Warum Spieleübersetzung schwer ist - Das Stochern im Dunkeln

Immer wieder müssen wir uns über schlecht übersetzte Spiele ärgern. Der freie Übersetzer Kai Wichmann weiß, warum - und räumt auf mit Vorurteilen.

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Für Spieleübersetzer ist der Winter eine eher ruhige Zeit. Die geschäftige Weihnachtssaison ist vorbei; Nachlieferungen und Addons gestalten sich meist weniger turbulent als die Hochphase von April bis November. Endlich bleibt Zeit, sich auch mal mit der Kritik der Spieler und der Presse auseinanderzusetzen.

Manchmal gibt es Lob für die Übersetzung und manchmal eben Tadel. Solange sich beides die Waage hält, sollte man damit zufrieden sein. Als sprachlicher Dienstleister ist es meiner Erfahrung nach unmöglich, es immer allen recht zu machen. Was mich aber auch nach zehn Jahren als Übersetzer für Rollenspiele sowie Sport-, Action-, und Adventure-Titel immer noch ärgert, sind die falschen Voraussetzungen, auf denen die Kritik oftmals fußt. Deshalb möchte ich versuchen, ein wenig Klarheit in die Arbeitsweise von Übersetzern zu bringen.

Die meisten Übersetzungen werden nicht direkt vom Publisher organisiert, sondern von Agenturen. Die erhalten vom Hersteller die englischen Texte und beauftragen dann freie Übersetzer wie mich, die Passagen in die Zielsprachen zu übersetzen. In der Regel sind das die so genannten FIGS, also Französisch, Italienisch, Deutsch und Spanisch. Da die Spiele und damit die Textmengen in den letzten Jahren oft zu groß geworden sind, um sie im engen Zeitrahmen alleine zu übersetzen, bin ich fast immer Teil eines Teams, dessen Mitglieder ich manchmal selbst rekrutiere.

Der Autor
Kai Wichmann lebt in Hamburg-Altona und übersetzt neben Videospielen auch andere Multimedia-Produkte, Presse- und Tourismustexte, Marketingtexte, Texte für den Bereich der Consumer Electronics sowie gelegentlich Non-Profit-Filme in den Sprachen Englisch und Deutsch. Er hat zusammen mit Commander Shepard stundenlang an Bord der SSV Normandy über den Mass Effect gegrübelt, den Dragon Quest-Einwohnern von Labskausen die plattdeutsche Sprache näher gebracht, mit Neo den zermürbenden Weg durch die Matrix bestritten und mit dem Ork-Schamanen Wazog gelitten, wenn dieser den Warhammer auspackte und ihm infolge zu vieler konsumierter psychedelischer Pilze wieder einmal der Kopf explodierte. Ein wenig mehr unter: UEKW.de

Die falschen Vorurteile

Nun gehen nicht nur in meinem privaten Umfeld viele Leute davon aus, dass Übersetzer ein Spiel vor der Veröffentlichung spielen und die Texte gemütlich nebenbei übersetzen dürfen. Ein absurder Irrglaube, denn wir bekommen das Spiel oder auch nur Teile davon während der Übersetzungsphase so gut wie nie zu sehen. Weil sich die Titel in aller Regel noch in der Entwicklung befinden, müssen wir mit schnöden Textdokumenten für Dialoge, Handbücher und Ähnlichem vorlieb nehmen. Wenn wir die Originaltexte im Zusammenhang oder unsere übersetzten Texte wirklich mal »live« im Spiel sehen oder hören wollen, müssen wir uns das Programm nach der Veröffentlichung eben kaufen.

Fragt sich, wie man als Übersetzer dann die mitunter komplexen Geschichten überblicken soll? Zwar bekommen wir vom Hersteller manchmal hilfreiches Referenzmaterial wie bereits übersetzte Vorgängerspiele, ein Glossar mit wichtigen Begriffen und eine Beschreibung des Spiels, der Charaktere und der Story. Aber wenn solche Hilfsmittel nicht oder viel zu spät zur Verfügung gestellt werden, bleibt uns nur noch, im Internet zu recherchieren und auf hoffentlich verlässliche Informationen zu stoßen.

Zudem sind die Texte nur selten chronologisch geordnet oder durch Kommentare erläutert, sodass man beim Übersetzen der vielen Quests oder Nebenquests oft gar nicht genau weiß, was gerade geschieht. Es fehlen visuelle oder akustische Anhaltspunkte, um zum Beispiel Gesten einzubeziehen oder auch nur zu erahnen, worauf die Antwort folgt, die übersetzt werden soll. Wenn etwa ein Charakter von einem »Threat« spricht, meint er dann eine (womöglich leere) »Drohung« oder eine »Bedrohung«, also eine Gefahr?

Zero Wing
Dass Spiele dank einer schlechten Übersetzung auch zum Klassiker werden können, beweist kein Titel besser als Zero Wing. Als Sega das (an sich unbedeutende) Arcade-Ballerspiel für das Sega Mega Drive 1991 ins Englische übersetzte, prangte bereits im Intro der grammatikverachtende Satz :»All your base are belong to us.« Um das Jahr 2000 herum avancierte die Stilblüte dann zum Internet-Kult. Blizzard etwa versteckte sie als Cheatcode in Warcraft 3, Youtube begründete Wartungsarbeiten mit: »All your video are belong to us.«

Aus dem Kontext gerissen

Der mitunter schwer nachvollziehbare Zusammenhang der Texte erklärt sich oft damit, dass der Übersetzungsprozess parallel zur Entwicklung des Spiels, also auch der Geschichte, verläuft, sodass wir meist bunt gemischte Passagen aus den unterschiedlichsten Bereichen des Spiels erhalten, mal vom Ende, mal vom Anfang, mal aus einem Menü, mal aus dem Handbuch.

Der Rundenstrategie-Klassiker Civilization 2 war legendär schlecht übersetzt. Der Rundenstrategie-Klassiker Civilization 2 war legendär schlecht übersetzt.

Da kann sich »space« mal auf den Weltraum, mal auf die Leertaste beziehen - und wir müssen hoffen, dass der Kontext ausreicht, um die richtige Bedeutung zu erschließen. Noch dazu sind gerne mal noch Unklarheiten enthalten, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Es ist nämlich keineswegs so, dass die Texte grundsätzlich final und in perfekt verständlichem Englisch vorliegen, sondern sich die englische Ausgangsversion oftmals ebenfalls noch in der Entwicklung befindet und kleinere oder größere Ungereimtheiten enthalten kann.

Diese Ungereimtheiten haben mehrere mögliche Ursachen. Manchmal sind bereits die englischen Texte unglücklich aus zum Beispiel asiatischen Sprachen übersetzt. Oder die Originalautoren standen unter vergleichbarem Zeitdruck wie wir Übersetzer und mussten noch in letzter Minute ganze Passagen ändern. Oder die englischen Texte wurden gleich von Programmierern geschrieben, deren Muttersprache nicht Englisch ist.

Zusammen mit der teils unkoordinierten Einreichung der Texte zur Übersetzung ist der eigentlich Sinn der Passagen mitunter kaum noch durchschaubar. In diesen Fällen sind die Übersetzer auch so etwas wie Testleser und können im Bestfall dafür sorgen, dass die Originaltexte noch einmal verbessert oder zumindest besser übersetzt werden. Oft genug stochern wir aber im Dunkeln und hoffen, dass sich im Verlauf unserer Arbeit ein stimmiges Gesamtbild ergibt.

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