Seite 2: Unbequeme Entscheidungen in Spielen - Kein dritter Weg

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Spielend einfach

Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga hat die Idee des »homo ludens« geprägt, die besagt, dass Menschen aus Spieleerfahrungen generelle Verhaltensweisen ableiten.

Im Adventure Hilfe für Amajambere (1995) kombinieren Sie Gegenstände, um die Not in der Sahelzone zu lindern. Im Adventure Hilfe für Amajambere (1995) kombinieren Sie Gegenstände, um die Not in der Sahelzone zu lindern.

Sollte dem so sein, sind wir von unseren Videospielen bisher zu oft betrogen worden. Gerade von Spielen aus dem Edutainment-Bereich, die uns doch eigentlich etwas beibringen sollten.

In den 1990ern waren Spiele dieser Art sehr beliebt: Dunkle Schatten (1994) hat uns gelehrt, dass der durchschnittliche Nazi-Sympathisant mit wenigen warmen Worten von den Vorzügen multikultureller Gesellschaften zu überzeugen ist, weil ihm ja gar nicht klar ist, wofür Nazi-Ideologie steht.

Hilfe für Amajambere (1995) brachte uns bei, dass in Failing States in der Sahelzone nur endlich Europäer ein paar Gegenstände miteinander benutzen müssen, um Lebensqualität und Demokratie zu sichern. So einfach ist das dann doch nicht.

Hidden Agenda
In Hidden Agenda von 1988 führen Sie die fiktive Bananenrepublik Chimerica als erster gewählter Präsident, nachdem ein Aufstand die Diktatur beendet hat. Im Grunde besteht das Spiel aus einer Abfolge von (selbst einberufenen) Treffen mit Interessenvertretern von armen Bauern und reichen Großgrundbesitzern über die Botschafter der USA und der Sowjetunion bis hin zu Militärs und Friedensaktivisten.

Deren Forderungen lassen sich unmöglich unter einen Hut bringen, noch dazu bricht Hinterland schnell eine blutige Konterrevolution aus. In diesem Chaos kann man selten »richtige« Entscheidungen treffen, sondern allenfalls versuchen, möglichst wenig Unheil anzurichten. Hidden Agenda gilt als ein Wegbereiter der Initiative »Games for Change«, die Serious Games unterstützt, die sich einen sozialen zum Ziel setzen.

Verlogener Mittelweg

Das »Lügen« gilt aber nicht nur für Edutainment-Spiele. H.L. Mencken, der Pate des amerikanischen Zynismus, schrieb einmal: »Für jedes komplexe Problem gibt es eine Antwort, die schlicht, einfach und falsch ist.« Und diese Lösung ist der dritte Weg, den Spiele anbieten, um uns als Spieler nicht zu frustrieren.

Im Adventure Dunkle Schatten (1994) reden Sie Rechtextremen ihre Ideologie einfach aus. Im Adventure Dunkle Schatten (1994) reden Sie Rechtextremen ihre Ideologie einfach aus.

Als Beispiel diene hier die Mass Effect-Reihe: Solange ich meinen Rede-Skill hoch genug halte oder konsequent einer Ideologie folge (dankenswerter farbig gekennzeichnet, denn rein inhaltlich sind die Ideologien längst nicht so kohärent, wie Bioware zu glauben scheint), habe ich an fast keiner Stelle im Spiel eine wirklich unangenehme Entscheidung zu treffen.
Selbst einen seit Generationen andauernden Krieg zwischen einer Alien-Rasse und den von ihnen geschaffenen Maschinen kann ich beenden, indem ich nur höflich oder laut genug den Anführern mal den Marsch blase. Da ist Mass Effect plötzlich ganz nah dran an Dunkle Schatten.

Wirklich unbequeme Entscheidungen - lasse ich im Krieg Zivilisten sterben, damit die Armee Medikamente erhält und so in der Gesamtheit mehr Zivilisten retten kann? - werden spielerisch an den Rand gedrängt und haben keine wirklichen Auswirkungen auf Spielverlauf oder Ende. Der überwiegende Eindruck bleibt: Es gibt keine Situation, die so vertrackt ist, dass sich nicht ein Kompromiss finden lässt, durch den am Ende alles besser wird. Da sage noch einer, dass in Gefahr und größter Not der Mittelweg den Tod bringe.

Erzwungene Entscheidung

Bioware kann natürlich auch anders, wie Dragon Age und sogar das spielerisch durchwachsene Dragon Age 2 bewiesen. In Letzterem wird man als Spieler am Ende vor die Wahl gestellt, entweder der Gruppe der verfolgten und gegängelten Magier zu helfen oder den Fanatikern, die Magier verfolgen.

Dragon Age (2009) erfordert teils Entscheidungen ohne goldenen Mittelweg – gut so! Dragon Age (2009) erfordert teils Entscheidungen ohne goldenen Mittelweg – gut so!

Beide Seiten haben triftige Gründe, warum man sie unterstützen sollte: Einerseits ist Diskriminierung natürlich nicht tragbar. Andererseits werden die Magier diskriminiert, weil das sehr große Risiko besteht, dass Dämonen von ihnen Besitz ergreifen und dann die ganze Welt in den Abgrund reißen. Beide Zielsetzungen lassen sich kaum vereinbaren, und versucht man die übliche Route des Ausgleichs zu gehen, den ehrlichen Makler zu geben, dann zieht das Spiel dem Spieler den Teppich unter den Füßen weg und erzwingt die Entscheidung für eine Seite. Da dies allerdings nicht einmal auf den Abspann eine echte Auswirkung hat, bleibt abzuwarten, ob es Dragon Age 3 tatsächlich beeinflusst.

Dragon Age lehrt seine Spieler derweil, dass moralisch korrektes Handeln nicht zwangsläufig zum besten Ende führt. In der herrscherlosen Zwergenstadt Orzammar kann man den anständigen, rechtmäßigen Erben auf den Thron hieven oder einen hinterhältigen Intriganten, der zum Erreichen seiner Ziele auch vor Mord nicht zurückschreckt. Der Abspann informiert uns, dass es dem Allgemeinwohl in der Zwergenhauptstadt zuträglicher ist, den Intriganten zum König zu machen, da der weiß, wie er die Interessen Orzammars politisch durchsetzen kann. Machiavelli wäre stolz auf Bioware.

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