Es ist eine schreckliche Angewohnheit, sich beim Beschreiben neuer Dinge auf bloße Vergleiche mit anderen, bereits bekannten Dingen zu verlassen. So wie wir uns eben exotische Gerichte schmackhaft machen und Cousin Frank versprechen, dass es eigentlich wie Hühnchen schmeckt. Es schmeckt natürlich nicht nach Hühnchen. Und ARMS ist eben auch nicht das Splatoon der Fighting Games, wie es derzeit so oft in die Welt posaunt wird.
"Und warum schreibst du dann trotzdem eine derartige Headline, die deine Einleitung vollkommen ad absurdum führt? Bist du noch ganz bei Trost, Hannes?!", mag manch einer nun denken. Das weiß ich nicht, aber ich weiß, dass der Vergleich mit Splatoon viel zu kurz greift und nicht wirklich transportiert, was ARMS zum vielleicht vielversprechendsten Nintendo Switch-Titel macht.
Es mag ja sein, dass Arms quietschbunt wirkt und damit die latente Aggressivität des Gameplays in Zuckerwatte verpackt. Das hat Nintendo tatsächlich auch mit Splatoon geschafft, wo die klassische Shooter-Ästhetik ins Gegenteil verdreht wurde. Weder ist das aber der große Reiz von Splatoon, noch geht es bei ARMS um den Look des Spiels.
Fliegende Fäuste für ein Hallelulja
In meinen Augen, und jetzt greife ich faul auf meine Headline zurück, ist ARMS viel eher mit der Spielmechanik von Rocket League verwandt, wo physikbasiertes, kompetitives Gameplay im Vordergrund steht. Nachdem ich nämlich endlich die Gelegenheit hatte, ein paar Matches in ARMS zu bestreiten, fühlte ich dieselbe Motivation wie damals, als ich zum ersten Mal die Reifen durchdrehen ließ, um bessere Seitfallzieher mit meiner Kiste zu landen: Ehrgeiz.
ARMS drängt mich fast augenblicklich dazu, besser sein zu wollen. Und damit meine ich nicht besser als meine Gegner sondern besser als mein eigenes Ich vor ein paar Minuten. Die ausfahrbaren Arme der fünf spielbaren Kämpfer sind nicht mit den knackigen Jabs und Punches aus Fight Night, Street Fighter und Co. zu vergleichen. Bis meine Cartoon-Faust dem Gegner das Jochbein bricht, vergehen intensive Momente. Und genau in diesen Momenten sticht ARMS heraus.
Die überraschend hohe Genauigkeit der Joy-Con lässt auch bei der Bewegungssteuerung - die übrigens nicht aufgezwungen wird, da ihr auch im Handheld-Modus mit den Aktionstasten spielen könnt -, schon erkennen, wie wichtig Timing und Antizipation in ARMS sein werden. Wie bei Rocket League, wo wir in hektischen Matches immer auch erahnen müssen, wann sich die Lücke für den Volleykracher öffnet, müssen wir in ARMS die Bewegungen des Gegners lesen und Schläge ins Leere setzen, um Treffer zu landen. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, mit der rechten Faust zuzuschlagen, damit der Gegner nach links ausweicht, nur um ihn dann voll in meine linke Faust laufen zu lassen.
Selbstverständlich öffnen wir durch einen abgefeuerten Arm auch die eigene Deckung, was das Gefühl für den richtigen Moment nur noch wichtiger macht. ARMS nimmt sich selbst beim Wort und baut nahezu das gesamte Gameplay auf die Mechaniken auf, die sich aus den Extremitäten ergeben. Wir blocken, parieren und überraschen allein durch den geschickten Einsatz unserer Arme.
"Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene"
Leider, und da mache ich mir dann doch etwas Sorgen, kommt die Fußarbeit in ARMS dadurch auch zu kurz und das Ausweichen beschränkt sich auf Ausfallschritte und Sprünge, die das freie, organische Gameplay der fliegenden Fäuste vermissen lassen. Gern wäre ich den Boxhandschuhen von Spring Man und Co. etwas direkter aus dem Weg gegangen – auf Knien unter dem Leberhaken durchgerutscht und mit einem Trampolin-Sprung dem Ribbon Girl auf den Hinterkopf gehauen.
Überhaupt bin ich mir bei den Kämpfern in Arms noch nicht sicher. Einerseits werden sie ähnlich wie in Overwatch über ihre individuellen Spielweisen definiert, anderseits heißen sie Spring Man, Ribbon Girl und Master Mummy. Das wirkt recht einfallslos und macht es mir schwerer, mich auf meinen persönlichen Favoriten einzulassen. Außerdem sind mir fünf spielbare Figuren noch zu wenig, auch wenn ich sie mit austauschbaren Fäusten noch anpassen kann - wobei sich die Charaktere teilweise die gleichen Arm-Aufsätze teilen.
Und da sind wir dann auch wieder bei meiner Abneigung von vagen Vergleichen. Die Bezüge, die sich zwischen ARMS und Splatoon oder ARMS und Rocket League herstellen lassen, sind nie qualitativer Natur. Ich hoffe zwar sehr, dass ARMS wie Rocket League wird, aber vielleicht wird es auch ein schlechtes Rocket League, nicht ausbalanciert und ohne Langzeitmotivation. Denn Dinge, die nach Hähnchen schmecken, schmecken selten nach gutem Hähnchen. Da kann Cousin Frank ein Lied von singen.
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