Spätestens seit der Ankündigung von Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain ist klar, dass der japanische Spieledesigner Hideo Kojima seine Fans gerne an der Nase herumführt. Denn als im Dezember 2012 die ersten Bilder zu MGS5 auf den VGX Awards gezeigt wurden, wurde dieses als ambitioniertes Projekt der schwedischen Spieleschmiede Moby Dick Studio vorgestellt. Lediglich The Phantom Pain heiße das Game und, so flunkerte Kojima, mit ihm oder Metal Gear Solid habe es nichts zu tun.
Natürlich alles Blödsinn. Kojima hatte sich einen Spaß erlaubt. Genau wie jetzt mit P.T. und Silent Hills. Nur ging der Japaner diesmal etwas ausgefuchster vor. Er wollte seine Fans nicht nur necken, sondern auch rätseln und staunen lassen. Auf der Sony-Pressekonferenz zur gamescom 2014 wurde der Trailer für ein mysteriöses Horrorspiel im Stile von Indie-Hits wie Amnesia: The Dark Descent, Daylight und Outlast präsentiert. P.T., so der Titel, sei das Erstlingswerk des Entwicklers 7780s Studios. Eine 1,3 Gigabyte große Teaser-Demo konnten PlayStation-4-Besitzer ab dem Zeitpunkt der Enthüllung herunterladen und spielen.
Es dauerte nur wenige Stunden, da brach die Nachricht über Twitter, Internetforen und Websites herein: der P.T.-Teaser ist keine Demo für ein Spiel namens P.T., sondern eine abstrakte und spielbare Ankündigung - ein »playable Teaser« (P.T.) - für ein neues Silent-Hill-Spiel: Silent Hills. Wahnsinn! Auf Twitch schaffte es eine Spielerin namens GamerGirlTalk als eine der Ersten die kniffligen Rätsel in P.T. per Zufall zu lösen, die das Trailer-Ende freischalten.
Der Abspann von P.T. zeigt den »Silent Hills«-Schriftzug und outet Hideo Kojima und Hollywood-Regisseur Guillermo del Toro (Pan's Labyrinth, Pacific Rim) als Entwickler sowie Norman Reedus (Daryl Dixon in der TV-Serie The Walking Dead) als Hauptdarsteller. Immer wieder durchquerte die Spielerin dafür aus Ego-Sicht den mysteriösen Flur, der die bizarre und sich wiederholende Spielwelt von P.T. darstellt, die sich mit jedem Durchgang weiter und weiter in eine surreale Horror-Vision wandelt.
Tun kann man dabei nicht viel: Laufen, Dinge betrachten und ins Mikrofon flüstern, wodurch Geschehnisse ausgelöst und Dinge aufgesammelt werden. Kafkaesk und scheinbar ohne sichtlichen Zusammenhang ist das. Wie, was, warum? Das gilt's selbst zu ergründen. Damit wirkt P.T. wie eine Irrenhaus-Fassung von The Stanley Parable und dem Kinofilm Und täglich grüßt das Murmeltier.
Das Nichtgreifbare
In Sachen Story und Kulisse hat P.T. laut Abspann nichts mit Silent Hills zu tun. Vielmehr soll es einen Eindruck von geplanten Atmosphäre für die Horror-Auferstehung vermitteln. Und die wirkt tatsächlich furchterregend. Denn fast alles erschließt sich durch die Umgebung. Leere Bier- und Schnapsflaschen, Schlaf- und Antibabypillenschachteln und ein einsamer Teddybär liegen umher. Dazu kommen ein monströser Fötus in einer blutverschmierten Spüle, ein von der Decke hängender Kühlschrank, eine blutende Papiertüte, Babyschreie, bizarre Töne und der Geist einer entstellten Frau namens Lisa.
Eine Radiomeldung über einen Mord, Worte und Nachrichten an den Wänden machen klar, dass sich hier ein Drama zutrug. Indirekter, subtiler Horror manifestiert sich, der Unwohlsein schafft und Ungewissheit sät; ein albtraumhafter Surrealismus, der mit der Psyche spielt. Es gibt keine Erklärungen oder intuitiv feststellbaren Regeln, welche Handlung wozu führt. Und selbst wen der Spieler hier kontrolliert ist nicht ganz klar.
Vieles in P.T. ist nicht so, wie es zunächst wirkt oder lässt zumindest mehrere Interpretationen zu. So scheint der Hauptcharakter etwa, wie erst nach mehreren Spieldurchgängen offenbar wird, auch auf sich selbst oder Spiegelungen seiner Handlungen zu treffen. Es sind fremde Schritte auf der anderen Seite der Badezimmertür zu hören, jemand rüttelt an Türklinkent. Eine Vermutung, die ein Satz aus dem Ankündigungstrailer zu stützen scheint: »Ich bin das einzige Ich. Bist du sicher, du bist das einzige Du?
Mit all dem ist P.T. schon irgendwie ein Silent Hill, wie man es sich wünscht. Denn die Silent-Hill-Spiele (zumindest die gelungenen) lassen auf virtuose Weise Wahn und Wirklichkeit verschwimmen. So fragte sich in Silent Hill 2 Held James Sunderland irgendwann, ob er nun tatsächlich Monster oder vielleicht Menschen tötet - und hinterfragt damit auch die Wahrnehmung und das Tun des Spielers. Das ist etwas, das eine ganz eigene und mentale Art der Horrors entfaltet. Und tatsächlich meint Kojima: »Wir wollen ein Spiel entwickeln, bei dem sich die Leute in die Hose scheißen!«.
Hinweise über Hinweise?
Aber ebenso wie die Untiefen des menschlichen Geistes gibt P.T. eben erst nach und nach all seine Geheimnisse preis. Es steckt offensichtlich noch viel mehr in diesem Teaser als nur eine dezente Ankündigung zu Silent Hills. Einige Spieler glauben, dass sich unterschwellige Andeutungen und gar explizite Hinweise auf die Story und Themen des Serienneustarts in sicht- und hörbaren Botschaften verbergen, die mal mehr, mal weniger Sinn ergeben.
So findet sich mehrmals in P.T. die Zahl 204863. Eine Zahl, die auf Kojimas Geburtstag, den 24.08.1963 anspielen könnte. Im Zeitformat des Betriebssystem Unix hingegen ergibt 204863 den 03.01.1970. Ein Spieler mit dem Twitter-Namen Tortoiseontour hingegen dekodierte daraus in Kombination mit dem Fake-Studionamen 7780s den Namen Jarith, der ins Mikro geflüstert, nachweislich eines der Puzzleteile ist, das zum Silent Hills-Teaser-Ende führt.
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Auch nicht ganz abwegig: 204863 ist die Genom-Nummer der Populus Trichocarpa, kurz PT, einem Baum im Nordwesten der Vereinigten Staaten. Das würde den Hinweis mancher stützen, deren Meinung nach die kurze Stadtansicht am Ende von P.T. stark an Orte um San Diego und Los Angeles erinnere. Spielt Silent Hills also nicht mehr in DEM Silent Hill? Wenn's denn ein mutiger Neustart oder eine Neuinterpretation wird, wieso nicht?
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