Da schlucken selbst hartgesottene Spieler. Wir befinden uns auf der New Yorker Brooklyn Bridge, haben uns eben durch Dutzende Terroristen geschossen und stehen nun vor einem wimmernden Familienvater, der eine tickende Sprengweste trägt. Nur noch wenige Sekunden, bis die Detonation nicht nur unser Elite-Team in den Tod reißt, sondern auch Hunderte Zivilisten, die in Autos kauernd um ihr Leben fürchten. Wir treffen eine bittere Entscheidung und werfen den panisch kreischenden Mann über die Brüstung. Er fällt und fällt, bis er in einer krachenden Explosion verschwindet.
Das ist nur eine von vielen Szenen aus Rainbow Six: Patriots, mit der Ubisoft Montréal seiner Taktik-Shooter-Reihe eine neue Richtung geben will. Eine realistische, harte und eindringliche Richtung. Die Assassin’s Creed-Entwickler gehen damit ein großes Risiko ein. Denn der Grat zwischen einem erinnerungswürdigen, aufwühlenden Spielerlebnis und platter Geschmacklosigkeit ist denkbar schmal.
Die Inszenierung: Direkt in die Magengrube
Ubisofts erzählerischer Ansatz: Man will dem Spieler keine gesichtslosen Terroristen vorsetzen, sondern Typen von Nebenan, Menschen mit Namen und nachvollziehbaren Motiven. Die Bösewichte sollen tiefgründig sein, Männer und Frauen, die gegen das scheinbar korrupte System kämpfen, wenn auch mit drastischen Mitteln.
Um das zu erreichen, erzählt Patriots sämtliche Geschehnisse aus der Ego-Perspektive, oft sogar aus den Augen unschuldiger Terroropfer. Da müssen wir als gefesselter Ehemann mit ansehen, wie unsere Frau brutal zusammengeschlagen wird, nur damit wir uns »freiwillig« auf dem Times Square in die Luft jagen. An anderer Stelle erreichen wir in der Haut eines jungen Streifenpolizisten als erster den Ort eines Anschlags oder stolpern als Zivilist zufällig in eine ausweglose Geiselsituation.
Mehr noch, Patriots soll uns immer wieder vor moralische Entscheidungen stellen, etwa wenn sich ein Terrorist mit einem Sprengzünder in der Hand hinter einer Geisel versteckt. Ihn auszuschalten, ohne das Opfer zu treffen, ist unmöglich. Was also tun? Erschießen wir einen Unschuldigen, um Dutzende zu retten? Was in der Theorie spannend klingt, bleibt auch erstmal nur das. Denn bislang schweigt sich Ubisoft über die möglichen Alternativen aus.
Auch was wir zum Beispiel mit unserem Familienvater auf der Brooklyn Bridge machen können, außer ihn in den sicheren Tod zu schicken, will uns das Team nicht verraten. Es bleibt also abzuwarten, ob Ubisoft der schwierige Balanceakt gelingt, Rainbow Six: Patriots intensiv zu inszenieren, ohne über das Ziel hinauszuschießen und pubertär zu provozieren, wie es etwa Modern Warfare 2mit dem berüchtigten Flughafen-Level getan hat.
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