Mittendrin
Im Vergleich zum Vorgänger fällt mir schon jetzt auf, dass sich Red Dead Redemption 2 in vielen Momenten "dreckiger" und unmittelbarer anfühlt, nicht nur wegen der Ego-Perspektive. Die Faustkämpfe beispielsweise sind deutlich besser steuerbar, dank separaten Blocken-, Greif- und Schlagen-Tasten. Die Kamera fährt hier auch recht nahe an die Kontrahenten heran, jeder Treffer tut schon beim Hinschauen weh.
Bemerkenswert: Ich spüre richtig, wenn mein Gegenüber Erfahrung im Kampf hat. Der kahlköpfige Riese bei einer Valentine-Saloon-Schlägerei liegt zum Beispiel erst nach einem anstrengenden minutenlangen Kampf im Schlamm, ein aufmüpfiger Bauer dagegen schon nach einer gut gezielten Geraden. Und als mich bei der Bärenjagd ein riesiger Grizzly anfällt, erinnert mich das von der Intensität ein wenig an die ähnliche Szene aus dem Film "The Revenant".
Bei den Statuswerten hatte ich zunächst ein paar Bedenken, die haben sich bei den sechs Stunden mit dem Spiel aber nicht bestätigt. Zwar solltet ihr schon ein Auge auf die Kerne und die Ringwerte für Gesundheit, Ausdauer und Co. haben, allerdings wanderte der Blick nicht ständig gehetzt in die untere Bildschirmecke und da ich eigentlich immer etwas dabei hatte, um die Werte und/oder Kerne aufzufüllen, war das System auch in kniffligen Momenten nicht nervig.
Zudem levelt die Ausdauer zum Beispiel auch recht schnell, wenn Arthur schnell läuft oder sprintet. Ob das auch im späteren Spielverlauf so bleibt, muss sich natürlich erst noch zeigen.
Überraschend komplexe Steuerung
In die Steuerung musste ich mich trotzdem erstmal ein bisschen reinfuchsen. Grund dafür ist hauptsächlich, dass alle Schultertasten belegt sind, bedingt durch die neuen Interaktionen. Diese liegen standardmäßig auf "L2", im Kontextmenü kann ich dann aber mit "R2" auf eine andere Person zielen.
Das benötigt ein bisschen Eingewöhnungszeit, ebenso wie das schnelle Ausrüsten und Verbrauchen von Gegenständen auf dem Pferd, für die man Schultertasten erst gedrückt halten, dann mit dem Stick auswählen und dann die Schultertaste wieder los lassen muss. Nichts wildes, weil es nach ein paar Stunden alles sauber flutscht, es ist mir nur aufgefallen.
Enorm viel Spaß habe ich schon in den ersten Stunden bei den Schießereien. Es gibt wieder ein rudimentäres Deckungssystem, das gut funktioniert, die Waffen haben Wumms und insbesondere durch die ausgefeilten Sterbeanimationen der Gegner sind Abschüsse enorm befriedigend, muten nicht wie langweilige "Stangenware" an.
Bei einer Schießerei mit O'Driscoll-Schergen beispielsweise werde ich Zeuge, wie sich einer der Burschen tödlich getroffen noch ein paar Meter weiter schleppt, ein anderer macht nach einem Flintentreffer einen Rückwärtssalto vom Pferd, ein dritter bleibt im Steigbügel hängen und wird mitgeschleift.
Ganz anders fühlt sich die Tierjagd an, denn hier ist Ruhe und vorsichtiges Vorgehen oberstes Gebot. Aufgeschrecktes Wild kann gerne mal ein paar Kilometer weiterhoppeln, was ziemlich ärgerlich sein kann. Außerdem ist es unbedingt empfehlenswert, den Bogen zu benutzen, da Pfeile Felle nicht zerstören und diese beim Verkauf somit mehr Dollars einbringen.
Als enorm praktisch hat sich beim Anspielen auch die "Adlerauge"-Sicht erwiesen, die Gerüche von Tieren, Spuren oder sammelbare Pflanzen anzeigt. Habt ihr eine Spur entdeckt, lässt sich die auf Knopfdruck auch in die "normale" Sicht verfrachten, die Spur wird dann leuchtend hervorgehoben.
Crafting, Individualisierung und Co.
