Meisterdieb ist nicht gleich Meisterkämpfer
Einmal tief durchatmen, und weiter. Aber verdammt. Genau in diesem Moment spaziert eine weitere Wache ins Bild. Kleine Symbole über dem Kopf der Figur signalisieren, dass sie alarmiert ist und binnen weniger Augenblicke die Verfolgung aufnehmen wird. Leider tut sie das nicht alleine: Die KI ruft den bereits entschwunden geglaubten Kollegen zu Hilfe.
Die Flucht misslingt, denn die zwei Burschen sind gut zu Fuß und setzen die Verfolgung sogar fort, als wir über Dächer, Treppen und einen Sims in eine benachbarte Sackgasse flüchten. Es entbrennt ein Nahkampf, doch der ist schnell vorüber.
Mit seinem Bogen kann Garrett auf kurze Distanz wenig ausrichten, außerdem ist seine Pfeilmunition streng limitiert - wäre vielleicht ratsam gewesen, auf dem Marktplatz ein paar Goldstücke gegen drei bis vier weitere Pfeile zu tauschen.
Mit dem Knüppel kann der Meisterdieb zwar austeilen, doch dazu muss er die Wachen nahe an sich heranlassen. Zu nahe. Ein Gegner hat ein Schwert dabei und sticht zu. Schon hat's sich ausgediebt.
Mit Ruhe und Geduld zum Ziel
Der zweite Anlauf gelingt besser. Der Händler tauscht Goldstücke gegen Wasserpfeile. Mit ihrer Hilfe löschen wir zwei Petroleum-Laternen am Straßenrand und bleiben so besser verborgen. Jetzt ruhig durchatmen und die zweite Patrouille abwarten, die vorhin Alarm geschlagen hat.
Danach setzt Garrett seinen Weg fort. Das Symbol für die Zielmarkierung belegt, dass das Objekt der Begierde - die goldene Uhr - nahe ist. Nach einem wagemutigen Sprung über einen Abgrund krallt sich Garrett automatisch an der gegenüberliegenden Wand fest.
Die modernisierte Steuerung macht einen guten Job, ohne dabei aufdringlich zu wirken oder gar die Kontrolle an sich zu reißen. Jetzt ein paar Schritte über Balkone und Dächer. Dann blockiert bloß noch ein geschlossenes Fenster das Erforschen des Raumes, in dem sich die goldene Uhr befinden soll. Garrett hat das notwendige Werkzeug - ein Brecheisen - dabei.
Er setzt es an und hebelt das Hindernis nach einem Tastenstakkato aus. Der Weg ist frei - und ein tiefes Gefühl von Erleichterung durchflutet uns. Wenn am Ende alle Missionen eine solch enorme Befriedigung auslösen, dürfte sich Thief wie seine Vorgänger in die Herzen von Schleich-Fans spielen, auch wenn das bisher gezeigte grafisch eher mittendrin als ganz vorne mitspielt.
Kein weichgespültes Reboot
Aber diese visuelle Zurückhaltung schadet dem Gesamterlebnis kaum, die Sogwirkung ist trotzdem beachtlich. Das hängt auch mit dem dichten Soundteppich zusammen, dessen Musikbegleitung die Stimmung der jeweiligen Situation betont und die Dramatik der Herausforderungen gekonnt unterstreicht.
Viel eindrucksvoller jedoch ist der Umstand, dass sich dieser Reboot trotz Fokus-Mechanik und allerlei Komfortfunktionen tatsächlich nach Thief anfühlt. Wer unentdeckt in fremde Zimmer einsteigen und Gold entwenden, Dokumente finden oder mystische Relikte klauen möchte, der muss tatsächlich Einsatz zeigen - und Geduld.
Denn es gibt keine neumodische Selbstheilung, die den Held aus kritischen Situationen retten würde, und die Erste-Hilfe-Vorräte sind in Windeseile aufgebraucht. Im Falle des Scheiterns setzen uns die Speicherpunkte auch keineswegs an Ort und Stelle wieder ab, oh nein. Wir müssen zwar nicht die komplette Mission erneut spielen, aber immerhin einen beachtlichen Teil, nach dem Motto »Strafe muss sein«.
So zerstreuen sich nach dem Probespiel jene Bedenken, dass Thief durch Röntgenblick, Spielhilfen, Sprungautomatik und andere moderne Zutaten an Charakter und Schwierigkeit verlieren würde. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Das hier wird eine Herausforderung für nervenstarke Großhirne.
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