Haufenweise derbe Witze, Dildoschwerter, Aliens, Kämpfe in der Hölle – so kennen und lieben Fans die Saints Row-Reihe, die sich von Spiel zu Spiel selbst immer weiter mit verrückter Action und Irrsinns-Storys übertroffen hat. Doch dann kam die Ankündigung des Reboots und die Stimmung war erstmal im Keller: Das soll noch Saints Row sein?
Ja, das versprechen zumindest die Entwickler*innen von Volition. Das Reboot soll zwar bodenständiger werden, so aber wiederum zu den Wurzeln der Reihe zurückkehren. Abgefahrene Action, derbe Sprüche und das damit verbundene Saints Row-Feeling soll es trotzdem geben. Dass sich das Open World-Spiel mit diesem Spagat aber etwas schwer tut, konnten wir bereits in einer Anspiel-Session feststellen.
Vier Hipster und ihr Gangster-Imperium
Zurück zu den Wurzeln heißt im Fall von Saints Row, dass der Grad des Wahnsinns etwas runtergeschraubt wird und wir uns wieder mehr darauf konzentrieren, unser eigener Boss zu sein, der oder die ein Gangster-Imperium aufbaut. Diesen Boss erstellen wir dabei in einem der umfangreichsten und abgedrehtesten Editoren, den es aktuell gibt:
Uns zur Seite stehen Neenah, Kevin und Eli, unsere Mitbewohner, die so hip wirken, dass sie auch aus Watch Dogs 2 entsprungen sein könnten. Glücklicherweise können wir ihre Outfits anpassen und sie klopfen auch nicht allzu viele Sprüche mit Fremdschämpotenzial. Trotzdem wirkt die “ach so harte” Truppe etwas aufgesetzt, was sich mit der Zeit aber legen dürfte, da sie bereits in den ersten Stunden eine gute Dynamik haben und wir schließlich tiefer in das actionreiche Chaos mit den rivalisierende Organisationen geraten.
Die Idols, Panteros und Marshalls rücken uns nämlich in Santo Ileso gerne unschön auf die Pelle, während wir Mitglieder rekrutieren, Nebenaufgaben erledigen oder der Geschichte folgen – wahlweise alleine oder im 2er-Koop, den wir leider nicht selbst austesten konnten.
Womit wir bei den Marshalls, oder besser gesagt der Marshall Defense Industry, wären. Unser Charakter erlebt bei ihnen als Frischling die ersten Missionen, in denen wir schon etwas die Sau rauslassen dürfen (was wir euch aber nicht vorwegnehmen wollen). Denn wir sind jung und brauchen das Geld, was aber letztlich kein gutes Ende nimmt und wir uns ein eigenes Gangster-Imperium als Ziel setzen.
Eine typische Open World, nur mit neuem Anstrich
Um unser Gangster-Imperium aufzubauen, müssen wir natürlich so einige Punkte auf unserer ToDo-Liste abhaken. Zu Beginn benötigen wir erst einmal ein Hauptquartier. Und was eignet sich da besser als eine individualisierbare alte Kirche, deren Besitzurkunde wir uns mit etwas Waffengewalt und einem Abrissmanöver besorgen?
Während wir uns in der Anspielsession also daran machten, uns ein trautes Heim zu ergaunern, bekamen wir einen ersten guten Eindruck von der Open World. Und die lässt uns mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits bietet Santo Ileso mir einer Stadt in Südwesten der USA ein Setting, dass für gelungene Abwechslung bei Open World-Spielen sorgt. Andererseits wirkt die Welt durch die vielen sandigen Farben schnell etwas eintönig und ist auch nur dürftig belebt.
Passanten reagieren zudem auch mal zu entspannt. Bei Schüssen ergreifen sie durchaus die Flucht, aber als wir beispielsweise ein besetztes Auto mehrmals rammten, schien das den Fahrer nicht zu interessieren. In GTA 5 kann es da schon mal brenzlich werden.
Apropos Autos: Die von uns getesteten Fahrzeuge fahren sich in Saints Row sehr kontrolliert, wenn nicht sogar etwas zu sehr, was die Bremsen betrifft. Krachen wir aber doch mal irgendwo hinein, macht es dem Wagen kaum etwas aus, das Schadensmodell wirkt nämlich recht einfach gehalten. Auch nach vielen Crashes war fast nur der Lack, der gelitten hat.
Viele Kartensymbole: Hinzu kommt eine mit Aktivitäten zugepflasterte Karte, die bereits beim Anblick Müdigkeit hervorruft, wenn auch nicht so stark wie bei so manch anderen Titeln, beispielsweise Assassin’s Creed Valhalla. Saints Row setzt im Vergleich auf eine kleinere Welt, was uns wiederum nicht komplett erschlägt.
Genug zu tun gibt es mit Bedrohungen, Nebengeschäften, Entdeckungen und Geschäften trotzdem. Dazu gehören unter anderem Wingsuit-Missionen, Heli-Diebstählen, Containern, Fotoschatzsuchen und Tattoo-Studios. Aber nicht nur unseren Boss, auch Waffen und Autos können wir individualisieren.
Action gibt’s genug, nur bodenständiger
Unser Boss kann sich wie für Saints Row üblich in den Missionen ordentlich austoben. Sei es mit einem Raketenwerfer vom Dach eines fahrenden Autos, Granaten, die wir unseren Feinden auch mal in die Hose stopfen, oder durch die Vielfalt der Waffen, die Action in den ersten Spielstunden kommt nicht zu kurz. Die Abzüge die wir machen müssen, betreffen da eher das Drumherum. Die Hölle oder Aliens werdet ihr hier zumindest vergeblich suchen.
