Als Persona 5 erschien, waren wir in der GamePro-Redaktion ganz verzückt und haben satte 92 Punkte für das Meisterwerk gegeben. Nun erscheint mit Persona 5 Royal eine stark erweiterte Version. Es ist kein DLC für das Basisspiel, sondern ein eigenständiger Vollpreistitel, sozusagen ein Director's Cut.
Diese Vorgehensweise kennt man schon von früheren Persona-Titeln wie Persona 4: Golden. Die Änderungen sind dabei so tiefgreifend, dass ihr euren alten Spielstand von Persona 5 nicht weiterverwenden könnt. Einen Patch für die alten Versionen, der die neuen Inhalte und Verbesserungen einfügt, gibt es ebenfalls nicht ihr müsst Persona 5 Royal neu kaufen.
Die wichtigsten Neuerungen im Überblick
Persona 5 Royal kommt mit etlichen Neuerungen und Detailverbesserungen. Sie alle aufzulisten würde mehrere Seiten füllen, aber hier sind die wichtigsten:
- alle Texte sind auf Deutsch lokalisiert
- ein neues, drittes Semester
- ein neuer, sehr gelungener Palast
- Kasumi ist ein neues Party-Mitglied, aber sie ist nur in einem Palast spielbar
- etliche Verbesserungen in Grafik und Sound
- neue Personas, Gegner, Waffen, Rüstungen, Gegenstände, Accessories
- die Personas der Party-Mitglieder haben jetzt eine dritte Form
- ein neuer Stadtteil namens Kichijoji
- neue Nebensequenzen, Aktivitäten und ein paar Bekanntschaften
- neuer Enterhaken, der mehr Bewegungsfreiheit in Dungeons erlaubt
- Mementos-Dungeons sind erweitert und sind räumlich größer
- Rebalancing aller Kämpfe, sowie etliche Verbesserungen im Spielverlauf
Erweitert und umgekrempelt
Einen der wichtigsten Punkte zuerst: Alle Texte sind jetzt auch auf Deutsch verfügbar! Sogar die Grafiken der aufwendig animierten Menüs wurden passend umgesetzt. Die Übersetzung wirkt organisch und liest sich gut, während die gesprochene Sprache wahlweise auf Englisch oder Japanisch bleibt. Damit fällt ein großer Kritikpunkt des textlastigen Originals weg, denn ohne Englischkenntnisse gab es das Nachsehen.
Textlastig bleibt das JRPG aber trotzdem: Es gibt neue Nebenhandlungen, Dialoge, Charaktere und zusätzliche Termine im Kalender. Da Schüler die Hauptrolle spielen, sind die Kapitel in Schultage aufgeteilt, die dem Abenteuer Struktur geben. Neben neuen Feiertagen ist auch ein weiteres, drittes Semester hinzugekommen. Das enthält zwar nur einen weiteren Monat In-Game-Zeit, fügt aber zusätzliche reale 25 Spielstunden zu den mehr als 100 des Originalspiels hinzu.
Die Zeit vergeht wie im Flug, denn am Pacing hat das Entwicklerteam weiter geschraubt: Kämpfe sind abwechslungsreicher und kürzer, Nebenaufgaben etwas gestauchter. Ladezeiten beschränken sich auf ein Minimum. Es gibt aktuell kein anderes JRPG, dass sich so sehr wie aus einem Guss anfühlt.
Wie stiehlt man ein Herz?
Die Handlung bleibt wie eh und je packend: Eine kleine Gruppe von Highschool-Schülern entdeckt eine mysteriöse Parallelwelt, in der sich unterdrückte Charaktereigenschaften von Menschen manifestieren. Sie stolpern als erstes in die Psyche ihres fiesen Sportlehrers, der Schüler misshandelt. Um sein dunkles Herz zu läutern, müssen sie es in seinem "Gedankenpalast" stehlen. Der wird allerdings von zahlreichen Monstern bewacht, die allesamt der Fantasie des Sportlehres entspringen. Und das war nur der Anfang, denn irgendwann werden die Verwebungen von Realität und Fantasie kompliziert.
