»Wann sind wir endlich da?« Keine Frage mussten sich meine Eltern öfter anhören, wenn wir früher in den Urlaub reisten. Denn während meine Mutter so ihre Probleme mit dem Fliegen hat, hält es mein Vater nicht allzu lange auf Schiffen aus. Irgendein Lastminute-Flug fiel für uns damit genauso flach wie eine Kreuzfahrt. Also blieb uns entweder der heimische Garten oder meist lange Autofahrten, beispielsweise nach Italien. Blöd nur, dass gerade Geduld nicht zu meinen Stärken zählte. Auch heute noch fällt mir das Warten hin und wieder schwer.
Nach Uncharted 4 hätte ich mich zum Beispiel am liebsten direkt in Rise of the Tomb Raider gestürzt, um dort meine nächsten Abenteuer zu erleben. Doch leider fehlte dazu eben die PS4-Version des Spiels, die damals erst in einigen Monaten erscheinen würde.
Tim-Philipp Hödl
@DieserHoedl
Tim ist mit Indiana Jones und Lara Croft groß- und mit Nathan Drake erwachsen geworden. Dass ihn das Tomb Raider-Reboot von 2013 wieder mit seiner Freundin aus Kindertagen zusammenbrachte, freute ihn da umso mehr. Nur mit der Geschichte, die unbedingt so bedeutungsschwanger sein wollte, aber letztlich von einem unnötig pathetischen Überlebenskampf erzählte, konnte er nichts anfangen. Ein Glück, dass Rise of the Tomb Raider hier eine andere Richtung einschlägt.
Umso gespannter war ich, als ich vor kurzem die Chance hatte, eine Preview-Fassung der 20th Anniversary Edition auszuprobieren. Und obwohl erst unser Test ein abschließendes Fazit liefern wird, bin ich mir schon jetzt sicher: Das Warten auf die PS4-Version von Rise of the Tomb Raider hat sich gelohnt.
Zum einen liegt das nach wie vor am Spiel selbst. Rise of the Tomb Raider erzählt eine angenehm unprätentiöse Abenteuergeschichte im Stil von Indiana Jones und der letzte Kreuzzug und bietet darüber hinaus sauber ausproduziertes Gameplay. Ob nun Klettern, Schleichen, Kämpfen oder Rätseln – von der in seltenen Fällen hakeligen Steuerung abgesehen funktioniert der spielerische Kern stets so, wie er soll.
Zudem überzeugt Rise of the Tomb Raider auf der PS4 auch aus technischer Sicht. Klar, an einen Exklusivtitel wie das bereits erwähnte Uncharted 4 reicht dieses Action-Adventure nicht heran. Dafür besticht es aber auch rund ein Jahr nach dem ursprünglichen Release mit wunderschön ausgearbeiteten Kulissen, die Hobbit Samweis als »wahre Augenöffner« bezeichnen würde.
Die 20th Anniversary Edition umfasst neben einer handwerklich gut gemachten PS4-Umsetzung des Originals jedoch zusätzlich neue Inhalte, die bestimmte Aspekte des Hauptspiels gekonnt hervorheben.
So greift der Online-Koop den Ausdauer-Modus auf und rückt damit die Survival-Mechaniken, die in der Kampagne eine untergeordnete Rollen spielen, in den Vordergrund. Anstelle einer Heldin müssen hier zwei Spieler in den Weiten Sibiriens irgendwo zwischen schneebedeckten Wäldern, allerlei Gegnern und diversen Grabanlagen überleben. Wie in der Kampagne von Rise of the Tomb Raider sammle ich Ressourcen und Erfahrungspunkte, um mich mit Hilfe von Upgrades und neuen Fähigkeiten zu stärken. Aber anders als im Story-Modus sollte ich nebenbei immer wieder etwas essen und mich aufwärmen. Der Kniff dabei: Während ich mir Crafting-Materialien und Nahrung mit meinem Partner teile, muss schon jeder von uns selbst dafür sorgen, nicht zu erfrieren – und trotz entsprechender Status-Anzeigen für Hunger und Körpertemperatur kann das schnell mal passieren.
Dadurch fragen wir uns alle paar Minuten, ob wir etwa wirklich nach neuen Waffen suchen sollten, bevor wir eine Wärmequelle ausfindig machen. Andererseits könnten wir dabei jedoch in einen Bären stolpern, gegen den wir nur mit einem Bogen kaum ankommen. Durch den Koop-Modus von Rise of the Tomb Raider wehen nicht nur eisige Schneeböen, sondern auch die Spannung, ständig solche Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen leben zu müssen. Außerdem gibt er mir den Antrieb, den ich im Solo-Ausdauer-Modus vermisse. Alleine lässt bei mir schnell die Motivation nach, mich der Wildnis zu stellen, aber mit dem richtigen Partner treiben wir uns gegenseitig dazu an, doch noch diese eine Krypta zu plündern, doch noch diesen einen Versuch zu wagen.
Der Zombie-Modus Laras Albtraum sowie die Story-Erweiterung Blutsbande verfolgen wiederum jeweils andere Ansätze. Ersterer setzt voll und ganz auf so kurzweilige wie derbe Action, letzterer verzichtet hingegen fast komplett auf das, was Tomb Raider spielerisch ausmacht. Stattdessen dreht sich hier alles um Lara und ihre Familie.
Ich laufe durch das teils baufällige Anwesen der Crofts, erkunde die Umgebung und inspiziere Erb- oder Erinnerungsstücke. Zu diesen erzählt Lara aufrichtig schöne Anekdoten oder durchlebt Szenen ihrer Kindheit in Gedanken erneut. An einer Stelle erinnert sich Lara zum Beispiel an ihre erste »Expedition«, die sie und ihren Vater in den »Keller der Verzweiflung« führte. Dort höre ich, wie sich beide spaßeshalber Mut zusprechen und sich ausmalen, was sie wohl am Ende ihrer Reise erwartet, während ich die Überbleibsel dieser Schatzsuche entdecke. Einer dieser Momente macht die Abenteurerin als Menschen für mich greifbarer als zehn Cutscenes, in denen sie einem toten Reh hinterhertrauert.
Ihr merkt schon, ich hatte mit der PS4-Version von Rise of the Tomb Raider viel Spaß – sogar so viel, dass ich mir zwischenzeitlich die PC-Version in einem Sale gekauft habe. Auch heute noch fällt mir das Warten eben hin und wieder schwer. Die 20th Anniversary Edition stelle ich mir trotzdem irgendwann ins Regal. Denn mit dieser Fassung macht Square Enix der berühmten Archäologin nicht nur ein hübsches Geburtstagsgeschenk, sondern verpackt es auch mit großen Trostpflastern für all die Spieler, die erst ab dem 11. Oktober in ein neues Abenteuer mit Lara Croft starten dürfen.
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