Environmental Storytelling - Dieser Zungenbrecher steht für eine simple sowie geniale Technik, die viele Entwickler*innen nutzen, um Geschichten zu erzählen: Statt uns Cutscenes oder Erzähler*innen anzuvertrauen, hinterlassen sie Hinweise in der Spielwelt, anhand denen wir uns das Geschehen selbst herleiten müssen. Warum ich das gerade für Horror-Spiele sehr passend finde, erkläre ich hier.
Die Frage nach dem Wie
Am Anfang steht ein*e Autor*in mit einer Story, die irgendwie transportiert werden muss. Naheliegend erscheint es zunächst mal, diese Geschichte ganz direkt - entweder mithilfe von Text oder filmischen Szenen - in das Spiel zu integrieren.
Beides hilft dabei, das Geschehen sehr klar abzubilden. Man kann sich darüber streiten, ob das immer von Vorteil ist, denn natürlich habe ich als Spielerin den Drang, zu verstehen, was da vor sich geht, aber gerade im Horror-Genre finde ich es großartig, wenn ich das selbst herausfinden darf. Aber gehen wir doch etwas anschaulicher an die Sache heran:
Ein Beispiel für verschiedene Erzähltechniken
Nehmen wir mal an, wir sind in einem alten Schloss unterwegs. Im Arbeitszimmer wurde der Schlossherr von einem Monster gepackt. Sein Hinterkopf wurde an der Wand zerschmettert. Anschließend hat das Monster ihn weggezogen. Nun könnte uns das Spiel das Ereignis einfach als Cutscene präsentieren.
Alternativ könnten Augenzeugen das Geschehen in Form von Briefen oder Audiologs wiedergeben. Klare Sache. Environmental Storytelling bedeutet, dass wir stattdessen den Raum betreten und uns den Tathergang anhand der hinterlassenen Spuren selbst zusammenreimen: Blutspritzer vom Aufschlag des Schädels an der Wand, Schleifspuren, eine gerahmte Urkunde, die nahelegt, wer das Opfer war. Wie Tatortermittler*innen lesen wir die Zeichen.
Welche Vorteile hat das?
Natürlich wird die Geschichte dadurch geheimnisvoller. Meist bleibt Raum für eigene Spekulationen, womit ich meine ganz eigene Horror-Erfahrung bekomme. Wichtig ist dabei jedoch, dass meine Interpretation der Ereignisse grob dem entspricht, was die Entwickler*innen im Sinn hatten. Sonst wird es beliebig.
Samara Summer
@Auch_Im_Winter
Samaras Faszination für Horror-Games keimte bereits in den 90ern auf, als Monster aus faustgroßen Pixeln noch gruslig waren. Sie begeistert sich für Blockbuster-Titel, hat aber auch ein Herz für innovative und ungewöhnliche Indie-Spiele. Als Roman-Autorin beschäftigt sie sich zudem ständig mit verschiedenen Erzähl-Techniken. Dabei betrachtet sie nicht nur den Buch-, sondern gerne auch den Videospiel-Sektor.
Darum muss jeder Winkel der Spielwelt perfekt in Szene gesetzt sein. Gelingt dieses Kunststück, so wird die Welt fast schon selbst zum Protagonisten. Und ich bin gezwungen, mich detailliert mit ihr auseinanderzusetzen und aktiv zu erkunden. Dagegen kann eine Cutscene mich schon mal rausreißen und faul werden lassen, weil sie mich zur Zuschauerin degradiert.
Für Environmental Storytelling gibt es im Horror-Bereich viele gute Beispiele
Resident Evil 7 präsentiert uns beispielsweise das Baker-Anwesen in gleich mehreren Stadien: Wir erleben es so, wie Ethan es auf der Suche nach Mia vorfindet, beim Spielen der Videokassette aber auch, wie es sich dem Filmteam zuvor gezeigt hat, und im Töchter-DLC, wie es aussah, bevor das Übel seinen Lauf nahm. Veränderte Details tragen zur Geschichte bei.
Environmental Storytelling ist großartig, aber funktioniert nicht immer
Manchmal sind Cutscenes und ähnliches doch wichtig, um komplexe Zusammenhänge zu verdeutlichen. Aber das eine schließt das andere ja auch nicht unbedingt aus. Zudem gibt es viele Mischformen, wie beispielsweise wenn Protagonist Simon in SOMA das, was er sieht, kommentiert und somit als zusätzlicher Erzähler fungiert.
Welche guten Beispiele aus dem Horror-Genre fallen euch zum Thema Environmental Storytelling ein?
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.