Trumpfkarte Herzkönigin
Trotzdem haben wir nie die Motivation verloren, denn Thronebreaker lebt nicht nur von seiner Spielmechanik. Weil mehrere Autoren von The Witcher 3 an Bord sind, erzählt es auch eine erstklassige Story. Weniger eindrucksvoll inszeniert natürlich, wir reden hier ja von einem Kartenspiel für 25 Euro. Viele Quests erleben wir einfach über illustrierte Textfenster.
Nur Schlüsselmomente untermalt Thronebreaker mit spärlich animierten sprechenden Figuren oder schmucken, aber kurzen Zeichentrickvideos. Alles aber voll und exzellent vertont, sogar auf Deutsch - in so textlastigen RPGs keine Selbstverständlichkeit.
Und die Witcher-Autoren wissen selbst mit Textfenstern noch zu glänzen: Thronebreaker ist klasse geschrieben. Es erzählt die fesselnde und wendungsreiche Geschichte eines brutalen Verzweiflungskrieges, aufgebaut um eine enorm coole und unverbrauchte Hauptfigur - wie oft sind wir schon in die Rolle einer knallharten Kriegerkönigin geschlüpft? Witcher-Experten können sich auf eine interessante neue Perspektive auf Geschehnisse freuen, die Bücher und Spiele entscheidend geprägt haben. Inklusive der Auftritte einiger alter Bekannter.
Monarchie verpflichtet
Zu einer guten Witcher-Story gehört nichts mehr als qualvolle Entscheidungen, und die verlangt uns Thronebreaker zuhauf ab. Es greift klassische Hexer-Themen wie den Rassismus gegen Anderlinge sogar konsequenter wieder auf, als es The Witcher 3 tat. Und als Königin im Krieg ringt Meve oft sogar noch mit schwierigeren moralischen Problemen als ein wandernder Monsterjäger.
Thronebreaker schaffte es immer wieder, dass wir minutenlang grübelnd vor dem Monitor verharrten und abwägten, wie viel Großmut wir uns leisten können in einer Welt, die ihn so selten belohnt. Klasse!
Allerdings haben längst nicht alle Quests wirklich wichtige längerfristige Auswirkungen. Viele schlagen sich mehr auf unser Konto nieder als auf den weiteren Storyverlauf. Zeigen wir uns Deserteuren etwa gnädig, brennt die nächste Truppe mit einem Haufen Gold durch - aber das hatten wir sowieso durchweg im Überfluss, also wen schert's? The Banner Saga schaffte es besser, Ressourcen-Knappheit als Druckfaktor einzusetzen und damit den Entscheidungen noch mehr Gewicht zu verleihen.
Klassische RPG-Party in Kartenform
Je weiter wir Thronebreaker spielen, desto mehr tun sich aber auch Quests von größerer Tragweite auf: Manche beeinflussen künftige Dialoge, manche die 20 möglichen Enden und die wohl wichtigsten unser eigenes Gefolge. Im Lauf der Zeit schart Meve eine illustre Truppe an sympathischen Begleitern um sich.
Viele davon können wir verpassen, wenn wir nicht die ganze Karte erkunden. Mehr noch, wir können sie auch wieder verlieren, wenn wir die falschen Dialogentscheidungen treffen. Was umso mehr schmerzt, da sich die Gefährten in manche Quests einschalten und sie besser lösen können als wir allein - oder unerwartet ein Desaster lostreten, was für einige der schockierendsten Momente von Thronebreaker sorgt.
All das ist wiederum clever mit dem Rest des Spiels verzahnt. Als unser bester Recke sich von uns abwandte, weil wir seinen Gerechtigkeitssinn verletzt hatten, trauerten wir sehr wohl seiner Gesellschaft nach - aber noch mehr seiner Gwentkarte, die die stärkste unseres Decks war! Jeder Begleiter hat seine eigene Spielfigur und einige normale Aufgaben können ebenfalls frische Verbündete in Kartenform abwerfen. Unser Deck repräsentiert also auch unsere persönliche Geschichte. Sehr schön!
Wenn Rollenspiel und Kartenspiel verschwimmen
Unsere Begleiter warten im Lager für ein Schwätzchen. Das können wir jederzeit aufschlagen und hier basteln wir auch unser Deck. Wir verbessern Kasernen, craften dadurch freigeschaltete bessere Karten und überblicken die verschiedenen Artefakte, die wir im Lauf der Reise als Karten gesammelt haben. Ganz so viel Freiheit wie im Online-Gwent haben wir beim Deckbau allerdings nicht: Wir spielen storybedingt immer Meves Armee und können uns nichts komplett anderes wie etwa ein Monsterdeck bauen.
Trotzdem haben die Entwickler die Singleplayerkarten clever genug gestaltet und genügend Begleiter und Belohnungen eingebaut, so dass wir einige unterschiedliche Strategien fahren können. Uns hat der Deckbau ähnlich motiviert wie der Charakter- und Gruppenausbau eines klassischen RPGs, denn er fühlt sich ganz ähnlich an.
Und das bringt uns zur Eingangsfrage zurück: Ist Thronebreaker mehr als ein Kartenspiel? Ist es auch für Witcher-Rollenspielfans spielenswert? Wir finden: Ja. Es spielt sich vielleicht anders, hat seine Macken beim Balancing und ist weniger aufwendig inszeniert, aber das Herz der Witcher-Spiele - ihre düstere Welt voller packender Geschichten - schlägt auch in Thronebreaker.
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