Weniger Söldner, mehr Indiana Jones
Vielleicht finden wir die Antwort darauf in Uncharted und Tomb Raider selbst. Sie beide schaffen es, uns auch Action abseits der Kämpfe zu präsentieren. Sei es durch besonders spannende Kletterpassagen und dem Kampf gegen schwindelerregende Höhen, Fluchtsequenzen auf zusammenbrechenden Brücken oder aus brennenden Gebäuden oder einem immer näher kommenden Zeitlimit. Diese Elemente dienen mehr oder weniger nur der Unterfütterung der Handlung, liefern aber oft imposante Inszenierungen, die eher im Gedächtnis bleiben als das 34573te Schussgefecht gegen Söldner.
Eine andere Möglichkeit wäre es, den Fokus nicht auf Action, sondern auf Adventure zu legen. Es hat gute Gründe, warum Archäologin Lara Croft auch als "Tomb Raider" bezeichnet wird, denn ihre Spiele sind voller Rätsel. Gerade ihr Post-Reboot-Leben beeindruckt mit Umgebungsrätseln, an denen sich auch Nathan Drake und zuletzt Chloe Frazer in Uncharted: The Lost Legacy ein Beispiel genommen haben. Sie kombinieren verschiedene Mechaniken mit einer Prise Gehirnschmalz und bieten so eine Abwechslung, die im Genre sonst leider viel zu kurz kommt.
Zum Abenteuer gehört aber bekanntlich auch das Erkunden und Entdecken und gerade Uncharted 4 hat tolle Vorarbeit geleistet, was das angeht. Anstatt die Karten auf eine gigantische, aber leere offene Welt zu setzen, öffnete sich A Thief's End im Vergleich zu den Vorgängern zwar, setzte dabei aber auf Qualität statt auf Quantität. Nebenmissionen oder Quests sucht ihr in dem linearen Action-Adventure vergeblich, stattdessen könnt ihr nach Herzenslust die Umgebung untersuchen und mehr über die Welt erfahren. Diese ist so detailreich und liebevoll gestaltet, dass sie sich auf ihre Weise realistischer und lebendiger anfühlt als die offenen Welten manch anderer Spiele, die uns mit Möglichkeiten nur so überschütten. Das heißt nicht, dass zwangsläufig alle Action-Adventures linear verlaufen sollten, allerdings könnten sie sich ein Beispiel an der Sorgfalt nehmen, die Uncharted 4 und das sogar noch offenere The Lost Legacy hier an den Tag legen und die so digitale Abenteuerlust wecken, wie kaum ein anderes Spiel.
Wenn wir mittlerweile über Adventures sprechen, unterscheiden wir vor allem zwischen Point & Click- oder "klassischen" Adventures und Action-Adventures. Aber warum werden diese beiden eigentlich nicht häufiger verbunden? Ein wenig mehr Indiana Jones and the Fate of Atlantis würde vielen modernen Abenteuerspielen sicherlich gut tun: Durch die Welt reisen, Artefakte und Hinweise sammeln und diese dann kombinieren, um Aufgaben zu lösen, anstatt sie zwischen Schussgefechten auf dem Silbertablet präsentiert zu bekommen. Indy hätte sowieso mal ein Revival verdient.
Wollen wir Action-Adventures ohne Kämpfe?
Die Frage, die sich bei der Überlegung nach kampffreien Action-Adventures zwangsläufig aufdrängt ist: Wollen wir das überhaupt? Wollen wir ein Uncharted, in dem Nathan Drake (oder Chloe Frazer) nicht gegen Söldnerhorden kämpft, um vor ihnen einen kostbaren Schatz zu erreichen? Wollen wir mit einer waffenlose Lara Croft Grabstädten erkunden in der Sicherheit, dass nichts hinter der nächsten Ecke lauert, weil wir uns ja schließlich sowieso nicht wehren können?
In diesen beiden Fällen ist zumindest meine Antwort: Nein. Beide Reihen werden genau für das geliebt, was sie bieten und haben sich bereits viel zu gut etabliert, um noch etwas so Einschneidendes an der Formel zu ändern. Ich würde nie Bosskämpfe wie Laras Auseinandersetzung mit Baba Yaga oder die fantastische Auto-Sequenz in Uncharted 4: A Thief's End, die zu den am besten inszenierten Action-Sequenzen der Reihe gehört, missen wollen. Ich liebe jede Möglichkeit, die mir einen Bogen oder eine Sniper Rifle in die Hand drückt ebenso wie aus dem Schatten heraus zuzuschlagen, um ein Camp voller Söldner nach und nach auszuschalten.
Das bedeutet aber nicht, dass diese Spiele als absolute Blaupause für andere Action-Adventures verwendet werden müssen. Ich bin großer Fan des Genres und hätte gern mehr Spiele dieser Art - allerdings hätte ich auch gern mehr Abwechslung oder zumindest Optionen, sich ständig wiederholende Passagen ohne inhaltlichen oder spielerischen Mehrwert zu überspringen.
Die ehemalige BioWare-Autorin Jennifer Hepler schlug vor ein paar Jahren die Möglichkeit vor, Kämpfe in Spielen skippen zu können, wofür ihr jede Menge Hass entgegen schlug. Während ich das zwar für eine interessante Option halte, die in der Light-Version bereits durch den Explorer Mode in einigen Titeln integriert ist, wäre es in diesem Fall auch ein wenig wie mogeln. Die Kämpfe wären noch immer da, nur eben versteckt.
Ob Action-Adventures überhaupt ganz ohne sie funktionieren könnten, werden wir vielleicht nie erfahren, denn dafür müsste jemand den ersten Schritt wagen und es versuchen. Die Angst zu scheitern dürfte allerdings bei den meisten Entwicklern viel zu hoch sein. Digitale Schussgefechte sind vertraut, sie bieten Sicherheit. Vielleicht bleibt es also nicht mehr als ein Gedankenexperiment, aber es ist immerhin ein spannendes "Was wäre wenn"-Szenario, mit dem ich mich beschäftigen kann, während ich mich durch die nächste Söldnergruppe schieße.
Dieser Artikel erschien zuerst am 7. Juli 2017 bei gamespilot.de und wurde für die Neuveröffentlichung überarbeitet.
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