Ich bin geräuschempfindlich. Wirklich sehr geräuschempfindlich. Schuld daran ist unter anderem eine sogenannte Hyperakusis, also eine krankhafte Überempfindlichkeit gegenüber Umgebungsgeräusche. Gegen die wollte ich vor über fünf Jahren ankämpfen, indem ich mir einen Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung gekauft habe.
Vorrangig sollte er meine Nerven beim Arbeiten schonen, da ich an meinem Monitor aber auch Multiplayer-Spiele zocke, habe ich die Kopfhörer direkt an der Konsole ausprobiert. Mit absolut durchschlagendem Ergebnis.
Erste Erfahrungen mit Noise Cancelling
Ich war schon immer ein Fan von Kopfhörern, da mir die unmittelbare Nähe von Klängen eher zusagt als ein Lautsprechersystem, dessen Töne mir stets weit entfernt erscheinen.
Ausgestattet habe ich mich seit der Xbox One und PS4 mit namhaften Marken, darunter Beyerdynamic oder AKG. Nach und nach sind dann aber die ersten bezahlbaren Kopfhörer mit Active Noise Cancelling auf den Markt gekommen.
Bei Active Noise Cancelling (ANC) handelt es sich um eine Form der Geräuschunterdrückung. Dabei kommen Mikrofone sowohl im Kopfhörer (Feedback) als auch außerhalb (Feedforward) zum Einsatz. Sie nehmen den Schall aus der Umgebung auf und speisen dann einen Gegenschall ein, der die Außengeräusche negiert.
Und schon beim ersten Probehören wurde klar: Reagiert ihr so empfindlich auf kleinste Nebengeräusche wie ich, dann ist Active Noise Cancelling ein wahrer Segen!
Endlich konnte ich mich von der anstrengenden Akustik unseres hellhörigen Familienhauses abnabeln. Keine dröhnenden Fußschritte mehr über mir und auch keine laut geführten Gespräche am Gartenzaun, sodern einfach nur Ruhe.
Deswegen würde ich nie wieder zu einem klassischen Kopfhörer greifen
Neben der Abschottung von der Außenwelt haben ANC-Kopfhörer für mich noch einen weiteren, zentralen Pluspunkt. Bei handelsüblichen Kopfhörern kann ich mich nie völlig in der Akustik fallen lassen und das je nach Bauart aus unterschiedlichen Gründen:
- geschlossene Modelle fühlen sich für mich einengend an, da mein Gehör eindeutig die physische Grenze des Plastikgehäuses drumherum bemerkt
- offene oder halboffene Kopfhörer lassen hingegen viele Geräusche durch, sei es das Knautschen meines Sessels, das Surren meiner PS5 oder das Drücken von Controller-Tasten
Active Noise Cancelling eliminiert für mich jedoch beide Aspekte. Ich bekomme keinen Kontext aus der Umgebung und genieße dadurch eine scheinbar unendliche Sound-Bühne. Diese wird zwar nicht von jedem Kopfhörer ausgefüllt, aber das Gefühl von Weite ist immer präsent.
Die erste Multiplayer-Session wurde zum Erweckungserlebnis
Es hat nicht lang gedauert, bis ich mit meinen ANC-Kopfhörern zur Konsole geschwenkt bin. "Scheinbar grenzenlose Akustik und eine völlig von Nebengeräuschen befreite Klangkulisse? Damit mache ich jetzt jeden Online-Server unsicher!" dachte ich mir und wurde auch direkt bestätigt.
Die Fußschritte meiner Feinde waren für mich auf einmal viel besser zu orten und dem dreidimensionalen Raum zuzuordnen, genau wie Schüsse oder Explosionen.
Sei es in meinem damaligen Lieblings-Shooter Gears of War 4 oder in heutigen Spielen wie Call of Duty: Warzone und Halo: Infinite – mehr Immersion und Mittendrin-Gefühl geht für mich nicht.
Kurzum: Ein absoluter Traum für mich als ehemaligen eSportler!
