Transhumanismus klingt erst mal super! Schließlich steht dahinter auch im Adventure State of Mind der Gedanke, dass die Menschheit in Zukunft dank technischem Fortschritt diesen blöden Ballast Körper immer weiter verbessert und irgendwann vielleicht sogar komplett hinter sich lässt. Echte Transhumanisten sind mit unerschütterlichem Optimismus davon überzeugt, dass Augmentierungen für Muskeln oder Knochen sowie andere Verbesserungen schnell so günstig werden, dass sich die ganze Erdbevölkerung kollektiv auf eine Daseinsstufe schwingen kann. Menschheit 2.0, quasi.
Dass diese Evolution nicht unbedingt reibungslos abläuft, haben Spieler natürlich längst aus der Deus-Ex-Reihe gelernt. Und auch in State of Mind ist nicht alles eitel transhumanistischer Sonnenschein. Im Jahr 2048 ist Berlin eine finstere, schmutzige Metropole, wie es sie überall auf der Welt gibt. Wer es sich leisten kann, lädt sein Bewusstsein auf einen Server und entflieht damit tatsächlich der schnöden echten Welt.
Upload wider Willen
Der Journalist Richard Nolan lebt auch im Berlin des Jahres 2048, ist aber trotz der Verheißungen der Transhumanisten gar kein Freund übermäßiger Technisierung. Umso mehr erschrickt er, als er plötzlich unter dem Namen Adam in City 5 aufwacht, einer virtuellen Stadt auf einem der Bewusstseins-Server. Wurde er etwa gegen seinen Willen hochgeladen? Wer hat das veranlasst? Wer bezahlt?
Zu allem Überfluss scheint beim Datentransfer auch noch etwas schiefgegangen zu sein: Nur der halbe Richard ist als Adam in City 5 angekommen, die andere Hälfte hängt noch im realen Berlin herum - als geteilte Persönlichkeit in einer ehemals geteilten Stadt.
"Das ist Absicht", erklärt uns der Autor Martin Ganteföhr. "Trennung und Teilung sind das große Thema des Spiels." Die Trennung von Geist und Körper im transhumanistischen Sinn, die gesellschaftliche Kluft zwischen "vollbiologischen" Underdogs und hochgeladenen Hirnen, die Teilung des Helden in Richard und Adam.
Story ohne Hänger
Puh, Transhumanismus, gesellschaftliche Konflikte, gespaltene Persönlichkeit - State of Mind geht die ganz großen Themen an. Umso interessanter ist es, wie das Ganze spielerisch aussehen soll. "Es gibt zwar noch ein Inventar, aber es ist kein klassisches Point&Click-Adventure, bei dem man an irgendwelchen Gegenstand-Rätseln hängen bleib", verspricht Martin Ganteföhr.
Stattdessen orientiert sich State of Mind in Sachen Bedienung und Erzählweise eher am aktuellen Daedalic-Spiel Silence. Dazu passt, dass das Spiel in erster Linie für Konsolen entwickelt wird, Inventargefummel macht mit dem Gamepad einfach keinen Spaß. Statt Gegenstand-Kombinationen sollen ohnehin Dialoge im Mittelpunkt stehen. Wer geschickt fragt und antwortet, erfährt mehr über sein Gegenüber, Entscheidungen sollen Konsequenzen haben. Allerdings wird es keine komplett unterschiedlichen Handlungsverläufe geben. Logisch, schließlich wollen Ganteföhr und seine Kollegen ja auch eine konsistente Geschichte erzählen.
Früher war alles schlechter
Der Clou von State of Mind sind die häufigen Charakterwechsel. Auf seiner Mission, die Bruchstücke seiner Persönlichkeit wieder zu verbinden, muss Richard/Adam immer wieder zwischen der realen und der virtuellen Welt wechseln.
"Rund 60 Prozent verbringt ihr in Berlin, um die 40 in City 5", schätzt der Autor Martin Ganteföhr. Dazu kommen rund ein Dutzend Flashbacks in die gemeinsame Vergangenheit von Richard und Adam. Darin spielt man dann andere Personen, denen Richard begegnet ist. So erfahren wir zum Beispiel, wie Richard seine Frau kennengelernt hat und spielen in diesem Rückblick die Gattin gleich selbst. Oder wir schlüpfen in die Rolle von Richards Haushaltsroboter und erleben, wie er gebaut wurde und zu seinem Besitzer kam.
All diese Begegnungen helfen Richard dabei, dem von ihm abgespaltenen Adam zu zeigen, welche Person sie vor dem fehlgeschlagenen Upload waren. "Und dabei merkt man eventuell, dass der alte Richard Nolan gar kein so netter Kerl war", prophezeit Martin Ganteföhr.
Low-Poly-Schönheit
Der Grafikstil von State of Mind ist eigenwillig, aber stimmig. "Das PC-Indiespiel That Dragon, Cancer hat uns bei der Optik sehr inspiriert", gesteht Martin Ganteföhr. "Außerdem denke ich, dass dieser Low-Poly-Stil nicht so schnell altert."
Obendrein gibt die Kombination aus kantigen Charakteren und vergleichsweise detaillierten Hintergründen dem Spiel einen ganz eigenen Look. Und natürlich reduzieren weniger Polygone auch den Aufwand in der Produktion: "Wir sind nicht Quantic Dream, sondern ein kleines Team mit begrenzten Ressourcen." Uns soll das egal sein, so lange die Optik stimmungsvoll ist und zur Geschichte passt. Und wir von State of Mind zum Nachdenken über das schwierige Thema Transhumanismus angeregt werden.
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