Wer Pokémon Rot, Blau und Gelb gespielt hat, wird kaum um die vielen Bugs und Glitches herumgekommen sein, die uns damals als Kinder wie unlösbare Mysterien erschienen.
Denkt mal an eure allererste Begegnung mit MissingNo zurück, dem wohl bekanntesten Glitch aller Zeiten. Die geheimnisvolle "fehlende Nummer" hat mir als achtjährige Pokémontrainerin zumindest einen gehörigen Schrecken eingejagt. Im Kontrast zur knuddeligen Welt von Pokémon erschien mir das Tetrisblock-artige Wesen wie etwas Außerweltliches, dessen Existenz ich mir einfach nicht erklären konnte. Heute bin ich natürlich schlauer und weiß, was unter der pixeligen Hülle von MissingNo steckt und warum es überhaupt am östlichen Rand der Zinnoberinseln auftaucht. Verflucht-geniale Technik.
Neben MissingNo verstecken sich allerdings noch wesentlich mehr Bugs und Glitches in Pokémon Rot, Blau und Gelb. Zwanzig Jahre nach dem Release der ersten Pokémon Generation sind davon viele fast schon wieder in Vergessenheit geraten. Sunny Town zum Beispiel. Die blumige Bezeichnung eines Spielfehlers, der die Gesetze der Kanto-Region gehörig durcheinander wirbelt.
So gelangt ihr nach Sunny Town
Bevor ich aber das Mysterium der Glitch-Stadt entwirre, erkläre ich euch, wie ihr überhaupt nach Sunny Town gelangt. Kleine Warnung vorweg: Geht auf Nummer sicher, dass ihr ein Pokémon mit der VM Fliegen wie Taubsi oder Teleport wie Abra im Gepäck habt, ansonsten gibt es später kein Entkommen. Also, ihr wollt aus dem stinknormalen Pokémon-Alltag ausbrechen und stattdessen in eine Welt des puren Chaos' eintauchen? In fünf einfachen Schritten dreht ihr Kanto auf den Kopf.
1. Reist nach Fuchsania City und betretet die Safari-Zone, indem ihr wie gewohnt 500 Pokédollar am Schalter blecht. Speichert anschließend das Spiel und beendet es.
2. Startet das Spiel erneut und verlasst die Safari-Zone. Wenn euch einer der Ordner im Eingangsgebäude fragt, ob ihr denn eure Safari wirklich beenden wollt, antwortet ihr hier mit "nein" und betretet die Zone nach eurem bewussten Sinneswandel erneut. Speichert danach ab und beendet das Spiel.
3. Startet das Spiel wieder und verlasst erneut die Safari-Zone. Der entscheidende Unterschied zum zweiten Schritt: Diesmal scheint der arme Ordner im Eingangshäuschen ein wenig verwirrt zu sein. Jetzt fragt er euch nämlich, ob ihr in der Safari-Zone auf die Jagd gehen wollt, obwohl ihr sie ja gerade verlassen habt. Antwortet hier wieder mit "nein" und nutzt den südlichen Ausgang.
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4. Wieder zurück in Fuchsania City lauft ihr hier entweder 500 Schritte umher. Oder ihr wählt ein Pokémon mit der VM Fliegen aus und flattert dahin, wo es euch lieb ist. Ich bin damals immer zu den Zinnoberinseln geflogen, was auch heute im Netz eine viel zitierte Variante ist. Nachdem ihr 500 Schritte gelaufen (oder mit dem Rad geradelt seid) ertönt die Glocke, um euch zu mitzuteilen, dass eure Zeit in der Safari-Zone abgelaufen ist.
5. Wie von Zauberhand werdet ihr anschließend zum Eingangshäuschen der Safari-Zone zurückteleportiert. Nehmt wieder den südlichen Ausgang in Richtung Fuchsania City. Vor euch türmen sich diesmal aber nicht die gewohnten Gebäude der Stadt in Kanto auf, sondern der wilde Pixel-Westen von Sunny Town. Herzlich Willkommen.
Außen sonnig, innen stürmisch
Fast egal von welchem Ort Kantos ihr Sunny Town nun betreten habt, wandert ihr durch einen willkürlichen Mix aus Gebäuden, Wegen, Wasserkacheln, Steinen, Büschen und sogar Ziffern. Habt ihr die Tore zur Glitch-Stadt über Fuchsania City geöffnet, dann könnt ihr euch hier nicht einmal bewegen. Lauft ihr auf anderen Maps hingegen zu weit in eine Richtung, hängt sich das Spiel auf.
"Pokémon Rot & Blau sind schlecht gealtert!"
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Schilder könnt ihr nicht mehr lesen, Türen nicht mehr betreten, kleine Bäume nicht mehr mit Zerschneider zerteilen. Auf einigen Maps ist es möglich, Surfer einzusetzen, obwohl ihr euch gar nicht am Wasser befindet. Betretet ihr die Glitch-Stadt in Pokémon Gelb, entwickelt Pikachu plötzlich ein Eigenleben und huscht kreuz und quer durch die Gegend, anstatt wie sonst treu an eurer Seite zu kleben.
Die Welt ist aus den Fugen … aber kein Rätsel
Hinter dem großen Chaos steckt allerdings eine simple Erklärung. Sunny Town ist eine beschädigte Version der Map, auf der ihr euch während des Ertönens der Safari-Zonen-Glocke befunden habt.
Seid ihr beispielsweise über die Zinnoberinseln nach Sunny Town gekommen, wird euch beim Blick auf die Karte deshalb noch immer angezeigt, dass ihr auf den Zinnoberinseln seid. Die Daten von Sunny Town sind die gleichen wie die eures Ausgangsortes. Nur sind hier eben die meisten Attribute verdreht, weshalb ihr wild drauflos glitchen könnt. Die verbreitete These, dass es sich bei Sunny Town um eine von den Entwicklern verworfene Stadt in Kanto handelt, deren Überreste noch im Spiel herumgeistern, ist damit widerlegt.
Der Grund, warum euch das Spiel nach dem Ertönen der Safari-Zonen-Glocke überhaupt nach Sunny Town schickt, ist ein wenig komplizierter. Der Spielfehler hängt unter anderem damit zusammen, dass Pokémon Türen und Höhleneingänge als Warps beziehungsweise Teleporter codiert. Deren spezifisches Regelwerk bringt das Spiel allerdings durcheinander, wenn ihr die Safari-Zone verlasst, während der Schrittzähler noch läuft. Die technischen Aspekte hinter dem Glitch könnt ihr hier im Detail nachlesen.
Hexenwerk ist die Existenz von Sunny Town jedenfalls nicht. Wer die Stadt heute erneut oder vielleicht zum ersten Mal besuchen will, kann sich bedenkenlos auf den Weg machen. Anders als MissingNo, das euren Spielstand beschädigen kann, ist Sunny Town nämlich harmlos. Nur wenn ihr ein Pokémon mit Fliegen oder Teleport auf seinem Glitch-Trip vergesst und euer Abenteuer in der Fehlerstadt speichert, bleibt ihr auf ewig gefangen. Oder ihr müsst in den sauren Apfel beißen und euren Spielstand löschen, um den chaotischen Fängen des Ortes zu entkommen.
Das Geheimnis von Sunny Town ist für mich heute zwar gelöst, ganz geheuer ist mir das Städtchen aber auch fast 20 Jahre nach dem ersten Besuch nicht.
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