Ansonsten machen die Kämpfe in den ersten Stunden durchaus Laune und auch die Heilung durch das Umwerfen der Gegner, indem wir auf sie zustürmen und die entsprechende Taste drücken, fügt sich gut ins Gameplay ein. Vor allem die Kopftreffer fühlen sich dank Blutspritzern und passender Sounds sehr befriedigend an. Einen Innovationspreis gewinnt Saints Row mit leicht abgewandelten Gegnertypen und auf Knopfdruck explodierenden Objekten aber trotzdem nicht.
Bei den Fähigkeiten, zu denen auch der eben genannte Granatentrick gehört, können wir wie in vielen anderen Spielen vier Stück gleichzeitig wählen. Neue Fähigkeiten schalten wir dabei über unser Smartphone frei, sobald unser Level hoch genug ist. Im Smartphone finden wir auch andere nützliche Apps für Quests, eine Kamera und die Auflistung zusätzlicher Herausforderungen, die uns ebenfalls Erfahrungspunkte bescheren.
Im Gameplay-Trailer zu Saints Row könnt ihr euch von all dem selbst einen kleinen Eindruck verschaffen:
Im Kampf kommt ihr nicht weit: Trotz der vielen Möglichkeiten gibt es im Kampf aber ein paar Knackpunkte. So kommt es schnell mal vor, dass wir eine Warneinblendung erhalten, uns nicht zu weit von dem Geschehen zu entfernen, da die Mission sonst fehlschlägt. Dass wir hier nicht groß flüchten sollen ist nachvollziehbar, allerdings sollte der erlaubte Bereich erweitert werden, um immerhin etwas mehr Ausweichmöglichkeiten zu bieten. Uns ist das beim Anspielen zumindest negativ aufgefallen.
Bei der KI gibt es auch ein wenig was zu meckern. Zwar kämpfen auch andere Open World-Spiele damit, uns intelligente Feinde vorzusetzen, allerdings hatten wir im Kampf vor dem neuen Hauptquartier mehrmals die Situation, dass unsere Gegner gemütlich im Golfwagen saßen und warteten, bis wir nah genug an sie herankamen. Dabei hätten sie uns längst sehen und angreifen müssen. Immerhin halten sie nicht unendliche Treffer aus, bis sie schließlich mal das Zeitliche segnen, wobei das bei den vier anderen Schwierigkeitsgraden variieren dürfte.
Wie sieht es mit Barrierefreiheit aus? Der Blick in die Einstellungen stimmt uns positiv: Saints Row wird in den Bereichen Gameplay, Steuerung, Visuelles, Audio und Kamera über Barrierefreiheitsoptionen verfügen. Dazu zählen beispielsweise die Gendergerechte Sprache, ein Hochkontrast-Modus, Zielhilfen und auch das freie Belegen der Tasten.
Technisch hakt es noch etwas
Dass Saints Row verschoben wurde, war sicherlich eine gute Idee. Die Preview-Version spielte sich zumindest soweit sehr flüssig. Framerate-Einbrüche oder viele aufploppende Texturen konnten wir nicht feststellen, wobei wir das bei einem leistungsfähigen PC auch erwarten. Wie es letztendlich auf den Konsolen sein wird, können wir derzeit noch nicht einschätzen.
Trotzdem mussten wir bei der ein oder anderen Ladezeit ein paar Sekunden warten und uns einige verbuggte Animationen gefallen lassen. Neenah hat es beispielsweise geschafft, in einer Sitzposition entspannt über dem Boden zu schweben. So eine Körperbeherrschung hätten wir auch gerne. Was aber viel mehr störte, war das zickige Waffenrad, das beim Knopfdruck häufig nicht reagieren wollte.
Was uns dazu noch irritierte war die Schärfe des Spiels. Das Bild bzw. Abschnitte davon wirkten immer wieder etwas unpassend unscharf und krisselig, während es an anderer Stelle scharf war. Das fühlte sich einfach unausgeglichen an.
Saints Row hat seinen Ruf weg und das ist ein Problem
Selbst wer noch nie Saints Row gespielt hat, dürfte vermutlich mitbekommen haben, dass die Spielereihe sich nicht zu ernst nimmt. Vor allem die letzten Teile sind bekannt für abgefahrene Action mit absurden Missionen und derben Humor. Aber auch wenn beim Reboot betont wird, dass es bewusst sachlicher zugehen soll, stellt dieser Ruf ein Problem dar.
Sich einerseits neu zu erfinden, aber genug altbekannte DNA zu erhalten, um dem Namen gerecht zu werden, ist eine Herausforderung. Im Fall von Saints Row wirkt es nach den vier Spielstunden etwas erzwungen umgesetzt. Es gibt nach wie vor viel Action und verrückte Ideen, aber nicht so, das es richtig zündet. Dadurch dürften vor allem Fans von Saints Row 4 enttäuscht werden, während Neulinge diesen wackeligen Balanceakt vorgesetzt bekommen. Trotz der Erklärung dürfte der Ruf eine Erwartungshaltung schaffen, die gar nicht bis kaum bedient werden kann.
Da es sich hierbei aber nur um die Momentaufnahme der ersten vier Spielstunden handelt, stehen die Chancen gut, dass der weitere Spielverlauf an einigen Ecken und Enden noch was rausreißt. Vor allem der Koop-Modus für zwei Spieler*innen dürfte dem Reboot gut tun, da Santo Ileso als Sandbox einfach dazu einlädt, Blödsinn zu veranstalten, egal wie Saints Row sich am Ende schlägt.
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