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Retro Hall of Fame: Dino Crisis - Großartige Mischung aus Grübeln und Action
Das Spiel ist wie Resident Evil, nur mit Dinosauriern - dieser Vergleich fällt bei Dino Crisis schneller, als ein Velociraptor mit seinen Klauen zuschlägt. Tatsächlich gibt es viele Parallelen, stammen beide Capcom-Reihen doch vom Survival-Horror-Experten Shinji Mikami. Wegen der Gemeinsamkeiten aber von einem Abklatsch zu sprechen, wäre falsch - denn Dino Crisis hat mit seinem Setting nicht nur eine eigene Identität, es ist Resident Evil damals sogar in ein paar Dingen überlegen.
Die Grafik zum Beispiel wird (größtenteils) in Echtzeit berechnet, statt starrer Hintergründe gibt es also 3D-Kulissen, auch wenn sie aus festen Kamerawinkeln gezeigt werden. Und lassen wir mal all die Capcom-internen Vergleiche außen vor, dann ist Dino Crisis für sich ein richtig gutes Survival-Horror-Spiel, das einen großen 90er-Jahre-Trend (Dinos überall!) geschickt zu seinen Gunsten nutzt.
Wir jedenfalls zücken damals im örtlichen Spieleladen unser albernes Jurassic-Park-Nylon-Portemonnaie, als wir von einem »Resident Evil mit Dinosauriern« hören. Als das Spiel dann in unserer PlayStation rotiert, geben wir den Controller nicht mehr aus der Hand, bis der Abspann über die Röhre flimmert. Die typische Capcom-Horror-Mischung aus Rätseln und Action funktioniert eben bestens, ein paar saftige Schockeffekte tun ihr Übriges - schon haben wir einen weiteren Klassiker für unsere Retro Hall of Fame gefunden.
Gefährliche Forschung
Dinosaurier in die Gegenwart zu verfrachten, ist schwierig, selbst für Story-Autoren. Die Geschichte von Dino Crisis ist deshalb ziemlich hanebüchen - genau, wie wir es mögen: Der Wissenschaftler Edward Kirk forscht auf einer abgelegenen Insel nach einer alternativen Energiequelle, die nur »Third Energy« genannt wird.
Als er seinem Ziel durch ein Experiment näher kommt, hat der Versuch einen ungewünschten Nebeneffekt: Ein Dimensionsriss entsteht und katapultiert Saurier in die Gegenwart - danebenwirkt selbst »Jurassic Park« mit seiner Dino-DNA aus in Bernstein konservierten Mücken wie ein wissenschaftlich fundierter Film. Von der Hintergrundstory bekommen wir damals zu Beginn aber sowieso nicht viel mit.
Wir sind in den ersten Minuten nämlich viel zu sehr damit beschäftigt, unsere Hauptfigur Regina nicht als Raubtierfutter enden zu lassen. Schon kurz nach dem Intro springt der erste Raptor aus seinem Versteck und macht Jagd auf uns. Panisch rennen wir zur nächsten Gittertür, schließlich werden die einzelnen Areale genau wie bei Resident Evil durch kurze Ladepausen getrennt - dahinter sollte man sicher sein.
Doch die Entwickler von Dino Crisis haben fiese Überraschungen für »Resi«-Veteranen auf Lager: Als wir im nächsten Abschnitt kurz durchschnaufen, springt der Raptor einfach mit einem Satz über den Zaun und steht plötzlich wieder hinter uns. Jetzt geraten wir erst recht in Panik und sprinten zur nächsten Tür, nun sind wir tatsächlich in Sicherheit - das Gitter ist diesmal selbst für Raptoren zu hoch.
Manchmal rennen die Scharfzähne aber unverschlossene Türen ein oder springen auf Tische, um uns von dort zu erwischen. Solche Ansätze von KI machen die Saurier gefühlt gleich viel gefährlicher als die Zombies in Resident Evil. Wirklich schwerer ist Dino Crisis allerdings nicht, da Regina einiges einstecken und ziemlich gut austeilen kann, ob mit der Schrotflinte oder dem Granatwerfer.
Landen wir doch mal im Maul eines Sauriers, ist das weit weniger schlimm, als von Zombies gefressen zu werden - in Dino Crisis sind im Gegensatz zu Resident Evil nämlich keine Farbbänder zum Speichern nötig, was das Durchspielen spürbar erleichtert.
Der Fenster-Effekt
In einer Sache ist Dino Crisis den ersten Resident-Evil-Titeln dann doch sehr ähnlich - und das im durchweg positiven Sinne: Die Mischung aus Action und Rätseln ist sehr ausgewogen, oftmals geht beides sogar fließend ineinander über. Das Paradebeispiel erleben wir in einem Büro der Forschungseinrichtung. Dort hängt an der Wand ein Safe, den wir mit einem Zahlencode knacken müssen.
Die Hinweise sind allerdings spärlich, wir haben nur die Worte »LEO« und »SOL« gefunden - auf den Kopf gestellt, und mit etwas Fantasie gelesen ergeben sie allerdings den Zahlencode 705037. Kaum haben wir ihn eingetippt, springt die Safetür auf, und eine Schlüsselkarte kommt zum Vorschein. Als wir dann den Raum verlassen wollen, kracht der Obermotz des Spiels durchs Fenster.
Genau genommen nur sein Kopf, denn unser Erzfeind ist ein gewaltiger Tyrannosaurus Rex. Nachdem wir unser in die Hose gerutschtes Herz wieder nach oben gezerrt haben, zücken wir die Schrotflinte und verscheuchen das Raubtier fürs Erste.
Herrlich, wie gut dieser simple Trick mit dem Durchs-Fenster-krachen-lassen auch Jahre nach Resident Evil (die Zombiehunde!) noch funktioniert. Sogar beim erneuten Anspielen für die Retro-Reihe sind wir wieder zusammengezuckt. Unser Nervenkostüm ist über die Jahre einfach nicht besser geworden,
Die Dinos sterben aus - schon wieder
Im Laufe des Abenteuers kommt Regina dem Ursprung der Dino-Plage auf die Schliche. Der Verursacher Dr. Kirk scheint allerdings mittlerweile den Verstand verloren zu haben, sodass sich die Ereignisse bis zum Finale überschlagen. Am Ende gibt es eine spektakuläre Flucht von der Insel samt eines letzten T-Rex-Angriffes.
Doch als wir Dino Crisis schließlich bezwingen, ist die prähistorische Gefahr keineswegs gebannt - Capcom bringt schon ein Jahr später eine Fortsetzung heraus. Die allerdings spielt sich deutlich actionreicher als Teil eins, was uns und vielen anderen Fans nur bedingt gefällt. Survival Horror verträgt zu viel Ballerei einfach nicht, die Mischung aus Action und Rätseln der frühen Capcom-Schocker ist damals ideal.
Da auch Dino Crisis 3 (Xbox, 2003) keine gelungene Fortsetzung ist, verschwindet die Reihe in der Versenkung. Als 2015 allerdings zarte Gerüchte eines neuen Dino-Titels aufkommen, befeuert von Shinji Mikami selbst, werden wir gleich hellhörig.
Denn der aktuelle Zombie-Trend macht die Horror-Spiele der Gegenwart dezent gleichförmig, Titel wie Alien: Isolation dagegen haben gezeigt, wie spannende Alternativen aussehen können. Ein eher reduziertes, mal leises, mal schockierendes Katz- und Maus-Spiel mit Raptoren, T-Rex und Flugsauriern - das könnten wir uns auch heute noch richtig gut vorstellen.
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