Auf der Flucht
Wurden wir einmal entdeckt, nehmen unsere Gegner direkt die Verfolgung oder gehen zum Angriff mit Schwert, Wurfmessern oder Bogen über. Verdeutlicht wird dieser Status durch ein rotes Auge-Icon. Haben wir den Sichtkontakt zu ihnen unterbrochen, suchen sie aktiv nach uns, erkennbar an einem orangefarbenen Icon. Entdeckt zu werden, das ist in Thief eine kleine Katastrophe. Es macht unsere Pläne zunichte, es kostet uns die Level-Bestwertung und es zwingt uns vielleicht sogar zum Neustart eines Abschnitts. Gleichzeitig ist diese Freiheit, Fehler zu machen und mit ihren Konsequenzen konfrontiert zu werden, ein großer Reiz am Spiel. Eine Mission zu absolvieren, ohne auch nur gesehen zu werden kann ein triumphales Glücksgefühl auslösen. Aber das funktioniert nur, solange stets das Risiko besteht, Mist zu bauen. Drum ärgert uns ein wenig, dass wir dem Krematorium nicht unbemerkt entkommen können. Immerhin ist es der einzige Pflicht-Alarm, der uns beim Probespiel unterkam.
In den Kampf oder ins Versteck
Wir nehmen jedenfalls Beine in die Hand, um zu entkommen. Kampf und Verfolgung überstehen wir, indem wir an Wachen vorbei sprinten, uns in Schränken verstecken oder andere Level-Bereiche aufsuchen. Oder wir nehmen unsere Verfolger mit Pfeil und Bogen ins Visier und stellen uns vielleicht sogar im Nahkampf. Garrett beherrscht nämlich Ausweich-Aktionen, mit denen er das Duell gegen einen einzigen Gegner durchaus bestehen kann. Auch in solchen Situationen lässt uns das Spiel also die Wahl, wie wir vorgehen wollen. Wer Lust darauf hat, kann sogar durchweg aggressiv vorgehen und regelrecht Jagd auf die Wachen machen.
Doch leider sind Kampf und Flucht einfach weniger interessant als das Glücksgefühl, eine knifflige Stelle ungesehen zu meistern. Einen Tadel verdient in der von uns gespielten Vorabversion außerdem die KI mancher Wachen. Mal scheint es einem Posten egal zu sein, dass sein Partner plötzlich nicht mehr da ist, nachdem wir ihn diskret K.O. geschlagen und seinen Körper versteckt haben. Oder eine Wache entdeckt uns auf einem Balken kletternd und beginnt daraufhin, orientierungslos herumzulaufen, weil sie nicht direkt zu uns gelangen kann. Derlei Macken (genauso wie gelegentliche Ruckler der Konsolenfassung) bekommen die Entwickler bis zum Release von Thief hoffentlich noch in den Griff.
Schwierigkeitsgrad im Eigenbau
Keine Lust auf Fokus-Energie? Keine Lust auf Kämpfe und Alarm? Für solche Fälle haben die Thief-Entwickler einen frei erstellbaren Schwierigkeitsgrad vorgesehen. Es gibt natürlich übliche Schwierigkeits-Stufen, und zwar drei. Sie verändern Aggressivität und Wachsamkeit von Gegnern, Item-Preise, Effizienz der Fokus-Energie sowie Anzahl und Fundort von Schätzen. Wer will, kann aber im User-Schwierigkeitsgrad viele Zusatzregeln festlegen. So können wir das Speichern ausschließlich zwischen Kapiteln erlauben, wir können die Fokus-Energie deaktivieren, ausschließlich Stealth-Kills erlauben, das Fadenkreuz ausschalten oder tödliche Pfeile verbieten. Damit dürfte es für jeden Spielertyp, vom Anfänger bis zum Schleich-Puristen, eine passende Einstellung geben. Allerdings kann der Schwierigkeitsgrad im späteren Spielverlauf nicht mehr geändert werden. Wir spielten deshalb auf der mittleren Stufe, »Thief« genannt. Auch weil wir ganz bewusst die Fokus-Elemente ausprobieren wollten, um zu überprüfen, welche Auswirkungen sie auf das Spielerlebnis haben.
Gute Aussichten
Unsere vierstündige Diebestour hat uns großen Spaß bereitet. Wir freuen uns, wie spannend und vielfältig die Stealth-Missionen von Thief verlaufen, auch wenn das Spiel deutlich gerichteter verläuft damals seine Ahnen auf PC. Thief ist innerhalb der Missionen ein lineares Spiel und nimmt uns an einigen Stellen Entscheidungen ab. Doch meistens haben wir genügend Freiheiten, räumlich, wie auch spielerisch, dass sich Thief nicht wirklich linear anfühlt. Obendrein sind wir froh, dass das Spiel seine Feinheiten und Geheimnisse nicht sofort preisgibt. Wir kommen in vielen Situationen nur weiter, wenn wir selbst nachdenken, forschen und beobachten oder mit Taktiken und Gegenständen experimentieren. Fehler und Neustarts gehören dazu und stören nicht, vielmehr fördern faire Speicherpunkte sowie die Möglichkeit zum freien Speichern sogar unsere Experimentierfreude.
Außerdem mögen wir die Rätsel. Eine spätere Mission führt etwa in ein Bordell, wo wir zunächst routiniert schleichen, stehlen und lauschen. Im Kellergewölbe unter dem Haus stehen wir dann plötzlich vor einer Geheimtür. Wie wir sie aufbekommen, ist nicht sofort ersichtlich. Wir müssen durch Gucklöcher in die Suiten der exklusivsten Gäste spähen, dort aber nicht etwa nach Unanständigkeiten, sondern versteckten Symbolen Ausschau halten. Die ergeben einen Code, der uns wiederum den Weg durch die Tür und direkt zum nächsten Rätsel ebnet.
In einem verfallenen Gewölbe voller tiefer Abgründe können wir mit einer Kurbel mehrere Treppen verschieben. Nur wenn wir das in der richtigen Reihenfolge und vom richtigen Ort aus tun, gelangen wir zum Ausgang. Dass Thief unsere grauen derart Zellen fordert, haben wir nicht erwartet, wir begrüßen es allerdings sehr. Zum Schluss unseres Probiertermins folgte dann eine letzte Überraschung: Im Kellergewölbe unter dem Bordell huscht uns eine dürre, bleiche Kreatur über den Weg. Sie erinnert stark an Gollum aus Herr der Ringe. Uns scheint, dass die Handlung später noch ganz schön abenteuerlich wird. Was genau es mit der Kreatur auf sich hat, werden wir aber erst im fertigen Spiel erfahren.
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