»Arbeitet nicht in der Spieleindustrie, wenn ihr nicht die 80 Stunden Arbeit pro Woche liebt«. Diese These vertritt der Entwickler-Veteran Alex St. John, Miterfinder von DirectX, in einem Gastbeitrag im Branchenmagazin VentureBeat.
Der Artikel sorgte für Aufruhr und größtenteils für heftige Kritik, da er die derzeitigen Praktiken in der Spielebranche verteidigt: Unbezahlte Überstunden, extreme Arbeitszeiten in der so genannten Crunch Time und eine Kultur der Dankbarkeit, dass man überhaupt einen Job im Videospielsektor ergattert habe.
"Man muss sich schon einen richtigen Job suchen und Business Software entwickeln, wenn man »fair« bezahlt werden und um 17 Uhr nach Hause möchte. Jeder, der gut genug ist, um Videospiele zu programmieren, ist gut genug, um für etwas anderes besser bezahlt zu werden. Falls es für jemanden anstrengend ist, zeitweise über Monate hinweg 80 Stunden pro Woche an einem Spiel zu arbeiten… dann sollte man üben, bis man besser wird. Spiele zu entwickeln ist kein Job, eine Maus herumzuschieben ist nicht mühselig, es ist die wohl fantastischste Möglichkeit Geld zu verdienen […]."
Zwischen der doch fragwürdigen Rhetorik von St. John, die sich bei der Argumentation einiger kaum moralisch handelnder Manager bedient, findet sich ein durchaus interessanter Grundgedanke: St. John fordert Industrieveteranen auf, auf die Seite der Indieentwickler zu wechseln. Denn dort schaffen unbedarfte Amateure Millionenhits (beispielsweise Stardew Valley), während gut ausgebildete, kluge und vor allem erfahrene Veteranen mit beeindruckenden Lebensläufen bei großen Publishern zu langen Arbeitszeiten, Überstunden und schlechter Bezahlung gezwungen werden. Statt sich zu beschweren, sollten diese Veteranen einfach das Lager wechseln und den verdienten Lohn einstreichen. Wer das nicht wolle oder könne, soll zumindest das Gejammer einstellen, das so klingen würde, als müsse man »in Ländern der Dritten Welt nach Blutdiamanten graben, um die Familie zu ernähren«. Auf die ebenfalls schwierigen Arbeitsbedingungen, der finanziellen Herausforderung und das benötigte Glück als Indieentwickler geht St. John jedoch nicht ein.
Besonders für einen Punkt wird St. John in seinem Text angegriffen, und zwar seinem sarkastischen Kommentar, dass Entwickler scheinbar sogar am Burnout-Syndrom leiden können. St. John litt nämlich wegen Überarbeitung selbst an Burnout, was zum Auseinanderbrechen seiner Ehe führte und 1997 in der Kündigung beim Arbeitgeber Microsoft kulminierte. Das war zu dem Zeitpunkt aus finanzieller Sicht egal, dank Microsoft-Anteilen ist St. John nicht mehr auf eigene Arbeit angewiesen und kann komfortabel leben. Von Alex St. John stammt ebenfalls eine Präsentation, in der er zur Einstellungen von Anfängern und sozial-untauglichen Entwicklern (genannt »Asperger Ingenieur«) rät, da man diese härter Arbeit lassen könne.
Der Artikel ist ein Blick hinter die Kulissen der Spieleindustrie, die für teilweise widrige Arbeitsbedingungen bekannt ist. Fälle wie bei Rockstar Games, als 2010 die Ehefrauen der Macher von Red Dead Redemption offen das Management des extrem erfolgreichen Studios angriffen, gibt es immer wieder. Selten wird bei der Debatte aber die Seite der Beschäftigten kritisiert, wie es Alex St. John in seinem Beitrag macht.
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