Wobei ich kinoreife Erfahrungen wie The Last of Us Part 1 oder God of War Ragnarök keineswegs geringer bewerten würde. Hier bekommt die Atmosphäre durch den Eindruck, ohne Eingrenzung in einer brachialen Action-Sequenz oder einem mitreißenden Dialog zu sitzen, einen gewaltigen Schub.
Wie gut zum Beispiel The Last of Us Part 1 abgemischt ist, könnt ihr hier im Trailer herauszuhören:
Meine Preis-Leistung-Empfehlung: Sony WH-1000XM4
Vielleicht ist euch schon aufgefallen, dass ich bisher nicht benannt habe, für welche Kopfhörer ich mich entschieden habe, und das hat einen recht simplen Grund: Ich habe mich lange durchprobiert und war mit vielen Produkten absolut zufrieden.
Zum Beispiel habe ich die 'Quiet Comfort'-Reihe von Bose getestet und deren Noise Cancelling-Fähigkeiten haben mich völlig umgehauen. Bässe waren für meinen Geschmack jedoch ein Stück zu dominant und darauf reagiere ich regelrecht allergisch.
Kurz danach legte ich zwei Zwischenstopps beim Sennheiser Momentum 3 und dem Beoplay H9 von Bang & Olufsen ein. Beide punkteten mit ihren edelen Designs und einem ausgewogenen Klang, aber in Sachen ANC liegen sie ein wenig hinter der Konkurrenz.
Zum Abschluss bin ich bei Sony gelandet und auch geblieben. Deren WH-1000XM3-Modell beziehungsweise dessen Nachfolger (XM4 und XM5) hat mich mit seiner auf Mitten fokussierten Sound-Charakterisik überzeugt. Für mich geht wenig über ein knallendes Schlagzeug-Solo oder krachende Waffen-Sounds und dort liegen eindeutig die Stärken des Sony-Kopfhörers.
In den Tiefen wird es zwar ganz schön dünn und auch den Höhen fehlt es hin und wieder an Schmackes, dafür ist das Noise Cancelling jedoch absolut herausragend, zumal es nahezu ohne Grundrauschen auskommt. Das ist bei ANC-Kopfhörern quasi immer präsent, bei neueren Modellen müsst ihr euch jedoch stark darauf konzentrieren, um es wahrzunehmen.
Ein ausschlaggebendes Argument für Sony war für mich darüber hinaus der vergleichsweise niedrige Preis. Die WH-1000XM3 waren schon länger erhältlich, weshalb ich sie vergünstigt erstehen konnte.
Beim aktuellen XM4-Nachfolger, der eine circa 30 Prozent längere Akkulaufzeit bietet, ist das jetzt auch wieder der Fall. Ausgehend von Preissuchmaschinen wie Geizhals und Idealo kommt ihr während der laufenden Black Friday-Woche im Vergleich zum normalerweise anliegenden Durchschnittspreis auf ein Ersparnis von ungefähr 40 Euro, sowohl bei Amazon als auch MediaMarkt und Saturn.
Trotz der Sony-Vorliebe muss ich aber dennoch ganz klar sagen: Es sind Feinheiten beim Klang, die letztendlich für mich entscheidend waren. Falls euch ein anderes Klangprofil eher liegt, dann solltet ihr es lieber bei einer anderen Marke probieren.
Steht euch der Sinn eher nach prägnanten, wummernden Bässe, dann versucht es auf jeden Fall mit den Quiet Comfort Ultra von Bose oder den günstigeren und beim Noise Cancelling schwächeren Sennheiser Momentum 4.
B&Os Beoplay HX ist dagegen der klare Sieger, wenn es nach der Ästhetik geht, und schlecht klingen sie auch nicht – nur ist hier die Bose- und Sony-Konkurrenz erneut bei der aktiven Geräuschunterdrückung effektiver.