Das liest sich ein wenig wie der Film "Inception"? Ja, denn die Grundidee ist durchaus ähnlich, wobei Persona 5 Royal alles in eine romantisierende Diebes-Thematik (die Clique nennt sich selbt "The Phantom Thieves") einkleidet und mit viel abgedrehter Symbolik daherkommt. Die packende Handlung hat dabei keine Scheu vor ernsten Themen wie Mobbing oder sozialer Ausgrenzung. Trotzdem kommt Humor nicht zu kurz, wobei sich eine Handvoll Szenen etwas im Ton vergreifen.
Ein Beispiel: Obwohl einige Abschnitte zum Nachdenken über Sexismus anregen möchten, hauen die Charaktere selbst ein paar sexistische Witze raus. Die deutsche Übersetzung versucht das ein bisschen zu kaschieren ohne Erfolg.
Das Beste zum Schluss
Wer das alte Spiel schon kennt, erlebt mit den ersten beiden Semestern zu 80 Prozent die gleiche Geschichte. Trotzdem Vorsicht bei der Schnellvorlauf-Funktion in den Dialogen, denn neue Zeilen sind auch in alten Gesprächen versteckt. Die meisten neuen Inhalte tauchen allerdings erst zum dritten Semester auf, das je nach Spieltempo erst nach 60 oder 70 Stunden erreicht wird. Selbst der wichtigste Neuzugang, das akrobatische, sympathische Mädchen Kasumi, kommt vorher nur in Dialogen und Minispielen vor. Zum spielbaren, mitkämpfenden Party-Mitglied wird sie erst gegen Ende der Geschichte.
DLC-Inhalte
Da Atlus das Spiel als "ultimative Version" bewirbt, bleibt angesichts ausgekoppelter Bezahlinhalte ein bitterer Nachgeschmack. So müsst ihr optionale Herausforderungen im Velvet Room als DLC kaufen. Das gilt auch für weitere Kostüme für die neue Kasumi oder spezielle Personas. Das ist ärgerlich, aber da Persona 5 Royal auch so schon irre umfangreich ist und die DLC-Inhalte nebensächlich sind, haben wir sie nicht in die Wertung einfließen lassen.
Während die Neuerungen in der Story erst spät zum Tragen kommen, sind Verbesserungen im Spielablauf bereits nach wenigen Stunden spürbar. Zum Beispiel bei den Dungeons, von denen zwei Arten existieren: Zufallsgenerierte Mementos, die vorwiegend zum Aufleveln dienen, und die von den Entwicklern liebevoll "von Hand" gebauten Gedanken-Paläste, die stark in die lineare Geschichte eingebunden sind.
Das dritte Semester wartet mit einem neuem Palast auf, der zu einem der besten des Spiels gehört. Aufbau, Platzierung der Gegner, Geheimnisse, überhaupt der ganze Flow in diesen letzten Palast ist die ganze Erfahrung des Entwicklerteams geflossen.
Keine Sorge, wir spoilern nicht. Daher sei nur soviel verraten: Im neuen Palast klärt sich auf, weshalb es überhaupt zu einem dritten Semester kommt. Wer das Original kennt, weiß, eigentlich dürfte es aufgrund dramatischer Schicksalsschläge nicht weitergehen. Die Auflösung ist aber verblüffend.
Die übrigen Paläste sind etwas umgestaltet und bieten durch einen Enterhaken neue Möglichkeiten: Damit können wir alternative Routen erforschen oder geheime Schatztruhen entdecken. Das kitzelt den Erkundungsdrang stärker als zuvor und sorgt für etwas Abwechlsung, sollten die "alten" Paläste bereits bekannt sein. Die Mischung aus Stealth-Einlagen – schließlich sind wir Diebe – und kleineren Rätseln geht ansonsten wie gehabt auf. Doof ist aber, dass einem Teil der Dungeons durch die grobe Architektur die ursprüngliche PS3-Herkunft von Persona 5 angesehen werden kann.
