Genre: Dating-Sim Entwickler: Plattform: iOS, Android, PC Release: 21. April 2021 Mental-Health-Thematik: Swipe-Culture, toxische Beziehungen, Ghosting
Ich gehe am Sonntag auf ein Date mit John und Shula. Ja, die beiden sind ein Paar. Und sie suchen nach einem "Einhorn", das wieder ein wenig Pepp in ihre Beziehung bringen soll. Zumindest in Tender: Creature Comforts habe ich mich darauf eingelassen. Nur um zu schauen, was passiert. Das ist aber noch nicht alles: Eigentlich sagte ich dem Date nur zu, weil mich Paula (die ich wirklich mochte) einige Tage zuvor ohne ersichtlichen Grund abserviert hat und ich mich jetzt unbedingt ein wenig ablenken muss.
Und ja, weiß ich selbst: Eine gute Idee ist das Doppeldate mit Shula und John sicher nicht. Zumal Letzterer ein richtiger Kotzbrocken zu sein scheint. Ein oberflächlicher Typ, der nur nach dem nächsten Abenteuer, nicht aber nach einer echten emotionalen Verbindung sucht.
Was mich an Tender: Creature Comforts am meisten fasziniert ist, dass es die reale Swipe-Culture, also Dating in Zeiten von schnelllebigen Apps wie Tinder und Co., trotz fiktiver Charaktere so sehr auf den Kopf trifft. Online-Dating kann aufregend und super unterhaltsam sein. Aber eben auch frustrierend und schmerzhaft. Und all das führt mir die Dating-Sim charmant wie schonungslos vor Augen.
Contentwarnung: Die Artikel der Mental-Health-Woche befassen sich mit verschiedenen Aspekten mentaler Gesundheit und beinhalten mitunter auch Beispiele negativer Emotionen und ungesunder Verhaltensweisen, die bei manchen Menschen negative Reaktionen auslösen können. Bitte seid vorsichtig bei Texten, die potenziell triggernde Themen für euch enthalten.
Wichtiger Hinweis: Falls ihr selbst Depressionen oder selbstzerstörerische Gedanken habt: Ihr seid nicht allein. Holt euch bitte Hilfe. Zum Beispiel bei der Deutschen Depressionshilfe unter 0800/33 44 533 oder bei kostenlosen Beratungsstellen.
Intergalaktisches Tinder
Tender: Creature Comforts funktioniert nach dem Vorbild von Tinder. Nur, dass ich hier eben nicht mit echten Menschen matche und chatte, sondern mit putzigen Aliens. Wie in echten Dating-Apps swipe ich hier mit einem zuvor erstellten Avatar durch einen Stapel aus unterschiedlichsten Charakteren mit individuellen Profilbeschreibungen und Vorlieben.
Schaut euch den Trailer zu Tender: Creature Comforts an, um euch einen Eindruck zu verschaffen:
Löwenkopf Brad, 28, will mir Bitcoin erklären. Ohje, auf Wiedersehen. Zu meinem eigenen Schutz swipe ich lieber nach links. Sophia, 33, ist selbsternannte Meme-Queen und sieht stark nach Gothic-Kuh aus. Okay, klingt schon spannender, sie bekommt einen Wisch nach rechts und damit ein Like.
Habe ich ein Match mit einem Alien, dann kann ich mit ihm chatten. Das passiert mittels vorgefertigter Dialogoptionen, die größtenteils charmant und authentisch geschrieben sind. So fragt mich Leela nach meinem Myers Briggs-Typen (INFP), Esme bittet darum, dass ich ihr selbst geschriebenes Gedicht bewerte (es ist gelinde gesagt scheiße), und gemeinsam mit Jackie lästere ich kurz über die Oberflächlichkeit von Instagram.
Beim Chatten habe ich sogar Chance, mein potenzielles Herzblatt auf ein Date auszuführen. Und vielleicht entwickelt sich dann sogar eine echte virtuelle Romanze. Auf dem Smartphone plane ich Dates übrigens in Echtzeit. Wie gesagt: Mein Treffen mit Shula und John findet Sonntag um 18 Uhr statt, drückt mir die Daumen. Dates werden dabei ähnlich wie in einer Visual Novel in reiner Textform erzählt. Währenddessen kann ich Entscheidungen treffen und beispielsweise auswählen, wo wir hingehen oder was wir essen.