ANC-Kopfhörer haben auch massive Nachteile
So toll Kopfhörer mit Active Noise Cancelling auch sind, sie weichen in Sachen Handhabung und Bedienung ein gutes Stück von klassischen Kopfhörern ab.
Die Stromzufuhr eines Klinkenanschlusses reicht zum Beispiel nicht aus, um die fürs Noise Cancelling zuständigen Mikrofone zu betreiben. Daher kommt stets ein Akku zum Einsatz, der in der Regel nach 20 bis 40 Stunden wieder aufgeladen werden muss.
Außerdem wird eure Stimme weggeblendet, ihr hört euch also kaum noch selbst, wenn ihr im Sprach-Chat aktiv seid oder einen Anruf entgegennehmt. Dafür gibt es zwar bei den meisten ANC-Kopfhörern eine Sidetone-, Ambient- oder Monitoring-Funktion, die das Gesprochene im Kopfhörer wiedergibt, sie kann jedoch auch irritieren, da es zu stimmlichen Veränderungen und/oder einem leichten Lag kommt.
Entscheidet ihr euch für einen reinen Kopfhörer, müsst ihr euch zudem um ein Mikrofon für den Voice-Chat auf Xbox Series X|S oder PS5 kümmern. Beispielsweise mit einem Ansteckmikrofon, das dann zusammen mit dem Kopfhörer via Y-Kabel am Controller oder einem USB-Mixamp mit der Konsole verbunden wird.
Einige Modelle bieten aber auch die Option, die Aufnahmen der Außenmikrofone ins Sprechsignal einzuspeisen.
Es geht zudem selten drahtlos!
Ihr könnt ANC-Kopfhörer via Bluetooth mit eurem Fernseher koppeln, die meisten TV-Modelle unterstützen jedoch keinen Niedriglatenz-Modus. Das geht nur über eine zusätzliche Transmitter-Box wie der von inatek.
Alternativ könnt ihr einen Niedriglatenz-Adapter an der PS5 (oder Nintendo Switch) für kabellosen 3D-Sound anschließen. Dafür gibt es ein paar wenige Produkte, zum Beispiel der GuliKit Route Air+ Pro oder der Skull & Co AudioStick.
Achtet dabei stets auf den verwendeten Bluetooth-Codec!
Im Gaming ist ein verzögerungsfreier Sound wichtig und den bietet nicht jeder Kopfhörer und auch nicht jedes Quellgerät. aptX Low Latency ist dabei die beste Wahl, damit reduziert ihr die Übertragungsdauer deutlich.
Insbesondere Sony-Kopfhörer fallen dadurch bei der Bluetooth-Nutzung flach: Statt aptX setzt der PlayStation-Hersteller auf den eigenen Codec LDAC. Dieser ist jedoch auf eine hohe Ton-Qualität getrimmt und nicht auf eine niedrige Latenz, weshalb ihr bei den XM4 und XM5 ausschließlich zum Kabel greifen solltet.
Möchtet ihr es unkompliziert, dann müsst ihr auf ein echtes ANC-Headset wie das Turtle Beach Stealth Pro oder Razer Barracuda zurückgreifen. Die halten klanglich zwar nicht wirklich mit guten Kopfhörern mit, bieten eher schwächeres Noise Cancelling und sind vergleichsweise teuer, dafür seid ihr dann aber komplett unverkabelt unterwegs.
Und natürlich ist der Preis bei ANC so eine Sache: Reine Studio-Kopfhörer ohne Noise Cancelling bieten zumeist ein filigraneres Klangbild als Noise Cancel-Kopfhörer zum selben oder höheren Preis.
Ist euch dieser Aspekt wichtiger als die Vorteile durch die Geräuschunterdrückung, dann seid ihr in den Händen von Noise Cancelling-freien Händen Austrian Audio, Master & Dynamics, Plantronics und Co. klar besser aufgehoben.
Meinung der Redaktion
Habt ihr schon einmal mit Noise Cancelling-Kopfhörer gezockt oder ist das nichts für euch?
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