Mehr Freiheit und Möglichkeiten
Das rundenbasierte Kampfsystem hat im Original zwar Spaß gemacht, hatte aber ab und an mit Spitzen im Schwierigkeitsgrad zu kämpfen, die manche Kämpfe unnötig lang gezogen haben. Diese Kanten sind mit der neuen Version glatt geschliffen. Trotzdem bleiben die Konfrontationen zumindest auf den höheren Schwierigkeitsgraden fordernd.
Neben etlichen kleinen Tweaks in den Statuswerten sind vor allem die Schusswaffen jetzt dominanter, da sich die Munition nach jedem Kampf auflädt. Das bindet sie stärker in die ohnehin schon dynamischen Kämpfe ein, in denen wir außerdem zwischen Hieben, Zaubern und beschworenen Personas wechseln. Das Kampfgeschehen sieht dabei großartig aus. Vor allem die neuen Showtime-Attacken, in denen die Partymitglieder einen gemeinsamen Combo-Angriff ausführen, sind irre animiert.
Apropos Personas: Die namensgebenden Figuren sind eine Art Manifestation von inneren Charakterwerten, sie werden von den Hauptfiguren wie eine Maske getragen. Klingt seltsam, aber auf das Kampfsystem übertragen heißt das: Die Personas sind für die Zaubersprüche im Spiel verantwortlich und beherrschen das übliche Repertoire aus Elementarangriffen und Unterstützungszaubern, alle miteinander schick in Szene gesetzt. Mit Personas kann viel taktiert und experimentiert werden, denn von ihnen gibt es über 200 Stück. Da juckt der Pokémon-artige Sammeltrieb! Dazu trägt der serientypische Velvet Room bei. In diesem traumartigen Gefängnis lassen sich Personas trainieren oder zu neuen Kreaturen verschmelzen.
Alltägliches Leben in Tokio
Kämpfen wir gerade nicht in Dungeons, geht es in das reale Tokio. Dort gehen die Protagonisten nicht nur in die Schule, sondern auch Freizeitaktivitäten nach. Oder sie suchen sich einen Job, schließlich brauchen Schüler immer Geld. Alles wirkt sich dabei aufeinander aus: Korrekte Antworten im Unterricht oder das Büffeln von Büchern erhöhen zum Beispiel die Intelligenz. Damit ergeben sich neue Antwortmöglichkeiten in Dialogen. Treffen wir uns mit Freunden in der Bar oder zum Sport, vertieft sich die Bindung zu ihnen und es ergeben sich Kampfvorteile in der Parallelwelt.
Soziale Interaktionen finden in diversen Stadtteilen Tokios statt, die der Realität nachempfunden sind. So auch das neue Viertel Kichijoji, wo wir uns zum Dart spielen oder in einer Jazz-Bar verabreden können. Der Kalender gibt dem Alltag dabei eine Zeitmanagement-Komponente und eine nachvollziehbare Struktur, wobei das Zeitkorsett manchmal fast schon zu einschränkend wirkt. Immer wieder gibt es nämlich Deadlines, die tunlichst eingehalten werden sollen. So muss zum Beispiel das Herz des Sportlehrers gereinigt werden, bevor der an einem bestimmten Datum in einem Schul-Untersuchungssauschuss gegen uns aussagen kann.
Es gibt noch etliche Verbesserungen in Persona 5 Royal, von denen wir euch die wichtigsten im Extrakasten aufgeführt haben. Logisch: Mit dieser Neuauflage ist das ohnehin schon erstklassige Spiel noch ein Stück besser geworden. Zugleich ist es aber eben einfach ein bereits drei Jahre altes Spiel, weshalb wir an der (ohnehin schon sehr hohen) Wertung des Originals nichts verändern. Persona 5 Royal ist zweifellos eines der besten JRPGs und jede investierte Sekunde wert. Nur Veteranen sollten sich überlegen, ob sie noch einmal so viel Zeit (und Geld) aufbringen möchten.
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