lässt uns ein Dorf aufbauen. Normalerweise bekommen wir dafür vom kaufmännisch begabten Waschbären Tom Nook Land zugewiesen, doch New Horizons auf der Switch versetzt das Geschehen zum ersten Mal auf eine einsame Insel.
Ausgestattet mit nichts als einem Zelt und einem Haufen Schulden, in die wir uns bei Tom Nook für unsere Reise auf das Eiland gestürzt haben, liegt es nun an uns, die unkrautüberwucherte, menschenleere Fläche wohnlich zu machen. Nur so fließen wieder Sternis in unsere Taschen, mit dem wir die Schulden zurückzahlen können.
Was ist das Ziel des Spiels?
Während wir so vor uns hincraften, erfahren wir auch, was in New Horizons am ehesten als Spielziel gelten könnte: Unsere Insel muss besonders schön und herausgeputzt wirken, um einen ganz besonderen Gast anzulocken. Wer das ist, wollen wir euch nicht vorwegnehmen, aber so viel sei gesagt: Er ist anspruchsvoll, wir brauchen also eine strahlend schöne Insel voller aufwendiger Dekorationen. Doch Veteranen wissen Bescheid: Nachdem wir unser Ziel erreicht haben, geht es im Endgame mit zusätzlichem Crafting und neuen Gestaltungsmöglichkeiten erst so richtig los. Vielleicht ist unser Gast also eher ein Zwischenziel.
Dafür bauen wir Häuser, craften Dekorationen und statten unsere Insel mit immer neuem Krimskrams aus, um nach und nach neue Bewohner wie Hamster Dietmar oder Hirsch Benjamin anzuziehen.
Was wie eine seichte Alltagsbeschäftigung klingt, entwickelt sich schnell zu einer Lootspirale mit einem ähnlichen Suchtfaktor wie Diablo 3. Nur häufen wir hier keine tödlichen Waffen an, sondern niedliche Inneneinrichtungen. Denn mit jedem neuen Rohstoff, den wir entdecken, und jedem neuen Bewohner, den wir kennenlernen, vergrößern sich die Crafting-Möglichkeiten.
Neue Bewohner, neues Crafting
Bauanleitungen bekommen wir unter anderem auch von neuen Bewohnern. Die können wir übrigens auch auf unsere Insel locken, in dem wir andere Inseln besuchen, sie dort ansprechen und einladen.
Vom Ast zum Killerroboter in 3 Schritten
Zu Beginn reicht es, ein bisschen Holz zu sammeln, um eine Axt zu craften. Die Axt bringt uns Holz, das Holz Werkzeuge zum Erzabbau und ehe wir uns versehen, sammeln wir eifrig Ressourcen für einen riesigen Kampfroboter. Während wir anfangs noch nicht mal an Kampfroboter gedacht haben, ist ein riesiger, knallroter Mech jetzt das einzige, was wir in unserem Dorfzentrum als Dekoration akzeptieren können.
Damit sollte unsere Obsession eigentlich ein Ende haben. Aber direkt nachdem wir den Riesen stolz platziert haben, schickt uns Melinda eine Bauanleitung für eine Nudelrutsche - und der Kreislauf beginnt von vorn.
Aufeinander aufbauendes Crafting gibt es auch in anderen Spielen. Wieso fesselt uns die Version von Animal Crossing so viel mehr als andere? Unter anderem deswegen, weil wir Animal Crossing so sehr zu unserem Spiel machen können.
Schon zu Beginn erschaffen wir im Charakter-Editor unser Mini-Me, das wir im Verlauf des Spiels mit Haarfarben, Frisuren, und Accessoires von Haarspangen über Brillen bis hin zu Neonleggins an uns anpassen können.
Mindestens genauso individuell ist unser Zelt, beziehungsweise später unser Zimmer. Je mehr Platz wir haben, desto mehr Krimskrams kriegen wir unter. Ein knallrosa Raum mit Schallplatten an den Wänden und einem Fossil auf dem Schrank? Oder doch lieber eine holzgetäfelte Bibliothek mit einem freundlich flackernden Kamin? Alles ist möglich, auch ein kahler Raum mit einem Feldbett in der Mitte und einem Radio auf dem Boden für alle, die lieber draußen als drinnen dekorieren.
Koop und Multiplayer
Für New Horizons könnt ihr online bis zu sieben andere Bewohner auf eure Insel holen. Auch lokal könnt ihr zu viert über eure Insel streifen, einen Nachteil gibt es jedoch: Wie für die Serie üblich müssen sich alle Accounts einer Konsole eine Insel teilen.
Herausforderung im Hyazinthenbeet
Wir können unserer Insel auch wortwörtlich beim Wachsen zusehen. Und damit meinen wir nicht nur die Pfanzen im Hyazinthenbeet, das wir vor unserer Tür angelegt haben. Mit jedem neuen Craftingschritt erweitert sich, was auf der Insel möglich ist.
Aus unserem Zelt wird ein Haus, das Unkraut weicht einem gepflasterten Versammlungsplatz, und überall schießen Hütten und neu gepflanzte Bäume aus dem Boden. Zwar gibt es immer wieder neue Herausforderungen, aber dafür haben wir auch stetig vor Augen, was wir schon alles erreicht haben.
Das Belohnungssystem trägt ebenfalls zu unserer Motivation bei. Alles, was wir tun, bringt uns Meilen ein, die wir auf unserem Nook-Phone sammeln und im Service-Center nicht nur gegen Items, sondern auch Gameplay-Features eintauschen können.
So schalten wir mit den Meilen beispielsweise mehr Frisuren, neue Werkzeuge oder ein größeres Inventar frei. Und wenn sogar Unkrautzupfen mit Bonuspunkten belohnt wird, gibt es eigentlich keine Aufgabe, die zu unwichtig wäre.
