»So ein Arschloch bin ich nicht«
Eines muss man dem Oscar-nominierten Drehbuchautor Peter Morgan lassen: er hat ein gewisses Händchen dafür, reale Geschichten fesselnd und mitreißend für die Leinwand zu adaptieren. Das gelang ihm bei The Queen (2006) und Frost/Nixon (2008) schon ziemlich einwandfrei. Trotzdem gibt er bereitwillig zu, dass es mit wahren Begebenheiten immer so eine Sache ist. Nicht alles kann einwandfrei den Tatsachen entsprechen, schließlich soll die Handlung auf zwei Stunden kondensiert werden.
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Rush - Niki Lauda im Interview
Auch bei Rush hat er sich also ein paar kleine künstlerische Freiheiten herausgenommen. Es gibt eine Szene, in der James Hunt ordentlich auf einen Journalisten einprügelt. Das sei so nicht passiert, so Morgan. Allerdings habe James Hunt »so ziemlich jedem anderen einen Schlag verpasst«, daher passte das ganz gut in die Geschichte. Tatsächlich wirkt Rush erstaunlich realitätsnah, vor allem Niki Lauda selbst gab sich begeistert. Es war, als würde er «die ganzen Geschehnisse erneut durchleben« und besonders die Unfall- und Krankenhausszenen seien ihm »wirklich unter die Haut gegangen«, verrät er im Interview.
Wenn Lauda, der bekanntlich sehr barsch und kompromisslos sein kann, dem Film solchen Zuspruch gibt, ist das wahrscheinlich schon das größte Lob für Regisseur und Autor. Eines kann Lauda sich im Interview mit uns dann aber doch nicht verkneifen »Ich war zunächst doch ein bisschen schockiert, da ich wie ein totales Arschloch rüberkomme. So schlimm bin ich eigentlich nicht.«
Nicht nur ein Männerfilm
Kaum ein anderer Sport gilt so sehr als Männersache wie die Formel 1. Mit Ausnahme der attraktiven Boxenluder, wird das Publikum dem Klischee doch meist ziemlich gerecht und es finden sich hauptsächlich Rennsport-begeisterte Männer auf der Tribüne und vor dem Fernseher ein. Das Überraschendste an Rush ist also, dass der Film alles andere als ein bloßer Männerfilm ist. Und dabei wird nicht einmal zwanghaft versucht, Liebeshandlungen oder übertriebenes Drama mit einfließen zu lassen. Ja, die Geschichte rund um Laudas Beziehung zu Frau Marlene wird genauso thematisiert wir Hunts gescheiterte Ehe zu Supermodel Suzie Miller (Olivia Wilde), dennoch wirkt die Mischung von Sport und Privatleben sehr ausgewogen. Rush erzählt von mehr als nur dem Kampf um den Titel.
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Rush: Alles für den Sieg - Am Set des Formel-1-Films
Der Film ermöglicht einen fast Doku-ähnlichen Einblick in das Leben zweier Rivalen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Dabei wird Howards Erzählung zu keinem Zeitpunkt pathetisch oder plakativ. Egal, ob man sich für den Rennsport interessiert oder nicht: dem Interesse an dem Schicksal der zwei Helden kann man sich kaum entziehen. Das liegt sicherlich zum einen an dem tollen Skript und der atmosphärisch gelungenen Umsetzung. Howards Bilder sind in einen Instagram-artigen Filter getaucht, der das Gefühl der Siebziger zum Leben erweckt. Wir tauchen ein in eine Zeit, in der jedes Rennen zigmal so gefährlich war wie heute. »Heute fordert der Rennsport schließlich nicht mehr die gleiche Charakterstärke seiner Teilnehmer,« so Lauda. »Heute ist alles wesentlich sicherer und routinierter.«
So schön die Bilder aber auch sind und so packend das Skript ist: Rush wäre nichts ohne die wirklich bemerkenswerte Leistung seiner Hauptdarsteller. Daniel Brühl wird voll und ganz zu Niki Lauda, hat von der Mimik bis hin zur Aussprache alles perfekt drauf. Es wundert kaum, dass jetzt schon über eine Oscarnominierung gemunkelt wird. Und Chris Hemsworth zeigt nach relativ einseitigen Charakteren in Filmen wie Thor und Snow White and the Huntsman eine ungeahnte Bandbreite.
Fazit
Anne Facompre: Rush ist die Überraschung schlechthin. Und zwar nicht, weil Ron Howard einen (weiteren) guten Film geschaffen hat, sondern weil es ein guter Film nicht nur für F1-Fans ist. Bei der Thematik ist das alles andere als selbstverständlich. Dass junge Frauen und alteingesessene Fans der Formel 1 gleichermaßen begeistert aus dem Kino kommen, ist ein unglaublicher Erfolg. Außerdem sind die Rennszenen und Effekte für das relativ bescheidene Budget von 38 Millionen Dollar wirklich beachtlich. Rush ist ein toller Film, der kritische Formel-1-Fans zufrieden stellen und alle anderen positiv überraschen wird.
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