Eines vorweg: Ich interessiere mich sehr für Pirat*innen-Themen. Skull and Bones ist das aber nicht zu verdanken, sondern die Serie Our Flag Means Death, die mich dazu brachte, fast das ganze Jahr wissenschaftliche Lektüre über Piraterie zu lesen. Ich war also ziemlich gut vorbereitet auf die Closed Beta des Spiels, das bislang hauptsächlich mit Verschiebungen von sich reden gemacht hat.
Leider ließen mich die sechs Stunden im Spiel ziemlich unberührt zurück, was vor allem an der fehlenden Story, NPCs wie aus dem Kopierer und sich wiederholenden Aufgaben liegt.
Darum geht’s in Skull and Bones: Stellt euch AC Black Flag ohne Meuchelmörder*innen, Klettern, Aliens und stattdessen mit selbst erstelltem Charakter vor – und das alles in einem MMO. Das ist es im Prinzip.
Wer bin ich?
Gegen Ende des 17. Jh. erleiden wir Schiffbruch im Indischen Ozean und erleben die ziemlich generische Entstehungsgeschichte unserer Spielfigur. In einem Charaktereditor dürfen wir entscheiden, wie der Avatar aussehen soll. In meinem Fall wurde diese namenlose Person eine herrlich muskulöse, bärtige Piratin.
"Namenlos" sage ich hier nicht nur, weil anstelle eines eigens für die Figur gewählten Namens lediglich unser Accounttitel über dieser schwebt, sondern auch wegen der nicht vorhandenen Originstory. Was ich mich während des Spielens immer wieder fragte: Warum ist mein Charakter überhaupt Piratin geworden? Woher stammt sie? Warum ist es offenbar ihr Ziel, zur "berüchtigsten Piratin" aufzusteigen? Darauf gibt das Spiel keine Antworten.
Nach unserem Schiffsbruch wieder auf den Beinen geht’s auch schon ans Looten. Wracks, Inseln und das Meer selbst wollen geplündert werden. Erst hocken wir hierzu auf einem kleinen Nussschalenboot, doch bereits bei unserer Ankunft am Umschlagsort Sainte-Anne ändert sich das. Hier finden wir zahlreiche Geschäfte, um alles zu kaufen und zu verkaufen, was Pirat*in braucht oder eben nicht braucht.
Sainte-Anne ist aalglatt, was problematisch ist, denn wenn das durch Seeraub gezeichnete Leben Ende des 17. Jh. eines war, dann nicht hübsch. Es war dreckig, rau und von Elend geprägt. Süße Katzen mit Holzbeinchen wie in einer Kneipe in Sainte-Anne hätte man in einer Seeräuber*innen-Hochburg sicherlich nicht vorgefunden. Aber hier sollte man bedenken, dass das Setting sowieso fiktionalisiert ist und künstlerische Freiheiten zugestehen.
Die eigentlich schön anzuschauende Wasserwelt wirkt ziemlich leblos – nur an bestimmten Hot Spots, wie an der Küste rund um Sante-Anne ist was los. Viele freie Flächen auf dem Wasser und im Hinterland hätte man sich sparen können. Zumal die Grafik an Land auch noch technisch veraltet aussieht.
Und selbst da, wo Leben herrscht, sehen wir uns wachsgesichtigen NPCs mit noch weniger Story als unsere Protagonistin sie hat, ausgesetzt. Dabei bietet dieses Setting so viel mehr als die übliche popkulturelle Romantisierung der Piraterie im "Goldenen Zeitalter".
Mit unserem ersten richtigen Schiff müssen wir dann zunächst ein paar kleinere Missionen erledigen – allesamt natürlich auf dem Ozean. Wir sammeln durch das Überfallen anderer Schiffe Ressourcen, Geld und was wir sonst noch verwenden oder verhökern können und stecken es in unser erstes Schiff, das an eine chinesische Dschunke erinnert und wunderbar wendig ist.
Was an Geld übrig bleibt, investieren wir in neue Kanonen für unseren schiffbaren Untersatz – den wir im Gegensatz zum Charakter selbst benennen dürfen – oder auch in kosmetische Veränderungen wie Klamotten, Segel, ein Haustier usw.
Wasserspaß, der schnell trocken wird
Die Seeschlachten machen zunächst Spaß, spielen sich aber immer gleich. Kanonieren und dann näher ans Ziel heranschippern, um die Crew dreimal per Tastendruck Enterhaken werfen zu lassen. Es folgt eine zwar stimmungsvolle Mini-Cutscene, aber das war‘s dann auch schon.
Mit meiner Mannschaft an Bord gehen und kämpfen darf ich dagegen nicht. Generell spielt sich vieles bloß auf dem Wasser ab, ohne den Spielcharakter tatsächlich auch mal über Deck laufen zu lassen. Sogar Holz sägen wir via QTE-Minigame vom Schiff aus. Dieses wird für den Ausbau unseres Schiffes benötigt.
Dementsprechend wurde uns das reine Gameplay schon während der ersten sechs Stunden langweilig, weil sich der ganze Ablauf stets wiederholte: Auftrag holen, Seeschlacht, Geld und Rohstoffe sammeln und das Zeug dann an Land in Schiffsverbesserungen, die Crew, das Outfit oder in Essen und andere Hilfsmittel stecken.
Im Koop können wir mit bis zu drei Mitspielenden die Meere erkunden und auf Beutezug gehen. Dabei dürfen alle drei ihr eigenes Schiff führen. Während der spontan angespielten Closed Beta habe ich den Koop selbst jedoch nicht ausprobiert und war nur solo unterwegs. Allerdings können wir auch unbekannten Spieler*innen über eine Aktionsoption Hilferufe zukommen lassen, wenn es auf hoher See brenzlig wird.
Die Hauptquest mit Auftraggeber Scurlock beginnt interessant, hätte in einem reinen Singleplayer aber wohl besser funktioniert. Der ambitionierte Seeräuber legt sich direkt zu Beginn mit diversen Handelskompanien an und stellt uns als Handlanger*in ein.
In den Dialogen mit ihm müssen wir aus verschiedenen Antwortoptionen wählen und eine Herangehensweise vorschlagen. Die Hauptstory wird aber nach fünf Minuten fürs Looten beiseite geschoben.
Einschätzung der Redaktion
Nele Wobker
@GamePro_de
Bisher fehlt es Skull & Bones an Tiefgang und Glaubwürdigkeit. Aber: Dass ich nur die Beta gespielt habe, lässt mich hoffen, denn ich sehe viel, bisher verschenktes Potenzial und mag das Setting sehr. Hoffentlich nutzt Ubisoft die verbleibende Zeit, um die offenkundigen Defizite auszugleichen oder sorgt nach dem Release im Februar für mehr Substanz. In Rainbow Six Siege haben sie dies immerhin auch getan. Falls dem so ist, sind meine bärtige Piratin und ich gerne wieder mit an Bord.
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