Spätestens mit Age of Empires 2 stand für mich als junger Bursche fest, dass das Mittelalter eines der schönsten aller Spieleszenarien ist. Welch besseren Beweis könnte es geben, als dass es uns eins der besten Strategiespiele aller Zeiten beschert hat?
Heute scheint das jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Nicht nur, dass Age of Empires einen unrühmlichen Online-Tod starb und nur noch mit HD-Auflagen statt glorreichen neuen Serienteilen fortgeführt wird - nein, das Mittelalter selbst ist bei Spieledesignern in Ungnade gefallen. Und das ist eine echte Schande.
Der Untergang des Rittertums
In keinem Genre lässt sich diese Entwicklung klarer beobachten als bei Strategiespielen. Früher konnte ich hier meinem Mittelalter-Faible nach Lust und Laune frönen: Glorreiche Schlachten in Age of Empires 2 oder Medieval: Total War schlagen, florierende Städte in Die Siedler oder Anno 1503 zimmern oder im famosen Stronghold Burgenbau und -abriss sogar verbinden.
Dazu kamen haufenweise Fantasy-Strategiespiele wie Myth: The Fallen Lords, die vielleicht kein reines Mittelalter-Erlebnis boten, aber immerhin ebenfalls kühne Recken mit gezogenen Schwertern aufeinanderhetzten. Tolle Zeiten, das!
Und heute? Heute hat sich Strategie fast komplett auf Science Fiction verlegt. Was, wie Starcraft 2 beweist, keineswegs schlecht sein muss - aber doch deprimierend oft für Szenarien ohne jedes Flair und ohne Seele sorgt. So etwa bei Grey Goo, Etherium, Act of Aggression und jüngst Ashes of the Singularity. Selbst Anno reist heutzutage am liebsten in die Zukunft und macht mir damit längst nicht mehr so viel Spaß wie früher, so gut die Spiele technisch gesehen auch sein mögen.
Der Autor
Maurice Weber musste sich erst kürzlich vom Ex-Kollegen A. Peschke »Feudalherrentonfall« vorwerfen lassen. Völlig zurecht, nur was daran falsch sein sollte, erschloss sich ihm nicht so ganz. Schon in seiner Kindheit sah er sich zum dekadenten Mittelalterfürsten geboren, der nur das Pech hatte, in der falschen Zeit aufgewacht zu sein - zum Glück gab's Spiele wie Age of Empires!
Zurück ins Mittelalter!
Aber warum vermisse ich das Mittelalterszenario eigentlich so sehr? Weil es wie kaum eine andere Geschichtsperiode die Vorstellungskraft beflügelt: Ich denke sofort an stolze Ritter in glänzender Rüstung, an beschauliche Dörfer und prächtige Schlösser - das ist toll, das will ich selbst spielen! Nicht umsonst nimmt sich fast alle Fantasy das Mittelalter als Ausgangspunkt und nicht die Antike oder Renaissance.
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Gerade das macht aber auch die andere Seite des Mittelalters so spannend. Die jenseits der romantischen Verklärung, der schonungslose Blick auf eine eigentlich richtig gnadenlose Zeit. Eine Zeit, in der ein Bauernleben weniger wert war als ein gutes Schwert, und edle Fürsten ihre Töchter verschacherten wie Vieh.
Wie faszinierend - und wie erfolgreich! - es sein kann, unserer Idealvorstellung des Mittelalters diese gnadenlose Realität gegenüberzustellen, zeigt nicht zuletzt Game of Thrones. Das mag vielleicht Fantasy sein, aber der erste Drache schlüpft erst in der zehnten Folge.
Bis dahin hat uns die Serie schon längst in ihren Bann geschlagen. Mit höfischen Intrigen, mit Figuren, die sich in einer schlichtweg unfairen Welt behaupten müssen. Das macht ihre eigentliche Faszination aus, und das ist pures, finsterstes Mittelalter. Kaum eine Serie ist derzeit so sehr in aller Munde, warum gibt es also nicht auch mehr Spiele vom gleichen Schlage?
Nun steht es um dunkle Fantasy wie eben Game of Thrones freilich um einiges besser als ums pure Mittelalter. Fantasy-Strategie mag lange Zeit ähnlich tot gewesen wie ihr historischer Bruder, sah aber zuletzt mit Total War: Warhammer einen Lichtblick (und was Wunder, dass auch das in einer düsteren und grausamen Welt spielt!). In anderen Genres hat uns die Fantasy nie verlassen, Perlen wie The Witcher 3 schicken uns in großartige Szenarien mit klarem Mittelalter-Einschlag. Überhaupt tendierten Spiele abseits des Strategie-Genres immer schon stärker zur Fantasy statt historischen Szenarien, gerade bei den Rollenspielen ist das keine neue Entwicklung.
Daniel Vávra, der Chefentwickler von Kingdom Come: Deliverance, erzählte auf der Reboot-Entwicklermesse im kroatischen Split sogar, dass ihre Testspieler im historischen Mittelalter die Magie und die Drachen vermissten - weil die in Spielen eben zum Mittelalter dazugehören, so selten kommt es ohne Fantasy-Begleitung daher!
Ich finde: Schluss damit! So sehr ich Fantasy mag, das Mittelalter hat auch ohne sie unglaublich viel zu bieten. Was jüngst wieder For Honor eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat: Unsere Eindrücke zu Ubisofts »Burgen-Battlefield« gehörten zu den meistgeklickten E3-Themen auf GameStar.de. Nicht zu vergessen Mount & Blade 2: Bannerlord, das mit seinem Belagerungs-Gameplay auch nicht gerade uninteressant aussieht. Das Mittelalter weiß immer noch zu begeistern - es wird Zeit, dass sich wieder mehr Spiele daran erinnern!
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