Es ist 3 Uhr morgens. Nach der Mitternachtspremiere von Star Wars: Das Erwachen der Macht stelle ich bestürzt fest, dass ich den Film nicht noch einmal sehen muss. Ich bin enttäuscht. Nein, Moment. »Enttäuscht« ist nicht das richtige Wort. »Unterwältigt« trifft es eher.
Habe ich wirklich gerade ein verkapptes Remake des ersten Star Wars gesehen? Denn das ist »Das Erwachen der Macht« im Geiste:
Warnung: der folgende Absatz enthält Spoiler
Da gibt es den Droiden, den es samt eines MacGuffin, hinter dem alle her sind, auf einen Wüstenplaneten verschlägt, wo er einen jungen Helden wider Willen trifft. Und da gibt es eine riesige Kampfstation samt Raumschlacht und Grabenflug während des Countdowns bis zur Schussbereitschaft der Superkanone.
Wo es allerdings im Ursprungs-Star-Wars einen charismatischen und bedrohlichen Bösewicht gab, ist die maskierte Entsprechung Darth Vaders eine schlaksige, weinerliche Lachnummer mit stimmverzerrender Maske um der Stimmverzerrung und des »coolen« Looks Willen. Wirklich, Disney? So wollt ihr die legendäre Filmreihe fortsetzen? Warum habt ihr nicht gleich ein »echtes« Remake draus gemacht?
TV-Serien-Charme
Die wenig imposante Figur des maskierten Bösewichts könnte tatsächlich geradewegs aus einer TV-Serie stammen, in der es aus Budgetgründen nicht ganz für ein wirklich bedrohliches Design reichte.
Und auch der Rest des Films wirkt zu großen Teilen wie der Pilotfilm einer Star-Wars-TV-Serie: das aalglatte Bild, die offensichtlich sehr irdischen Drehorte, die teilweise nicht einmal ein Fantasy-Makeover erhielten, der überraschend »klein« wirkende Horizont des Films mit den beiden erklärungslos gegeneinander kämpfenden Parteien.
Zudem werden Figuren eingeführt, deren Hintergründe und Ausarbeitung offensichtlich für zukünftige Episoden vorgesehen sind. Das sind Mechanismen, die bei einer wöchentlich ausgestrahlten TV-Serie vielleicht funktionieren, doch wenn ich auf weitere »Folgen« (und damit Antworten auf die aufgeworfenen Fragen) jeweils zwei Jahre warten muss, finde ich das nur nervig.
Auf Fortsetzung produziert
Klar, die ersten Star-Wars-Filme waren ebenfalls nicht in sich abgeschlossen, doch George Lucas verstand es im Gegensatz zu J.J. Abrams, selbst in den unterirdischen Prequels den klassischen Kino-Serial-Charakter geschickt in die Struktur der Filme einzubetten, ohne dabei die Story unnötig zu verschachteln und zu verschwurbeln.
Jeder dieser Filme konnte auch für sich alleine stehen, ohne den Zuschauer rätseln zu lassen, was es denn nun mit dieser oder jener Figur auf sich hat. Das Erwachen der Macht ist hingegen einfach nur plump auf Fortsetzung ausgelegt. Sogar inklusive Cliffhanger-Ende. Die Überfrachtung mit »Fanservice« wie kurz ins Bild gehaltenen Requisiten aus den alten Filmen macht es nicht besser.
Wie mies muss wohl die von George Lucas vorgeschlagene Story gewesen sein, dass Disney sich stattdessen für etwas entschied, das in weiten Teilen an Fan-Fiction erinnert? Tatsächlich habe ich die Hälfte des Films schon wieder vergessen, während der Abspann läuft.
Eine neue Hoffnung
Wirklich schlecht ist der neue Krieg der Sterne dennoch nicht. Ich habe schon unzählige deutlich miesere Filme gesehen, und ich ziehe Das Erwachen der Macht jederzeit den Prequels vor. Aber trotz einer vergossenen Freudenträne über den Anblick der plastisch in die Tiefen des 3D-Alls verschwindenden Anfangsschrift ist es nicht »mein« Star Wars oder das Star Wars, das die Trailer mir versprachen.
Dennoch bin ich mir sicher, dass Disneys Sternenkrieg das Star Wars der jetzigen Generation werden wird, so wie auch schon die Prequels und die Clone Wars eine Generation prägten - und wie die Originalfilme zuvor mich prägten.
Mit ein paar Stunden Abstand zum ernüchternden Filmerlebnis hege ich Hoffnung, dass ich die kommenden Filme trotzdem genießen kann, da ich nun weiß, was ich zu erwarten habe. Denn anschauen werde ich sie mir so oder so. Das gebietet die Fan-Ehre.
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