Ich hoffe, hier sind wir uns alle einig: Die Teenage Mutant Ninja Turtles sind mit Abstand die zweitbeste Samstagmorgen-Cartoon-Show der letzten 30 Jahre und können gar nicht genug Lob bekommen. Donatello, Leonardo, Raphael und Michelangelo bringen die Kinder der 80er und 90er mit einem herzhaften Cowabunga genau dort zusammen, wo He-Man und Pokémon sie spalten. Die Turtles punkten mit Humor, Style, grandiosen Charakteren, markanter Action und genau der richtigen Portion »Cheesiness« (bitte hier einen Pizza-Joke dazu denken). Die Ninja-Schildkröten haben sich den Cartoon-Legendenstatus redlich verdient.
Wie kann es da so schwierig sein, ein vernünftiges Spiel zu entwickeln?! Ich weiß, ich bin kein Entwickler, und sollte mich deshalb nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Aber aus meiner journalistischen Laien-Perspektive klingt der folgende Deal eigentlich nach einem Selbstläufer: Man nimmt die Entwickler von Platinum Games, die für furiose Action-Feuerwerke wie Bayonetta und Metal Gear Rising verantwortlich sind, und gibt ihnen die Turtles-Lizenz, um genau das zu machen, was sie bisher fast immer gemacht haben - ein gutes Kloppspiel.
Und was stattdessen dabei herauskommt, ist Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutants in Manhattan. Herrje!
Enttäuscht nicht eure Fans
Ich habe mich auf dieses Spiel gefreut, so wie ich mich im ersten Moment über jede (Gaming-)Adaption geliebter Kindheits-Cartoon-Erinnerungen freue. Als dann die ersten internationalen Wertungen aufschlugen, musste ich die Luft anhalten. Die Kollgen von IGN vergeben eine schlappe 4,9, Polygon zückt sogar eine extrem magere 3 von 10. »Das kann doch nicht sein!«, denke ich mir mache mir ein eigenes Bild. Hätte ich mal besser auf die Kollegen gehört. Nach ein paar Stunden mit Mutants in Manhattan entscheide ich mich frustriert, diesen persönlichen Artikel hier zu schreiben.
Denn diese Lizenzverwurstung meiner geliebten Kindheitserinnerungen muss aufhören!
Der Autor: Dimi hat die 80er noch gerade so mitgenommen, die Windelphase ließ er aber erst in den 90ern hinter sich. Die Cartoon-Shows dieser Ära haben bis heute einen permanenten Platz in seinem Herzen, allen voran natürlich die Turtles, Power Rangers und Disney-Serien. Er kann Leb deinen Traum und Komm schnapp sie dir im Schlaf mitsingen, fürchtet sich noch immer vor der Puppe aus »Gänsehaut« und träumt von einem eigenen Megazord. Oh, und er arbeitet auch noch bei GameStar als Redakteur.
Zugegeben: Mutants in Manhattan ist nicht der spielerische Totalausfall, den ich nach den miesen Wertungen erwartet habe. Klar, es hat einen Haufen horrender Macken (namentlich das repetitive, anspruchslose Gameplay und der völlig unlustige »Humor), kann aber durchaus für einige Stündchen unterhalten - sofern man Koop-Freunde neben sich hat und ein Bier in der Hand hält. Bei einem »normalen« Standalone-Titel auf diesem Qualitätsniveau würde ich den Fehlkauf-Frust also runterschlucken und so viel Spaß aus dem Spiel rausholen, wie halt geht. Aber gerade weil Marken wie die Ninja Turtles so einen speziellen Platz in meinem Herzen haben, macht mich Mutants in Manhattan so extrem betroffen.
Es ist ein Pendel, das in zwei Richtungen schwingt: Activision und die anderen großen Publisher greifen wie auch die Filmindustrie ganz bewusst zu etablierten Cartoon-Franchises, modernisieren sie und bedienen damit generationsübergreifend Fan-Hoffnungen: Endlich wieder ein gutes Turtles-Spiel! Damit erreicht man die älteren Kinder der 80er/90er und darüber hinaus die Kids von heute. Win, win. Aber so eine Rechnung kann auch übel in die Hose gehen. Ein enttäuschter Fan wiegt schwerer als ein verprellter Laie - zumindest hoffe ich das.
