Ein Abendessen aus der Hölle
Anders als der Trailer vermuten lässt, beschränkt sich Nightcrawler übrigens nicht auf die Demontage der Nachrichtenkultur. Mit Rene Russo und Riz Ahmed stehen Gyllenhaal zwei brillante Gegenspieler zur Seite, die dessen Charakter um einige Facetten bereichern. Die krasseste Szene im Film ist beispielweise nicht etwa ein besonders brutaler Unfall, sondern eine Verabredung zum Essen zwischen Russo und Gyllenhaal, die unangenehmer kaum sein könnte.
Nightcrawler erweist sich vor allem in diesen Dialogen als brillant geschriebene Farce, die näher am Leben ist, als man das wahrhaben will. In Lou Bloom vereinen sich Unarten von Wesenszügen, die man in der Realität genauso häufig antrifft. Bloom ist manipulativ, egozentrisch und karrieregeil, erinnert vor allem in den Szenen mit seinem »Praktikanten« Rick an neuzeitliche Startup-Chefs mit ihrem schier unerschöpflichen Schatz aus BWL-Business-Blabla und leeren Motivationsphrasen.
Überdies ist der Film auch noch exzellent bebildert, lässt dabei nicht selten sogar den Vergleich zum modernen Klassiker Drive zu, dessen vom Kunstlicht durchflutetes Los Angeles eine mystische Atmosphäre erzeugte. Die Darsteller sind bis in die letzte Rolle toll besetzt, das Timing stimmt und wenn es spannend wird, dann so richtig. Dan Gilroy hat zuvor noch nie einen Film gedreht - das ändert sich ab sofort hoffentlich.
Fazit
David Hain: Nightcrawler ist kluges, unamerikanisches Kino, das seine bittere Message mit voller Kelle auftischt: Nicht nur der Blick tief ins dunkle Herz des US-Mediensystems, um Sensationsgeilheit, Gier und moralische Niederungen wirkt zutiefst abstoßend - auch die Figuren, die diese Welt bevölkern. Nightcrawler hält auch seinem Publikum einen Spiegel vor, macht es irgendwann selbst zum Voyeur, wenn wir uns ertappen, dass wir Gefallen an Lou Bloom gefunden haben.
Bloom ist eine schaurig-schöne Gestalt, einer der krassesten Antihelden seit Robert De Niros Travis Bickle, kongenial verkörpert von Jake Gyllenhaal, der hiermit hoffentlich in die Filmgeschichte eingeht. Neben David Finchers Gone Girl definitiv der besten Film der zweiten Jahreshälfte!
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