Ich habe mich in den sechs Spielstunden hauptsächlich auf die Missionen konzentriert und mir nebenbei ein bisschen die Welt angeschaut, zu den zahlreichen Untersystemen wie Crafting, Individualisierung und Co. kann ich dementsprechend noch keine großartigen Einschätzungen geben.
Aber sie sind drin, und sie sind enorm komplex. Fleisch lässt sich beispielsweise am Lagerfeuer kombiniert mit anderen Zutaten zu etlichen statuswertverbessernden Leckereien zubereiten. Arthurs Bart kann ich auf gewünschte Länge trimmen oder beim örtlichen Pferdestall einen Sattel in meiner Wunschfarbe kaufen. Es gibt wieder etliche Zusatzherausforderungen wie das Erledigen eines Exemplars jeder Tierart, fremde Personen mit jeweils eigener kleiner Seitenstory und vieles mehr.
Das Wichtigste aber: Ich kann mich in jedem dieser Untersysteme verlieren, muss es aber nicht. Wer nur die Story verfolgen möchte kann dies tun, wird dann aber natürlich einen Großteil der anderen Möglichkeiten im Spiel verpassen. Trotzdem ist dieses "Es ist da, aber du musst es nicht zwangsläufig machen"-Prinzip sehr angenehm und sorgt auch dafür, dass ich nicht so schnell überfordert bin.
Absolutes Highlight: Die Spielwelt
Wer meine bisherigen Artikel zu Red Dead Redemption 2 gelesen hat, dem dürfte nicht entgangen sein, dass mich die Spielwelt bislang unheimlich beeindruckt hat. Und natürlich haben die sechs Stunden mit dem Spiel das in keinster Weise geändert. Im Gegenteil.
Sie bestärken mich eher in meiner Einschätzung, dass diese Spielwelt in Sachen Detailverliebtheit, Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit neue Maßstäbe setzen dürfte.
Kleines Beispiel: Als ich das erste Mal nach Valentine reite, ist die kleine Stadt herrlich wuselig und geschäftig, zwei Männer streiten vor dem Saloon, Bauarbeiter heben Holzpfähle auf den Dachvorsprung eines Hauses, ein Hund kommt schwanzwedelnd heran. Und es fühlt sich schlagartig so an, als wäre ich an diesem Ort, ganz ähnlich wie damals in Armadillo aus Red Dead Redemption 1. Nur dass das damals nicht annähernd diese grafische Qualität hatte.
Ich habe mich übrigens auch in der größten Stadt des Spiels, St. Denis, umgeschaut und holla die Waldfee, dagegen war Blackwater aus RDR eine Kleinstadt. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten.
Aber auch abseits von Städten oder anderen menschlichen Bauten ist die Welt von Red Dead Redemption 2 unheimlich schön und atmosphärisch. Ich habe in den sechs Stunden unter anderem Zeit an Seeufern, Wasserfällen, auf Felsvorsprüngen oder in Sümpfen verbracht und wirklich alles sah fantastisch aus. Die vielfältige Tierwelt sorgt dabei für Lebendigkeit - die Alligatoren sind wirklich furchterregend! - und die geniale Lichtstimmung sogar für den ein oder anderen kitschigen Moment - wenn die Sonne durch die Baumwipfel bricht zum Beispiel, oder die Sonne hinter den majestätischen Grizzly-Bergen aufgeht.
Und ähnlich wie in The Legend of Zelda: Breath of the Wild habe ich schon beim Hands-On etliche Details am Wegesrand gesehen, die quasi danach schreien, erkundet zu werden. Ein verlassenes Haus im Wald zum Beispiel. Ein Astloch in einem Baum. Oder ein markanter Felsen, auf den man einfach nur rauf will, um die Aussicht zu genießen.
Sehr stark spürbar zudem: Die Spielwelt funktioniert in sich geschlossen, sie ist nicht auf Arthur oder die Bande angewiesen oder um die Hauptcharaktere herum gestrickt. Das bedeutet natürlich, dass nicht jeder sofort freundlich mit mir spricht, sondern mir auch oft Antipathie und Ablehnung entgegenschwappt oder ich manchmal sogar gar nicht beachtet werde.
Die sechs Stunden mit RDR2 vergehen wie im Flug und zeigen wie schon beim ersten Hands-On, dass ich nur an der Oberfläche gekratzt habe. Aber eins steht fest: Ich komme wieder.
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