»Leb deinen Traum, denn er wird wahr!«
Dass 90er-Remakes und -Fortsetzungen im Moment so einen Boom erleben, hat natürlich Gründe. Die Kids von damals sind jetzt in ihren Mittzwanzigern und leben an den Unis und im Bekanntenkreis Populärkultur so offen aus, wie wahrscheinlich keine Generation zuvor. Wo die Kinder der frühen 80er in puncto Gaming und »Nerdtum« noch als Avantgarde galten, sind wir allmählich der Mainstream. Wer auf einer WG-Party mal miterlebt, wie ein DJ die Themes von Darkwing Duck oder Pokémon auflegt, der weiß wovon ich rede. Die Leute rasten aus - es ist so cool wie nie, ein Nerd zu sein, und wir zelebrieren die Nostalgie.
Ob als Kreativschaffende oder als Konsumenten - die Jahrgänge nach 1985 rücken nach und werden immer wichtiger. Das finde ich natürlich großartig: Ich kann im Internet permanent vom Super Nintendo schwärmen und kriege all die Fortsetzungen, die sich mein Fan-Herz wünscht. Dass darin - wie der Kollege Markus schon mit Klartext deutlich gemacht hat - ein Risiko steckt, ist mir durchaus klar. Was ich hingegen nicht verstehe: Warum, in Dendes Namen, schießen gerade so viele Neu-Umsetzungen von Cartoon-Franchises und Kinderserien der 90er so gewaltig am Ziel vorbei?!
Denn dieser Trend macht nicht bei Mutants in Manhatten Halt. Gerade gibt's einen ersten Entwurf der neuesten Mega-Man-Neuinterpretation. Und er ist furchtbar! Klar, in dem Fall reden wir nicht von einer »Cartoon wird zu Spiel«-Umsetzung, sondern von »Videospiel wird zu Anime-Serie wird zu neuer Serie«, aber da gilt anscheinend eine ähnliche Problematik.
Verklärte Nostalgie?
Und wer sich bis zu diesem Punkt gefragt hat, welche denn die beste Samstagmorgen-Show der 90er sein könnte: Natürlich die Power Rangers - darüber braucht man nicht zu diskutieren. Doch auch hier erscheint bald eine Neuauflage, und über die muss man definitiv reden. Auch hier fängt das erste Foto der Kostüme nicht im Ansatz den Charme ein, der uns damals begeistert hat. Stattdessen wirkt das Design wie eine Karikatur der 90er (und ich gebe zu, dass man die 90er wunderbar karikieren kann). Es kann doch nicht so schwer sein, aus Kampfrobotern, Superhelden und Ninjas eine abgedrehte, coole Story zu basteln.
Klar, ich spreche da aus meiner persönlichen Perspektive und dementsprechend darf man mir mit Recht eine gewisse nostalgische Verklärung vorwerfen. Aber die kreativen Identitäten der Power Rangers, Turtles und Co. lassen sich ja durchaus in Einzelteile zerlegen. Man findet genügend Artikel im Netz, die mit Argumenten erklären, warum bestimmte Serien so ein Erfolg werden konnten. Und dieser ganz spezielle Mix aus »Cheesiness«, »Badassness« (ist das ein Wort?) und markanten Helden lässt sich scheinbar nicht leicht rekonstruieren.
Der Appell, den ich machen will, ist folgender: Liebe Publisher, Entwickler und Serienbetreiber, ich finde es super, dass ihr mir mehr von dem geben wollt, was ich als Kind geliebt habe. Dass ihr einer neuen Generation dieselben Helden vermittelt, mit denen ich groß geworden bin. Ich will hier auch überhaupt nicht alle über einen Kamm scheren - es gibt großartige Umsetzungen alter Serien. Dragon Ball zum Beispiel. Aber es finden sich eben auch sehr viele Negativbeispiele, die definitiv niemand braucht. Mit Marken wie den Ninja Turtles tragt ihr eine Verantwortung, der man sich bewusst sein sollte. Das gilt im Übrigen natürlich auch für Shows aus den 80ern, große Filmmarken und Comic-Helden.
Wir leben in einer Zeit, in der ein Großteil der Neuerscheinungen über etablierte Franchises abgewickelt wird - da spielt man immer mit den Erwartungen, Wünschen und Gefühlen der Konsumenten. Deshalb checkt eure Fakten. Oh, und bitte macht einen guten Power-Rangers-Film, liebe Twilight-Produzenten. Ihr habt uns schließlich noch nie enttäuscht!
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