Was wäre, wenn? Diese Frage hat sich wohl jeder schon einmal gestellt. Was wäre, wenn sich das eigene Erbgut anders verknotet hätte und man als Frau geboren worden wäre statt als Mann (oder umgekehrt)? Wie sähe die Welt heute aus, wenn die Anschläge vom 11. September verhindert worden wären?
Solche Gedankenspiele faszinieren auch Schriftsteller wie den Engländer Robert Harris. Der beschäftigt sich in seinem 1992 erschienenen Roman »Vaterland« mit der Frage, was denn gewesen wäre, wenn Deutschland den zweiten Weltkrieg gewonnen hätte - und lässt den Leser an der imaginären 75. Geburtstagsfeier von Adolf Hitler teilhaben.
Alternativweltgeschichte (so der Fachausdruck) mit Nazis ist auch in Wolfenstein: The New Order angesagt. Darin wird allerdings nicht gefeiert, sondern gefeuert. Als einziges deutsches Magazin haben wir den schwedischen Entwickler MachineGames besucht und den Shooter angespielt.
Der Executive Producer Jerk Gustafsson und sein Team begrüßen uns in ihrem Studio direkt über einem Einkaufszentrum im beschaulichen Uppsala, 70 Kilometer nördlich von Stockholm. Nicht unbedingt der Ort, an dem man die virtuelle Verwirklichung von Hitlers Allmachtsfantasien vermuten würde. »Wir wollen Wolfenstein mit The New Order einen neuen Anstrich geben«, erzählt Gustafsson. Deshalb setzen die Entwickler diesmal nicht während des zweiten Weltkriegs an, sondern danach: Der Faschismus hat triumphiert, Deutschland die Welt unterjocht.
Gewaltige Kuppelbauten ragen in den Berliner Himmel, weite Teile der Erde zittern unter der deutschen Terrorherrschaft. Ermöglicht haben den Sieg des Bösen vor allem neue Technologien, an denen die Nazis in geheimen Forschungslaboren getüftelt haben - teils mit grausamen Menschenversuchen. So stapfen futuristische Kampfroboter durch die Straßen und deutsche Soldaten schwingen Waffen, die man eher in einem Science-Fiction-Shooter erwarten würde. Sogar der erste Mensch auf dem Mond ist ein Nazi. Kampfroboter? Raumfahrt? Ja, da ist er wieder, der »Over the Top-Twist« von Wolfenstein.
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Die Deutsche Version
Wolfenstein. Ein Begriff, der deutschen Jugendschützern Schweißperlen auf die Stirn treibt. Schließlich sind die bisherigen Teile der Serie hierzulande nur in stark geschnittener Form oder gar nicht erschienen. Kein Wunder, drehten sich die Shooter doch immer um den zweiten Weltkrieg, Nazis sowie mysteriöse Technologien und Okkultismus, außerdem prangten an jeder Ecke Hakenkreuze und Runen. Deshalb geht auch Wolfenstein: The New Order den entschärften Weg. Der Titel soll in Deutschland erscheinen, aber natürlich ohne verfassungsfeindliche Symbole, die Gegner heißen schlicht "Das Regime". Der Rest des Spiels soll dagegen komplett unangetastet bleiben.
14 Jahre Koma
Das Szenario klingt nach Alternativwelt-Ballertrash und mehr erwarten wir von einem Wolfenstein auch gar nicht. Allerdings soll der Story diesmal eine größere Bedeutung zukommen. Eine so große, dass die Entwickler gar nicht von einem Shooter sprechen, sondern von einem »Story-driven First-Person Action-Adventure«. Danke, diese Begriffe hatten uns beim Marketingphrasen-Bingo noch gefehlt! Denn natürlich bleibt Wolfenstein: The New Order ein reinrassiger Shooter, der diesmal eben etwas mehr erzählen soll als die Vorgänger - was nach deren platten »Baller die Nazis weg«-Geschichten auch nicht sonderlich schwierig wird. The New Order spielt im Jahr 1960, also 15 Jahre nach dem alternativen Ende des zweiten Weltkriegs.
Der Hauptcharakter? Na klar, der amerikanische Spezialagent B.J. Blaskowicz, wer sonst? Allerdings ist B.J. zunächst nicht der knallharte Held, sondern bekommt im Prolog des Spiels (der 1946 spielt und von dem wir in Schweden noch nichts zu sehen bekommen) ordentlich was auf den Deckel.
Schwer verletzt wird er an die polnische Küste geschwemmt und in ein Krankenhaus gebracht. Dort liegt er 14 Jahre im Koma, während um ihn herum der gesamte Globus in den Nazi-Abgrund strudelt. Ehrensache, dass sich der wieder erwachte Blaskowicz direkt dem weltweiten Widerstand anschließt. »Die Erkundung der bizarren Welt ist ein großes Thema in The New Order«, bekräftigt Jerk Gustafsson. Um dann anzufügen: »Neben der ganzen Action natürlich«.
Das heißt nun aber nicht, dass uns hier eine Art Nazi-GTA mit offener Welt erwartet. Natürlich muss B.J. in Wolfenstein: The New Order hauptsächlich durch lineare Levels stürmen und möglichst viele Nazi-Schergen aus den Springerstiefeln pusten. Die Schauplätze sind den Entwicklern zufolge über den ganzen Erdball verstreut, schließlich haben die Deutschen ein globales Imperium errichtet.
Die an sich lineare Ballerei soll The New Order immer wieder durch Fahrzeugabschnitte auflockern, unter anderem muss B.J. in den polnischen Bergen auf einem Motorrad vor den Nazis flüchten oder die Katakomben von Berlin mit einem Mini-U-Boot erkunden - klingt irgendwie nach James Bond.
Ähnlich wie 007 kämpft Blaskowicz zudem nicht allein. Als erste Verbündete präsentieren uns die Entwickler Anja, eine zierlich-brünette Schönheit. Die polnische Krankenschwester päppelt Blaskowicz auf und tritt später mit ihm in den Widerstand ein. Doch damit genug des Vorgeplänkels, wir wollen endlich mal etwas vom Spiel sehen! Bevor wir aber selbst Hand anlegen können, spielen uns die Entwickler erst mal eine Szene vor.
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