Das Monster ist ihm dicht auf den Fersen. Er sprintet auf das sichere Haus zu. Wird sie es riskieren, die Türe für ihn offenzuhalten? Oder schlägt sie ihm diese doch lieber vor der Nase zu, um sich selbst zu retten, während sie ihn dem sicheren Tod überlässt? In dieser Szene aus Until Dawn hilft eine Person der anderen nur, wenn die beiden ein gutes Verhältnis zueinander haben.
Das Beeinflussen von Beziehungen ist eine zentrale Spielmechanik der Supermassive-Titel. Alles, was über Freundschaft hinausging, involvierte aber bisher höchstens Personen, die andeutungsweise als queer interpretiert werden könnten. In The Quarry, das passenderweise im Pride Month erschienen ist, kann ich zum ersten Mal eindeutig bei zwei Männern kuppeln – und das ist ein guter Anlass, einen Blick auf diese Romanze zu werfen, die mir im Grunde gut gefallen hat, bei der mir aber am Ende etwas fehlte.
Info zu Spoilern: Wir beleuchten in diesem Artikel möglichst spoilerfrei die Beziehung zweier Charaktere und warnen euch im Text noch mal, bevor wir zu leichten Spoilern kommen, die das Ende der Story betreffen.
Gespielter Teenie-Horror
Teenie-Horrorfilme sind Cocktails aus Blut und tödlichen Gefahren, deren ganz besonderer Geschmack erst durch das Beimischen von Hormonen, Flirts und Gefühlschaos entsteht. Supermassive hat ein ziemlich cleveres Konzept gefunden, um die Genre-Essenz in Spielform zu pressen: Egal, ob bei Until Dawn, der The Dark Pictures Anthology oder The Quarry:
Im Verlauf der Story wählen wir aus, was die von uns gesteuerten Charaktere sagen, welche Entscheidungen sie treffen und schauen uns an, zu was das führt, wenn es in lebensbedrohlichen Situationen heißt: Wer hat das Sagen? Wer hält zu wem? Wer lässt wen hängen und wer riskiert das eigene Leben, um jemanden zu retten?
Wollt ihr noch herausfinden, ob The Quarry was für euch ist? Hier geht es zu unserem Test:
Vielversprechender Flirt
Während sich die genannten Fragen im Verlauf der Story klären, interessiert mich eine Person am meisten – und das ist Dylan, mit dem ich versuche, bei einem ziemlich undurchschaubaren Typen namens Ryan zu landen. Das finde ich nicht nur spannend, weil Dylan eine eindeutig queere Figur in einem Supermassive-Spiel ist, sondern auch, weil die Annäherungen zwischen den zwei grundverschiedenen Charakteren mich am längsten fesselt.
Während Dylan sich gerne mit flachen Witzen und Streichen in den Mittelpunkt stellt, sondert Ryan sich lieber mit einem Podcast auf den Ohren ab. Als die beiden gemeinsam im Büro des Campleiters Handys aufladen wollen, schnüffelt Dylan herum und unternimmt Flirtversuche. Der pflichtbewusste Ryan zeigt sich davon unbeeindruckt bis genervt, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass da eine gewisse Chemie zwischen den beiden ist. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an.
Tatsächlich gibt es während einer Party für Ryan die Möglichkeit, Dylan zu küssen. Der kurze Lippenkontakt ist an sich unspektakulär, da er Teil einer Runde Wahrheit oder Pflicht ist, sorgt aber trotzdem dafür, dass Dylan auf einmal ungewohnt still wird und berührt wirkt. Später lässt er dann seine Maske ganz fallen: Während einer Mission, bei er sein verborgenes Technik-Talent unter Beweis stellt, verrät er Ryan, dass er die Albernheiten nur nutzt, um Unsicherheiten zu überspielen.
Das ist zwar eine klischeehafte Entwicklung, aber ohne das humorvolle Spiel mit Stereotypen hätte The Quarry für mich auch nicht die Leichtigkeit, die ich von Teen-Horror erwarte. Daher ist Dylan für mich eine super Besetzung für das Genre.
Ryan hat neben Dylan auch die Möglichkeit, beim Trinkspiel Kaitlyn zu küssen, die ebenfalls Interesse an ihm zeigt. In einer Szene kann ich Ryan sagen lassen, dass er Dylan näherstehe als Kaitlyn. Trotzdem sagt er im nächsten Moment von selbst, dass er eigentlich nicht weiß, wen von beiden er lieber mag. Er könnte als bisexuell interpretiert werden, wirkt aber in Bezug auf beide auf mich nicht sonderlich enthusiastisch. Allgemein neigt er nicht zu (sichtbaren) Gefühlsausbrüchen und ist schwer zu lesen. Er könnte auch aromantisch sein oder schlicht und einfach nicht so richtig auf die beiden stehen. Das bleibt offen.
Am Ende fehlt mir ein bisschen was
Spoiler-Warnung: Der nächste Abschnitt enthält leichte Spoiler zu Dylans, Ryans und Kaitlyns Pfad am Ende der Geschichte.
Am Ende bleibt überhaupt alles, was die drei angeht, offen, da Ryan sich vor dem Showdown von Dylan und Kaitlyn trennt, um ein anderes Ziel zu verfolgen als die beiden. Als Dylan Bedauern äußert und Eifersucht auf die Person zeigt, mit der Ryan losgezogen ist, rechne ich fest mit einem Wiedersehen, aber dazu kommt es nicht. Dabei haben alle drei überlebt und ich habe wortwörtlich alle Knöpfe bei Dylan und Ryan gedrückt. Die Beziehung zwischen ihnen ist irrelevant für das Ende der Geschichte. Das fand ich aus spielmechanischer sowie storytechnischer Sicht etwas schade.
Dazu ist zu sagen, dass der Epilog für mich allgemein ernüchternd war, da wir lediglich in kurzen Infotexten erfahren, wie die Überlebenden den Einbruch der Dämmerung erleben und welchen Tod die anderen gefunden haben. Ich hatte mit einem Zusammentreffen aller Überlebender oder zumindest einer Gegenüberstellung mit der Polizei gerechnet. So fehlt mir ein richtiger Abschluss, gerade für die Charaktere, die ich besonders spannend fand – auch, wenn ich das Spiel insgesamt richtig gut finde.
Bei storylastigen Spielen wie The Quarry empfinde ich es als große Bereicherung, wenn die Beziehungen zwischen den Charakteren interessant sind und ihre Interaktionen mich gut unterhalten. Mehr Vielfalt schafft meiner Meinung nach nicht nur Repräsentation, sondern bringt auch ganz einfach mehr Abwechslung rein.
Daher ist gerade Dylan für mich ein super Charakter, der zum Genre passt und gleichzeitig frischen Wind reinbringt; nur hätte ich mir gerade deshalb gewünscht, dass seine Beziehungsgeschichte konsequenter auserzählt wird.
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