Schon seit zehn Jahren gelten Videospiele in Deutschland offiziell als Kulturgut. Doch eine endgültige Gleichstellung mit anderen Medien wie Filmen und Musik gab bisher noch nicht, denn während beispielsweise in Kinofilmen Hakenkreuze zu sehen sind, gilt in Videospielen ein generelles Verbot von verfassungswidrigen Symbolen.
Neue Rechtsauffassung erlaubt verfassungswidrige Symbole in Einzelfällen
Das ändert sich jetzt: Wie die USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) und "game - Verband der deutschen Games-Branche", bekannt gegeben haben, wird bei der Altersfreigabe von neuen Videospielen zukünftig die sogenannte Sozialadäquanzklausel (§ 86a StGB) angewandt.
Die gilt für andere Medien schon länger und befreit in Einzelfällen vom Darstellungsverbot verfassungswidriger Symbolik. Möglich gemacht wurde dies durch eine veränderte Rechtsauffassung der zuständigen Obersten Landesjugendbehörde, die wiederum auf der Grundlage aktueller rechtlicher Bewertungen steht.
Darf jetzt jedes Videospiel Hakenkreuze abbilden?
Nein, dürfen sie nicht: Verfassungswidrige Symbole bleiben auch in Zukunft verboten, daran ändert sich nichts. Allerdings erlaubt die neue Rechtsauffassung, dass Videospiele im Einzelfall unter denselben Gesichtspunkten betrachtet werden wie Kinofilme oder andere Medien, in denen Symbole wie Hakenkreuze, SS-Runen oder ähnliches dargestellt werden.
Die Entscheidung, ob ein Spiel in Deutschland veröffentlicht werden darf, liegt weiterhin bei den USK-Gremien. Anstatt aber von vornherein eine Altersfreigabe aufgrund verfassungswidriger Symbole abzulehnen, darf nun entschieden werden, ob hier die Ausnahme im Sinne der oben genannten Sozialadäquanzklausel gilt.
Neuveröffentlichung von CoD oder Wolfenstein?
Kolumne: Wo die Darstellung von Nazi-Symbolen Mehrwert schafft - und wo nicht.
Und wann greift die Ausnahme?
Ob die Inhalte eines Videospiels als sozialadäquat gelten, hängt vom Kontext und den Intentionen ab, die das Spiel rahmen. Die USK definiert Sozialadäquanz nach folgenden Gesichtspunkten:
"Sozialadäquat bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen in einem Titel verwendet werden können, sofern dies der Kunst oder der Wissenschaft, der Darstellung von Vorgängen des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient."
Und was bedeutet das für CoD, Battlefield & Co.?
Es muss Sinn ergeben: Bei Verharmlosung oder Verherrlichung von rechtsradikalen Inhalten wird die USK weiterhin die Altersfreigabe verweigern. Im Falle von historischen Darstellungen wie bei First Person-Shootern, die im Zweiten Weltkrieg spielen, gibt es zukünftig aber die Möglichkeit der Ausnahme.
Dies würde bedeuten, das in Deutschland auch die internationale Fassung von Videospielen veröffentlicht werden darf. Extra angefertigte Schnittfassungen, die wie im Falle von Wolfenstein 2: The New Colossus teilweise den gesamten Inhalt neu kontextualisieren, wären damit nicht mehr nötig.
Können ältere Spiele jetzt auch ungeschnitten verkauft werden?
Ja, im Grunde schon: In der Theorie steht es Publishern in Zukunft offen, die ungeschnittene Version älterer Videospiele erneut bei der USK einzureichen. Eine Garantie für die Altersfreigabe gibt es aber auch jetzt nicht. Außerdem bedeutet dies auch bürokratischen und finanziellen Aufwand, den manche Unternehmen scheuen könnten, wenn der Markt eigentlich ohnehin schon versorgt ist.
Videospiele im kulturellen Sinne endlich gleichberechtigt
Felix Falk, Geschäftsführer von game, begrüßt die neue Rechtsauffassung und sieht sie als wichtigen Schritt für das Kulturmedium Games in Deutschland. Endlich könne die Branche zu anderen Mediengattungen aufschließen sowie "gleichberechtigt und ohne Ausnahme am gesellschaftlichen Diskurs" teilnehmen.
Videospiele tragen Verantwortung: Die sei vor allem deshalb wichtig, weil auch Videospiele viel Verantwortung hinsichtlich gesellschaftlicher Entwicklungen tragen und tragen wollen:
"Als GamesBranche sehen wir mit Sorge die Tendenzen zu Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung. Wir stehen klar zu einer offenen und integrativen Gesellschaft, den Werten des Grundgesetzes und der historischen Verantwortung Deutschlands.
Viele Spiele von engagierten und kreativen Entwicklerinnen und Entwicklern behandeln schwierige Themen wie die Zeit des Nationalsozialismus und gehen damit sehr verantwortungsvoll, kritisch und zum Nachdenken anregend um.
Insbesondere Games tragen auf einzigartige Weise durch ihre Interaktivität zur Reflektion und Auseinandersetzung bei und erreichen wie kein anderes Medium auch junge Generationen."
In eigener Sache: Die Webedia Gaming GmbH, das Medienhaus hinter GameStar und GamePro, ist Mitglied im game-Verband.
Was haltet ihr von dieser Entscheidung?
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