Lange mussten One Piece-Fans auf ein Spiel warten, das den besonderen Charme des Animes auch mit dem Controller erlebbar macht. Das Action-Adventure One Piece World Seeker stellte sich 2019 für viele als Enttäuschung heraus, lieferte es doch eine leere, lieblose Welt und kaum Abwechslung. Zum 25-jährigen Jubiläum der Reihe wagt One Piece Odyssey jetzt einen neuen Versuch, diesmal in Form eines JRPGs mit rundenbasierten Kämpfen. Wo Story und Charaktere sehr gelungen sind, wird Odyssey aber oft von seinem Spieldesign zurückgehalten.
Eine Story mit viel Nostalgie
One Piece Odyssey erzählt eine Mischung aus altbekannten Ereignissen und einer komplett neuen Story, die irgendwann zwischen den Dress Rosa- und Wano-Arcs des Animes angesiedelt ist. Zu Beginn des Spiels stranden die Strohhüte auf der mysteriösen Insel Waford. Hier treffen sie nicht nur auf die neuen Charaktere Lim und Adio, sondern verlieren auch noch direkt ihre Kräfte. Um sie zurückzubekommen, müssen sie vier Kolosse besiegen und mithilfe von Lim bestimmte Erinnerungen noch einmal durchleben.
Diese Ereignisse dürften Fans ziemlich bekannt vorkommen, denn sie erzählen Arcs des Mangas und Animes nach. In der ersten Erinnerung etwa treffen wir in Alabasta wieder auf unsere alte Freundin Vivi und nehmen es mit dem Tyrannen Sir Crocodile auf. Dabei erwartet uns keine originalgetreue Nacherzählung, hier und da beeinflussen Änderungen den Verlauf der Geschichte. Genaueres wollen wir aber nicht spoilern.
Wollt ihr wissen, welche Arcs euch außerdem im Spiel erwarten, könnt ihr hier nachschauen:
Warnung: der folgende Absatz enthält Spoiler
- Alabasta
- Water 7
- Marine Ford
- Dress Rosa
Diese bekannten Momente dürften natürlich für jede Menge Nostalgie bei Fans des Animes sorgen. Es ist einfach schön, Charaktere wie Vivi oder auch Ruffys Bruder Ace nach langer Zeit wiederzusehen. Ohnehin gehören die Charakterinteraktionen zu den gelungensten Elementen von Odyssey - das Spiel trifft nicht nur den für One Piece typischen Humor, wenn etwa Sanji und Zorro sich mal wieder zoffen, auch die emotionalen Momente sitzen. Erinnerung hin oder her, auch wir wollen Vivi unbedingt helfen, wenn sie mit Tränen in den Augen versucht, ihr Volk aus der Tyrannei von Sir Crocodile zu retten.
Hier zeigt das Spiel ganz klar, dass es den Charme von One Piece verstanden hat. Abgerundet wird die Story von kurzen, aber verdammt cool inszenierten Zwischensequenzen, die so auch aus dem Anime stammen könnten. Die sehr gute japanische Sprachausgabe tut ihr übriges - nur auf eine deutsche oder englische Synchronisation müssen wir leider verzichten. Ums Lesen der Untertitel kommen wir also nicht herum. Neulinge müssen sich bei der Story übrigens keine Sorgen machen: Viel Vorwissen ist nicht nötig. Sowohl relevante Ereignisse als auch bekannte Charaktere werden jeweils kurz vorgestellt.
Erkunden mit Repetition
Wo die Story und Charaktere also durchaus punkten können, hat die Spielwelt von One Piece Odyssey einige Schwächen. Die meiste Zeit laufen wir durch schlauchige Areale, nur vereinzelt öffnet sich die Welt etwas. Selbst dann dürfen wir nur selten frei erkunden. Immer wieder zwingt uns das Spiel zum Umkehren, wenn wir nur wenige Meter vom Storypfad abweichen.
Das ist besonders schade, da das Erkunden durchaus Spaß macht, wenn wir einmal freie Hand bekommen. Das liegt besonders an den Fähigkeiten der Crew. Jeder Charakter hat eine eigene Spezialisierung, die uns in verschiedenen Situationen nützt: So kann Ruffy sich an entfernte Ankerpunkte ziehen, Chopper sich durch kleine Durchgänge zwängen oder Nami Geld auf dem Boden finden.
Gedämpft wird unser Entdeckergeist allerdings durch zu viel Backtracking und Sammelaufgaben während der Story. Immer wieder laufen oder klettern wir bereits bekannte Areale nochmals ab oder kehren drei- bis viermal innerhalb ebenso vieler Minuten an den gleichen Ort zurück, um einen einzelnen Gegenstand einzusammeln. Zwar schalten wir im Verlauf der Handlung auch Schnellreisestationen frei, die dürfen wir aber häufig während der Story gar nicht nutzen.
Dadurch wirkt die Spielzeit besonders in der ersten Hälfte extrem gestreckt. Wo wir anfangs noch Lust auf Entdecken hatten, wurde es später schnell frustrierend. Da hilft auch das Speichersystem nicht gerade. Wir sichern unseren Fortschritt nämlich ganz klassisch an Speicherpunkten, die über die Map verteilt sind. Einfach mal zwischendurch speichern und ausmachen geht also nicht.
Hier hätten wir lieber eine kürzere Spielzeit mit weniger künstlicher Streckung in Kauf genommen - nicht umsonst ist die dritte Erinnerung die mit Abstand kürzeste und gleichzeitig unser Favorit. Hier gibt es keine langen Laufwege oder Backtracking, stattdessen bleibt es von der ersten bis zur letzten Minute spannend.