Wenn du wegen deinem Sternzeichen einen Korb bekommst
Der große Vorteil an der realen Swipe-Culture ist natürlich, dass es dank Tinder und Co. so einfach wie nie ist, neue Leute kennenzulernen. Kontaktaufnahmen sind via App unkompliziert, wohingegen viele von uns sich erst überwinden müssen, bis sie jemanden im Park oder einem Club ansprechen. Und diese Leichtigkeit spiegelt Tender: Creature Comforts treffend wieder, wenn auch natürlich in überspitzter Form.
Potenzielle Partner*innen bekomme ich hier en masse präsentiert und ein Match erhalte ich in 90% der Fälle. Mit manchen Charakteren muss ich sogar nur zwei Minuten chatten, um mich mit ihnen zu einem Date zu verabreden. Manch andere Chats laufen allerdings ins Leere oder lassen mich enttäuscht zurück.
Denn auch – und insbesondere – die dunklen Seiten der Swipe-Culture bildet Tender: Creature Comforts ab.
Kalina korbt mich, nur weil ihr mein Sternzeichen (Waage) nicht passt. Dabei hat sie mich noch nicht mal richtig kennengelernt. Außerdem werde ich seit gestern von Clarissa geghosted. Und das, nachdem sie zuvor bereits einem Date zugesagt hatte. Liegt's an mir? Waren meine Nachrichten zu langweilig? Hat sie Angst bekommen? Egal, was dahinter steckt – wie im echten Leben fühlt sich der plötzliche Kontaktabbruch mies an. Auch wenn derartige negative Gefühle, die das Spiel in mir hervorruft, natürlich nur bis zu einem gewissen Grade mit der Realität vergleichbar sind.
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Was ist gut, was nicht?
- treffende Abbildung der Swipe-Culture mit ihren Vor- und Nachteilen
- gute Balance zwischen realistischen Szenarios und überspitzten Darstellungen von Online-Dating
- spannender Mix aus charmanten Charakteren und richtigen Kotzbrocken
- Echtzeit-Faktor auf Mobile könnte nerven
- vorgefertigte Dialog-Optionen zeigen Inhalt einer Aussage vorher teils nicht richtig an
Tipp: Für eine möglichst realistische Erfahrung empfehle ich euch, Tender nicht auf dem PC, sondern auf dem Smartphone zu spielen. Bei Dates habt ihr hier nicht nur den Echtzeit-Faktor, sondern ihr bekommt auch Push-Nachrichten auf eurem Handy, wenn ihr ein neues Match habt oder euch ein Charakter eine Nachricht geschrieben hat. Klar, ständige Nachrichten können auf Dauer nerven, ihr könnt sie deshalb natürlich auch abschalten.
Fazit der Redaktion
Linda Sprenger
@lindalomaniac
Tender: Creature Comforts zeigt mir nicht nur die schönen Seiten der Swipe-Culture, sondern führt mir auch deren Schattenseiten schonungslos vor Augen.
Natürlich ist es einfach, via App interessante neue Leute kennenzulernen und vielleicht sogar die große Liebe zu finden. Doch es ist genauso einfach, einen Menschen wieder in den Wind zu schießen, wenn man ihn nur von Bildern kennt, aber ihn in der Realität noch nie gesehen hat. Für Betroffene ist das meistens schmerzhaft. Und diesen Schmerz lässt mich Tender ein Stück weit selbst nachvollziehen.
Falls ihr euch für die Thematik interessiert, ihr mit Tinder und Co. aber nichts anfangen könnt, dann ist Tender: Creature Comforts eine gute Alternative, um in die moderne Swipe-Culture hineinzuschnuppern und deren Vor- und Nachteile kennenzulernen.
Eine wichtige Bitte: Da es sich bei unseren Artikeln aus der Mental Health-Woche um sensible Themen handelt, die uns beim Schreiben teilweise viel abverlangt haben, bitten wir euch an dieser Stelle ganz besonders um eine freundliche und verständnisvolle Kommentarkultur. Vielen Dank und viel Spaß beim Lesen!
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