Features
Viele Features werden erst mit Laufe des Spiels freigeschaltet. Das Terraforming beispielsweise bekommen wir erst, nachdem wir unseren Gast auf die Insel geholt haben. Damit lassen sich nicht nur Gehwege bauen, sondern auch Flüsse und Teiche erstellen sowie die Größe von Plateaus beeinflussen. Der Baumodus wird als App auf unser NookPhone geladen, die einzelnen Modi (Wegbereitung, Fluss- und Plateaumodifikation) werden mit Nookmeilen freigeschaltet.
Auch die Bewohner loben uns für unsere Mühen: Neue Gebäude werden mit festlichen Reden, Konfetti und viel Applaus eingeweiht. So geschieht es, dass wir über eine fertiggestellte Brücke genauso stolz sein können, wie über einen besonders anspruchsvollen Bosskampf in Sekiro. Nur sitzen wir danach bei Animal Crossing nicht mit vor Anspannung zitternden Fingern fassungslos vorm Bildschirm, sondern genießen das wohlig-warme Stolzgefühl in unserem Bauch.
Bei Rüben hört der Spaß auf
Das heißt aber nicht, dass Animal Crossing nicht auch für Stress sorgen kann. Ironischerweise hauptsächlich, weil manche Dinge einfach ihre Zeit brauchen. Wenn wir unseren Kredit abbezahlt und ein größeres Haus in Auftrag gegeben haben, steht das nicht sofort da. Es braucht einen Tag, und zwar einen echten Tag in unserer Welt. Daran ist auch nicht zu rütteln.
Während wir es von anderen Spielen gewohnt sind, sofort zu kriegen, was wir wollen, zwingt uns Animal Crossing, geduldig zu sein. Zwar gibt es beispielsweise auch in Skyrim eine Nacht, in der Shops geschlossen haben, aber die dauert nur ein paar Minuten und nicht mehrere Stunden. Es heißt also ausharren.
Mechaniken, die uns in Pay2Win-Spielen dazu bringen, die Kreditkarte zu zücken, sorgen hier dafür, dass wir ungeduldig den nächsten Tag erwarten - oder extra früh aufstehen, um den Rübenhändler noch zu erwischen.
Minispiele
In Animal Crossing gibt es immer wieder Minispiele. Mal müssen wir einen Schatz suchen, mal fürs Angeln ein Quicktime Event absolvieren. Manche Spieler würden vielleicht auch die Rübenspekulation als Minispiel bezeichnen.
Dadurch geraten wir teilweise in richtigen Organisationsstress. Es gibt viel zu bedenken: Der Laden der Nooks hat Öffnungszeiten von 8 bis 22 Uhr. Rübenhändlerin Jorna besucht die Insel nur am Sonntagmorgen. Und Geist Buhu schwebt immer nur nachts über die Insel.
Es ist möglich, diese Termine einfach zu ignorieren. Aber dann bekommen wir keine Sternis, können unser Haus nicht abbezahlen oder Geschenke für unsere Freunde kaufen. Und wer kommt uns dann freudestrahlend auf dem Marktplatz entgegen? Niemand. Niemand kommt dann. Nachdem wir die Bewohner selbst auf unsere Insel eingeladen haben, täte es uns in der Seele weh, sie auf diese Art zu enttäuschen.
Denn während wir zusammen mit Hamster Dietmar, Hirsch Benjamin und Ameisenbärin Mathilda unser Inselparadies aufbauen, wachsen sie uns ans Herz. Wir freuen uns, wenn wir sie treffen, und rasen auf der Suche nach Medizin besorgt über die Insel, wenn sie krank sind. Wir fühlen uns für alles, was auf unserer Insel kreucht und fleucht verantwortlich.
Grafisches Makeover
Und was da alles auf unserer Insel passiert! Mit dem Sprung auf die Switch hat Animal Crossing ein grafisches Make-over bekommen, das sich gewaschen hat. Zwar behält das Spiel den gewohnt knubbelig-knuddeligen Stil bei, trotzdem sind gerade Details und Effekte erheblich realistischer.
Regentropfen malen beispielsweise dicke Kreise in die Seen, eine Insektenpuppe lässt sich an einem dünnen Faden von einem Ast herunter, und Gottesanbeterinnen staksen auf langen Beinen durch unser Blumenbeet.
Der verstärkte Realismus besorgte im Vorfeld übrigens die Serienveteranen mehr, als dass er sie freute. Was mit Kniekehlen in vorher konturlosen Beinen beginnt, könnte schließlich in hyperrealistischen Tierbewohnern gipfeln, die letztendlich nichts mehr vom Animal Crossing Charme versprühen. Doch diese Sorge ist unbegründet. Die Bewohner bleiben ihr quietschbuntes, individuelles Selbst.
Tatsächlich hat sich eher ihre Textur geändert, die jetzt an geflockte Sammelfiguren erinnert und so kuschelig wirkt, dass wir durch den Bildschirm durchgreifen und testen wollen, ob sie wirklich so fluffig-weich sind, wie sie aussehen.
Animal Crossing sieht aber nicht nur unheimlich schick aus. Mit seinem vielschichtigen Craftingsystem, massig Sammel- und Entdeckungsmöglichkeiten und kunterbunten Bewohnern beweist es auch, dass keine stundenlangen Bosskämpfe oder gewaltigen Explosionen nötig sind, um Spieler an den Bildschirm zu fesseln. Eine Insel, ein Zelt und eine Schaufel reichen völlig aus. Und vielleicht ein rot lackierter Kampfroboter.
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