Technische Performance: Technisch lief One Piece Odyssey in unserem Test auf PS5 einwandfrei und ohne Glitches oder Abstürze. Das Spiel bietet insgesamt zwei Ausgabemodi: einen Grafikmodus und einen Leistungsmodus.
Neben dem Erkunden der Gebiete absolvieren wir auch einige Dungeons. Hier gilt es zusätzlich kleine Rätsel zu lösen, die wenig fordernd sind: Oft reicht es, auf Steinplatten zu treten oder Schalter zu drücken, damit Türen sich öffnen. Zumindest sorgen sie aber für etwas Abwechslung, genauso wie die optionalen Aktivitäten. So können wir in Alabasta Kopfgeldaufträge annehmen oder mit Robin Accessoires aufwerten, die unsere Werte verbessern.
Ein klassisches Kampfsystem
Auch Kämpfe dürfen bei One Piece Odyssey natürlich nicht fehlen. Die Feinde laufen hier frei in der Spielwelt umher. Wenn wir uns von hinten anpirschen, bekommen wir einen Bonus auf kritische Trefferchance, sobald wir in den Kampfbildschirm wechseln.
Das Kampfsystem ist dabei klassisch rundenbasiert und funktioniert nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip: Jeder Charakter ist entweder auf Stärke, Schnelligkeit oder Technik spezialisiert, gegen die Gegner dann jeweils stark oder schwach sind. Außerdem ist das Kampffeld in verschiedene Areale unterteilt, in denen unsere vier aktiven Teammitglieder und die Gegner zufällig verteilt werden. Hier ist Taktik gefragt, denn je nachdem welche Angriffe wir wählen, können die Charaktere entweder ihr eigenes oder fremde Felder beeinflussen. Das klingt erst einmal komplex, ist aber schnell gelernt.
Ist ein Crewmitglied am Zug, kann er oder sie angreifen, gegen ein Reservemitglied ausgetauscht werden oder Items oder Fähigkeiten einsetzen. Diese Fähigkeiten verbrauchen “Tension Points”, die wir durch normale Angriffe erhalten, und sind von Person zu Person unterschiedlich: So heilt Chopper etwa das Team, Nami greift mehrere Gegner auf einmal an und Sanji verbrennt Feinde.
Setzen wir eine Fähigkeit ein, wird jedes Mal eine Animation abgespielt - die sieht zwar durchaus cool aus, wir können sie aber auch nicht überspringen. Dadurch strecken sich die Kämpfe schnell in die Länge. Immerhin gibt es die Möglichkeit, das Geschehen (auf PlayStation mit der R2-Taste) zu beschleunigen. Wer gar keine Lust auf die Kämpfe hat, kann zusätzlich auch die KI-Steuerung anschalten. Dann agiert die Crew automatisch, ohne dass wir einen Finger rühren müssen. Per Tastendruck können wir dann jederzeit wieder die Kontrolle übernehmen. Ohnehin sind die Kämpfe in One Piece Odyssey aber kaum fordernd, lediglich Bosse sind durch ihre erhöhte Stärke und Lebenspunkte etwas kniffliger. Hier wären verschiedene Schwierigkeitsgrade schön gewesen.
Barrierefreiheit: Im Bereich Accessibility bietet One Piece Odyssey kaum Optionen. Wir können lediglich die Vibration und das Trigger-Feedback ein- und ausschalten. Außerdem kann die Kamera bei Bedarf unsere Bewegungen ausgleichen. Das entspricht aber eher einer Bewegungsunterstützung als einer automatischen Kamera.
Eine optionale Herausforderung bieten immerhin die “dramatischen Szenen”. Diese zufälligen Ereignisse geben uns zusätzliche Ziele im Kampf: So müssen wir ein eingekreistes Crewmitglied retten oder ein Monster mit einem bestimmten Charakter besiegen. Das sorgt für Abwechslung und wird noch dazu mit ordentlich Erfahrungspunkten belohnt. Mit denen können wir RPG-typisch unsere Charaktere aufleveln. Dadurch werden sie zwar stärker, lernen aber keine neuen Fähigkeiten - das ist nämlich an den Storyfortschritt geknüpft. Wollen wir die Crew weiter verstärken, können wir außerdem verschiedene Accessoires ausrüsten oder an bestimmten Stellen Lagerfeuer aufschlagen, die uns ebenfalls mehr Erfahrung für die nächsten Kämpfe geben.
Fazit
Insgesamt dauert die Story von One Piece Odyssey rund 35 Stunden. Wer alle Nebenaktivitäten abschließen will, ist bis zu 60 Stunden beschäftigt. Zumindest wir hätten uns häufig aber durchaus ein kürzeres Erlebnis gewünscht. Besonders in der ersten Spielhälfte trägt die Streckung von einem sonst guten One Piece-Spiel ab. Das ist schade, denn sowohl die Charaktere als auch die Story sind gelungen. Fans dürfen sich hier auf zahlreiche nostalgische und emotionale Momente freuen. Neulinge auf der anderen Seite werden zwar gut abgeholt, können ohne die emotionale Bindung zu den Charakteren vermutlich aber weniger über die Schwächen des Spieldesigns hinwegsehen.
One Piece Odyssey erscheint am 13. Januar 2023 für PS4, PS5, Xbox Series X/S und PC.
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